Aus dem Archiv - "Zur Frauenfrage" und "Der Anarchafeminismus und die Gemeinschaftsküche Kropotkins"


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Geschichte Theorie Anarchafeminismus

Vorwort anarchismus.de
Die folgenden beiden Texte haben wir von der alten anarchismus.de Seite übernommen. Denn, auch wenn die Texte einige Jahre auf dem Buckel haben, halten wir sie nach wie vor in dem Bereich, den sie abdecken für relevant. Klar ist aber auch, dass sie in mancher Frage nicht mehr dem aktuellen feministischen Diskurs entsprechen. Bedenkt dies bitte beim Lesen der Texte.

Zur Frauenfrage 1887

I. Gibt es eine Frauenfrage? — Nein — werden viele Genossen und Genossinnen antworten — von Natur aus ist das Weib mit dem Manne gleichberechtigt; und da das Weib, unter den heutigen Verhältnissen ebenso, ja in manchen Beziehungen noch mehr leidet wie der Mann, und dem Weibe in der von uns erstrebten Gesellschaft die gleichen Rechte garantirt sind wie dem Manne, verschmelzen sich ihre Interessen in gemeinsame. Die Propaganda, wie der Kampf um die Freiheit bleibt dieselbe.

So klar auch diese Antwort zu sein scheint, ist sie dennoch unrichtig (zum Mindesten einseitig), und wie durch Folgendes bewiesen werden wird, gibt es dennoch eine Frauenfrage, deren Vernachlässigung täglich fühlbarer wird.

Der heutige Mensch ist durch die Jahrtausende alte Gotteszucht und Mordscivilisation seiner wahren Natur entfremdet und zur willenlosen Marionette oder zur Bestie entartet. Als das Prinzip der Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren zur Basis des Gesellschaftssystems geworden, die Völker durch rohe brutale Gewalt in schmachvolle Sklaverei gepresst wurden, musste die Verrohung der Menschen eine natürliche logische Folge sein, wodurch sich der Mann, vermöge seiner physischen Ueberlegenheit, zum Herrn und Tyrannen des Weibes aufwarf, welche unter diesem doppelten Drucke wiederum noch tiefer sinken musste.

Die Perioden physischer Hilflosigkeit, welcher das Weib, zur Zeit der Mutterschaft etc., von der Natur aus unterworfen ist, trug selbstverständlich grösstentheils dazu bei, sich der Herrschaft des Mannes zu unterwerfen.

So nahm die Leidensgeschichte des Weibes eine von der des Mannes verschiedene Form an. In den Epochen, wo der Mann sich von dem auf ihm lastenden Joche zu befreien suchte, konnte es das Weib nie, denn sie hätte nicht nur gegen die Tyrannen der Völker, sondern auch gegen die Tyrannei des Mannes kämpfen müssen. Was würde ihr dies auch eventuell in einer Gesellschaft genützt haben, wo der physisch Stärkere das Recht diktirt! — Unter diesen Einflüssen gestaltete sich auch das Geistesleben des Weibes anders als das des Mannes.

Die Degradation des Weibes unter den Mann sank allmählig so tief, dass sie schliesslich als ein häusliches Zuchtthier, als eine der Gesellschaft nothwendige Gebärmaschine oder als ein Vergnügungsobjekt betrachtet wurde, über welches der “Eigentümer” — Mann — nach Belieben schalten und walten kann.

Erst in der französischen Revolution erwachte auch in der Frau das Bewusstsein ihrer Gleichberechtigung und sie kämpfte gleich einer Löwin an der Seite des Mannes, hoffend mit seiner Freiheit auch die ihre zu erreichen. Obwohl die Revolution verrathen und das Volk mit der Bourgeoisherrschaft seine Tyrannen gewechselt, blieb doch jener Hoffnungsstrahl der Freiheit in dem Herzen des Weibes, das Bewusstsein ihrer Menschenwürde und Gleichberechtigung stählend und kräftigend.

Die Bourgeoisie, der die Thatkraft, sowie der Einfluss der Frau auf die Revolution nicht entging, machte aus der Frauenemanzipation genau dasselbe trügerische Zerrbild, wie aus allen Idealen der Freiheit und Gleichheit, für welche das Volk geblutet.

Das Bourgeoisideal der Frauenemanzipation ist getreu dem herrschenden Ausbeutungsprinzipe angepasst: Zulassung in das private und staatliche Beamtenthum und die Hochschulen, um sich ein Heer neuer Ausbeutungsobjecte und billigere Hilfskräfte zu schaffen; schliesslich auch eine Erweiterung der politischen Rechte der Frauen, und dafür verlangt die Bourgeoisie nichts — nichts als ein Bischen Freundschaft für die Pfaffen.

Die nach Freiheit dürstenden Frauen suchten in dieser “Emanzipation” ihre Erlösung, die wahren Ursachen ihrer sozialen Erniedrigung verkennend oder ignorirend. Bald gab es nur zwei Sorten Frauen — “emanzipirte” und “fromme!” Wohl werden Beide — Männer und Frauen — durch die Macht der Verhältnisse nach einem gemeinsamen Ziele gedrängt, allein ihre Wege sind verschieden. Leider nur zu oft stehen sich die angeblich beiderseitigen Interessen diametral gegenüber.

Sehen wir nicht täglich Männer ihre Ueberzeugung opfern, weil der Liebesbarometer seiner “Julia” je nach dem Erfolge steigt oder fällt? Begeisterte Atheisten lassen ihre Kinder taufen und beten lernen oder begleiten gar ihre “theure Ehehälfte” zur Kirche, um des lieben ‘‘Hausfriedens’’ willen! — Und erst die unzähligen Fälle, wo begeisterte Freiheitskämpfer durch die Macht der Gardinen zu schlafmützigen Philistern geworden! — Vielfach besteht die Emanzipation der Frau darin, dass sie die Rollen wechselt und sich die Herrschaft über den Mann — dabei alle seine Untugenden und Lächerlichkeiten — aneignet. Sie glaubt sich um so emanzipirter, je auffallender sie sich benimmt und ihre wahre Weiblichkeit verläugnet. Diesen falschen, von dem giftigen Geifer der Bourgeoismoral durchtränkten Emanzipationswahn überträgt sie auf die Kinder. Traurige Nachkommenschaft!

II. Soll das in voriger Nummer Gesagte die Frau als emanzipationsunfähig darstellen? — Nein! Wir wollten damit nur zeigen, dass sie sich auf falscher Fährte befindet, welche das Wort Emanzipation zum Schrecken jedes vernünftigen Wesens macht; anstatt Fortschritt, Reaktion zur Folge haben muss.

Wie konnten nun so traurige Erscheinungen eintreten? — Weil einerseits die Bourgeoisie den in der Frau erwachenden Freiheitsdrang in ihrem Interesse ausnutzte; und anderseits der Mann aus Egoismus und eigener geistiger Beschränktheit der Frau mit Nachlässigkeit oder Geringschätzung begegnete.

Die Befreiung der Arbeiter aus ihrer sozialen Knechtschaft kann nur ihr eigenes Werk sein. Soweit sind also die Interessen des Mannes und der Frau gemeinsame. Die Befreiung der Frau aus der Knechtschaft des Mannes kann aber ebenfalls nur das Werk der Frauen selbst sein, womit sich die Interessen der Frau von denen des Mannes trennen. Aber diese Interessenverschiedenheit ist nur eine relative und dem Egoismus und geistigen Beschränktheit des Mannes abhängige. Ein konsequenter, aufrichtiger Sozialist kann die Frau nie anders, als mit ihm gleichberechtigt betrachten, denn das wirkliche, wahre Interesse des Mannes, sowie der vollen freien Entwickelung des gesammten Menschengeschlechtes besteht nicht in der sozialen Unterordnung der Frau unter den Mann, sondern in ihrer vollsten, unbeschränktesten Gleichberechtigung. Darum soll auch der Mann den speziellen Fraueninteressen entgegenkommend sein, d.h. den Freiheitsbestrebungen der Frau mehr Aufmerksamkeit schenken, mehr behilflich sein, will er von ihr verstanden werden, und sie nicht zu seiner Gegnerin im eigenen Emanzipationskampfe machen.

Welchen Abgrund eingefleischter Vorurtheile hat ein jahrtausende alter barbarischer Egoismus zwischen Mann und Frau geschaffen, wo das Weib nur als Halbmensch betrachtet, ihr jeder Antheil an der allgemeinen Geistesentwickelung versagt und als unweiblich erklärt wurde? — ! —

Darum sehen wir heute in diesem grossen Emanzipationskampf des Proletariats Mann und Frau, von einander unverstanden, sich gegenseitig ein Hinderniss, womöglich sich bekämpfend, anstatt Hand in Hand für ihre gemeinsame Befreiung zu kämpfen. Und solange die Frau über die Natur und ihre Gesetze, über die sozialen Verhältnisse, deren Ursachen und Wirkungen, von Vorurtheilen beherrscht im Dunkeln tappt; solange sie vom Manne als etwas ihm Untergeordnetes betrachtet und behandelt wird, solange wird ihr Fühlen und Denken auch ein dem des Mannes verschiedenes sein. Sie wird als Lebensgefährtin, als Mutter und Erzieherin der heranwachsenden Generation den Bestrebungen des Mannes reaktionär entgegenwirken; — oder, als willenlose Sklavin, der Herrschsucht des Mannes immer neue Nahrung zuführen, Herrschsucht und Knechtssinn auf die Kinder übertragend.

Und solange bleibt die Lösung der sozialen Frage eine schöne Illusion! —

Darum fort mit diesen aus finsterer Barbarei entsprungenen Vorurtheilen; aber auch fort mit der falschen Emanzipirung! Die Emanzipation besteht nicht in der Befriedigung persönlicher Eitelkeit oder lächerlicher Nachäffung männlicher Untugenden, oder in der Theilnahme an der politischen Humbugerei, sondern in dem Erkennen ihrer wahren Menschenwürde, der Beseitigung jeder Herrschaft in der Gesellschaft und Familie.

Möge es uns gelingen, in dem weiblichen Theile unserer Leidensgenossen dieses Bewusstsein zu erwecken, ihre Kräfte für den solidarischen Kampf zu gewinnen, und der Sieg wird unser sein. Den Frauen fehlt es weder an gutem Willen, noch an den nöthigen Fähigkeiten. Dass der Erfolg unserer Propaganda unter den Frauen noch nicht grösser, hat seine Gründe in den bereits angeführten Verkehrtheiten und Missgriffen. Dieselben zu vermeiden und zu bekämpfen, muss eine unserer vorzüglichsten Aufgaben sein.

III. Jede, die Menschheit bewegende Idee bietet in ihrer Entfaltungsperiode ein wirres Gemisch von eingewurzelten Gewohnheiten und idealem Streben. Es ist ein Kampf des Neuen mit dem Alten, des Werdenden mit dem Vorgehenden. Gestalt und Form wechselt je nach den intellektuellen Fähigkeiten und Neigungen der Individuen und der Verhältnisse, welche auf das Individuum und sein Geistesleben Einfluss nehmen. Jeder Einzelne formt sich Anfangs eine solche Idee nach seiner Art und Weise, bis sie nach einer Periode des individuellen Meinungsaustausches und praktischer Erfahrung festere, bestimmtere Gestalt annimmt. Die geistesverwandten Anhänger gruppiren sich in eine Partei, wo sich durch die stete Reibung individueller Meinung abermalige Klärung vollzieht, bis sie als Gemeingut aller Menschen realisirt werden.

Als im vorigen Jahrhundert die Idee der allgemeinen Menschenrechte die Völker bewegte, folgte Alles ihrem Banner. Adel und Bauer, Priester und Sansculotte, Männer und Weiber, Kinder und Greise, sie Alle stritten für sie; doch Jeder formte sich dieselben nach seiner Idee. Was der Eine unter “Freiheit” verstand, war meist die Sklaverei des Andern, und die wie Pilze aufschiessenden Parteien vertheidigten jede die Freiheit wie sie sie auffassten.

Dasselbe ist mit der Frauenemanzipation der Fall. Je nach den individuellen Neigungen, Denkvermögen und Vorurtheilen sind die Ansichten noch verschieden. Ein grösser Theil der Frauen erblickt ihr Emanzipations-Ideal in der ökonomischen Gleichstellung mit dem Manne. Sie wünschen zu allen Stellungen und Beschäftigungen zugelassen zu werden, ohne zu berücksichtigen, dass sie damit, unter dem heutigen Gesellschaftssystem, nur noch mehr Elend verursachen, als die nur theilweise Erfüllung dieses Ideals gebracht hat. Wohl fühlt die Frau die sie erdrückende Last ihres Doppeljoches, nur verwechselt sie Ursache mit Wirkung und glaubt, alle Schuld liege an ihrem geringeren Lohne, während die kapitalistische Ausbeutung, das ganze ökonomische System, die Ursache ist.

Ein anderer Theil schwärmt für politische Gleichberechtigung und erzählen uns, wie wir durch Theilnahme an den Wahlen und der Gesetzmacherei frei werden würden. Der politische Kampf ist aber ebenso fruchtlos wie der ökonomische. Was haben die Arbeiter durch denselben erreicht? Ausser entwürdigenden Zänkereien, Verrath und allgemeiner Demoralisation — nichts! Werden doch Gesetze immer nur für Solche gemacht, die Andere unterdrücken wollen. Und würde es bei den Frauen besser sein, wenn sie sich an dem politischen Cancan betheiligten? Gewiss nicht, eher noch schlechter. Fürs Erste hat die Frau ohnehin alle Hände voll zu thun, will sie ihren Pflichten, als Arbeiterin, Hausfrau und Mutter nur halbwegs nachkommen; und fürs Zweite würde sie, bei ihrer geistigen Vernachlässigung, ein umso fügsamer Spielball der politischen Gaukler werden. Klagt man doch heute schon allgemein über den politischen Einfluss der Pfaffen auf die Frauen. Die Theilnahme an der politischen Comödie kostet Zeit und Geld und so würde diese “Gleichberechtigung” höchstens ein neuer Sport der reichen “Damen,” bei welchem die arme Frau das Wild abgeben würde.

Ein ziemlicher Theil der Frauen hat dies auch bereits eingesehen und ist zu der Ueberzeugung gelangt, dass ihre Sklaverei nicht durch solche Flunkereien beseitigt wird. Wohl haben sich viele, dem Beispiele der Arbeiter folgend, in sozialdemokratische Reformschrullen verliebt; allein, zum Glück haben sie keine Gelegenheit sich an dem politischen Comödienspiele direkt zu betheiligen; und ein grosser Theil der Sozialdemokraten ist überhaupt der Meinung, die Frau möge Strümpfe stopfen und Suppe kochen, anstatt sich um soziale Fragen kümmern, da sich die Lage der Frau mit der des Mannes verbessern wird.

So haben die Frauen ihre Vernunft noch ziemlich frei von dem politischen Schwindel und ihr praktischer Sinn liess sie die Ideen der Anarchisten um so leichter begreifen. Während sie als Sozialdemokratin ihren männlichen Kampfgenossen gegenüber als unmündig betrachtet wird, fühlt und sieht sie sich als Anarchist in voll und ganz in ihrer Menschenwürde mit ihren männlichen Kampf- und Gesinnungsgenossen gleichberechtigt und als solche anerkannt.

In der Anarchie sieht die Frau auch ihr Ideal der Emanzipation verwirklicht; weder durch den Staat noch durch den Mann in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt, ist es gerade die anarchistische Idee, welche die volle Begeisterung und Hingabe, deren das Frauenherz fähig ist, erfüllt. Die Emanzipation der Frau löst sich in der Anarchie auf, und einmal diese Idee erkannt, wird sie es, wie schon so oft bewiesen, auch nicht an Kampfesmuth und Entschlossenheit zu deren Verwirklichung fehlen lassen.

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Der Anarchafeminismus und die Gemeinschaftsküche Kropotkins 1988

von Ariane Gransac-Sadori

Die Ablehnung der Ungleichheit der beiden Geschlechter hat die Frauen – ob organisiert oder nicht – dazu geführt, ein Theoriegebäude aufzubauen, das den Bereich, der gewöhnlich vom Herrschaftssystem abgegrenzt wird, nicht verläßt. Daher kann dies auch zu nichts anderem als zur Stabilisierung desselben führen.

Diese Feststellung, sowie die aktuelle Situation der Frauenbewegung und der Frauen allgemein (denn der Einfluß der Frauenbewegung ist weit größer als die Zahl der tatsächlich organisierten Frauen) führt eine wachsende Anzahl von Menschen zu der Frage, welche Ziele und Mittel der Feminismus vertritt und wie er diese in die Tat umsetzen und damit zur Befreiung der Frau gelangen will. Diese Fragen beruhen meines Erachtens nicht allein auf der Misere der institutionalisierten feministischen Ideologie, seitdem die Parteien und Staaten sich diese zu Nutze gemacht haben, sondern ebenfalls auf der Tatsache, daß gerade durch diese Institutionalisierung die Widersprüche und Schwierigkeiten dieser Ideologie besonders auffällig wurden. Selbst von den Männern und Frauen, welche schon von Anfang an vor der Unausweichlichkeit dieser Institutionalisierung warnten (Anarchistinnen eingeschlossen), ist leider nie oder zumindest nicht in ausreichendem Maße verstanden worden, daß die Forderung nach sexueller Gleichheit unter den Geschlechtern, wenn sie realisiert werden soll, nur eine gemeinsame Entscheidung beider Geschlechter sein kann: d.h., sie muß ein politischer Willensakt von Männern und Frauen sein, die dann diese Ethik gewählt haben, die überzeugt wären, daß die Gleichheit der Geschlechter eine biologische, ontologische oder sonstige Wahrheit ist …

Das Problem der Ungleichheit/Gleichheit unter den Geschlechtern genauso wie unter den Menschen im allgemeinen stellt sich auf der Ebene der sozialen Organisation und ist ein ideologisches und ein politisches Problem. Die Ebene zu verwechseln, bringt uns in widersprüchliche Situationen, wobei wir die Lösungen falscher Probleme suchen, oder aber Probleme auf unlösbare Weise stellen.

Der Versuch, die Gleichheit der Geschlechter wissenschaftlich beweisen zu wollen, ist solch ein falsches Problem.

Wichtig ist es vielmehr, klarzustellen, daß in der Gesellschaft, in der wir uns befinden (und vermutlich auch in allen vorhergehenden) die Frauen diskriminiert werden. Diese Tatsache sehen wir als absolut unzulässig.

Damit aber diese Klarstellung überhaupt weiterführt, müssen diejenigen Mechanismen entschleiert werden, die dafür sorgen, daß wir bewußt und unbewußt die »Normen« des Systems der Diskriminierung reproduzieren, gegen das wir kämpfen.

Über die Berechtigung der Idee der »Gleichheit der Geschlechter«

Bis heute wurde seitens der Frauenbewegung der Ursprung der Ungleichheit der Geschlechter der Spezies Mensch weder entdeckt, noch abgeleitet, noch interpretiert. Historisch gesehen markiert der Verlust des Paradieses den Ursprung; – dieser Ort, wo die menschlichen Wesen beider Geschlechter gleich und sicherlich glücklich waren, ist aber weder räumlich noch zeitlich von »der Geschichte« definiert. Die verschiedenen aktuellen feministischen Strömungen haben allerdings diese Suche nach dem »vermutlichen« Ursprung dieser Ungleichheit wieder aufgenommen, indem sie sich gegen die geltende These auflehnen, die Menschheit wäre immer im Kontext der sexuellen Ungleichheit organisiert gewesen. Die Forschung versucht zu beweisen, daß die Menschen zu Anfang gleichberechtigt gelebt haben und erst später in eine sexuelle Ungleichheit »abwichen« – eine Abweichung verbunden mit einer Einführung eines Typus, der von der Gesellschaft vorgegeben war. Dieser Forschungsansatz findet sich übrigens hauptsächlich in den Schriften revolutionärer Denker des vorigen Jahrhunderts, unter anderem beeinflußt von den Ideen Darwins.

Es ist offensichtlich, daß unsere Kultur uns dazu drängt, an das verlorene Paradies zu glauben und seine Existenz zu beweisen, um die Forderung nach Gleichheit der Geschlechter zu legitimieren (diese muß, um denkbar zu sein, bereits vorher existiert haben; d.h.: bereits in der Geschichte der Menschheit eingeschrieben sein). Aber es scheint, daß uns dieser Drang, die Idee der Gleichheit der Geschlechter notwendigerweise rechtfertigen zu müssen, noch weiter mitreißt; denn da es sich um den menschlichen Körper handelt, müssen wir nun scheinbar auch nachweisen, daß die Körper beider Geschlechter gleich sind (selbst wenn sie verschiedene, unterschiedliche Funktionen etc. haben …).

Jedoch ist die Notwendigkeit wissenschaftlicher Beweise sehr zweideutig und ordnet zudem die ethischen Gründe zweitrangigen und ungewissen Betrachtungen unter, welche schon von ihrer Natur her provisorisch und angreifbar sind. – Ist es daher – als Berechtigung des Kampfes für eine egalitäre Gesellschaft eigentlich nicht ausreichend, ein soziales System, welches auf einer »angenommenen, natürlichen« Ungleichheit zwischen den Menschen beruht, beenden zu wollen?

Nachdem wir uns hiermit gegen die Verschwendung wissenschaftlicher (anthropologischer. ethnologischer, biologischer etc.) Argumente und gegen historische Bezugnahmen in den Veröffentlichungen der Frauenbewegung überall in der Welt gewehrt haben, fragen wir uns:

  • Was ist der wahre Sinn hinter dieser angeblichen Notwendigkeit »wissenschaftlich« beweisen zu müssen, daß der Anspruch der Gleichheit der Geschlechter gefordert werden kann?

  • Wohin kann uns die Beharrlichkeit des Feminismus führen, der das Prinzip der Gleichheit der Geschlechter auf der Grundlage einer Analyse legitimieren will, die er als historische Wahrheit etabliert?

Es stimmt, daß, wie Michelle Perrot es ausdrückt, » die Geschichte der Frauen mehr die Geschichte der Beziehungen der Geschlechter und der Arten sein will«, und daß sie hauptsächlich versucht, darzustellen, was die Geschichte versteckt oder herunterspielt: die Präsenz der Frauen. Aber gerade indem so die Frauen in die Geschichte integriert werden, wird die Geschichte der Frauen selbst beerdigt!

Weiterhin lenkt der Wunsch (und der ihn begleitende Diskurs), die »Präsenz« der Frauen in der Geschichte beweisen zu können, uns von der grundlegenden Frage ab und wir verlieren uns in Antworten auf historisierende Fragen wie etwa: was war die wahre Rolle der Frau im »Schicksal« der Menschheit? Gab es nur das, was uns die Geschichte erzählt? Oder auch: waren die Frauen wichtiger in der Geschichte als diese uns erzählt? etc. So fragen wir uns nicht mehr, ob die Geschichte die authentische Wiedergabe der Wirklichkeit darstellt, oder ob es vielleicht eine andere mögliche Geschichtsschreibung dieser Wirklichkeit geben könnte; d,h., ob es eine Realität gibt, die ohne Geschichte blieb.

Die folgenden Zitate zeigen das fortschreitende Abrutschen dieses feministischen Diskurses:

Mit der Bemerkung, daß die Frauenbewegung »einen neuen Anstoß zur Geschichte der Frauen gegeben hat« proklamiert Rolande Tremper:

»Ein ganzes Studienfeld hat sich somit den menschlichen Wissenschaften eröffnet. Die Gründung einer »Action Thématique Programmée« über die feministischen Forschungen und Studien seitens des CNRS (Centre National des Recherches Scientifiques — Nationales Zentrum für wissenschaftliche Studien, Anm. FJ) zeugt von seiner Bedeutung. Diese »Action Thématique...« erhält in gewisser Weise Anerkennung durch das Interesse wissenschaftlicher Kreise an dieser Art Forschung.«

Michelle Perrot (im Kolloquium von Aix en Provence: ›Ist die Geschichte der Frauen möglich?‹) sagte:

»Aber von den Frauen wird, in Frankreich wie anderswo, durch viele Fragen das wieder in Frage gestellt, was die Frauenbewegung eingeübt hat. Gibt es, quer durch die Zeiten, eine kollektive Identität der Frauen? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Offenbar der Stille der Reproduktion, der unendlichen Wiederholung der täglichen Aufgaben geweiht, sowie einer sexuellen Teilung der Welt, welche manchmal für dermaßen unveränderbar gehalten wurde, daß man deren Ursprung in der Nacht der Zeitalter suchte –, haben die Frauen nur diese eine Geschichte?«

Alle diese Fragestellungen führten Michelle Perrot zu folgender Feststellung:

»Ein Bedürfnis nach Geschichte macht sich überall Luft (was der Durchdringung der Politik durch die Frauenbefreiungsbewegung, MLF korrespondiert). (MLF – Mouvement pour la Liberation des Femmes; Anm. FJ). Die Geschichte der Frauen und des Feminismus erlaubt es, sie wieder auf ihren Platz in der globalen Geschichte zu stellen, von dem sie nicht getrennt werden kann«.

Die Frauen sind somit dabei, ihre Geschichte in der Geschichte zu konstruieren, sich dort »offiziell« zu integrieren, ganz so, wie die vom Abendland kolonisierten Völker, die ihre Geschichte konstruieren müssen, um als Staaten existieren zu können (denn die Legitimation der Kolonisation beruhte darauf, daß diese Völker keinen Staat hatten, keine Geschichte hatten, und somit auch kein Recht auf das Land, auf welchem sie lebten.)

Aber wir wissen, daß die Geschichte mit dem Staat untrennbar verknüpft ist, und daß jegliche Herrschaft Hand in Hand geht mit der Verfälschung der Wirklichkeit. Demzufolge führt die normale Praxis einer wissenschaftlichen Untersuchung dahin, daß die ursprünglichen Anordnungen nach und nach verfälscht werden, denn nur so kann die wissenschaftliche Untersuchung Teil der akademischen Institutionen und der staatlichen Kulturapparate werden.

Dieses Bedürfnis von Frauen, sich in der Geschichte zu finden, wird als Forderung nach Gleichheit im Kontext einer hierarchisierten Gesellschaft aufgestellt. Daran gebunden, kann die Forderung dieses System nicht in Frage stellen. Denn sie bleibt auf die Ebene der Macht beschränkt. Der Entwurf der Gleichheit der Geschlechter, die auf der Ebene der staatlichen Gesetze eingefordert wird, kann höchstens die Ebene von auf Papier ausgestellten Berechtigungsscheinen beinhalten. Diese Berechtigungen aber stehen in einer Linie mit den gängigen Vorstellungen von der Welt des sozialen Systems, in dem wir leben. Dieser Entwurf ist an die Überlieferung durch die Geschichte gebunden, wie auch immer diese wiederum definiert sein mag: etwa, daß ab dem Zeitpunkt von Geschichte gesprochen werden kann, ab dem es eine menschliche Sprache gibt; oder seitdem es Schrift gibt, durch welche Geschichte überhaupt erst von Fälschern in Geschichtsschreibung umgemünzt wurde. Das bedeutet: Geschichte gibt es, seitdem in den Kategorien von »Anfang« und »Ende« gedacht wird. Der Schritt von Frauen für ihre Anerkennung in der Geschichte bewegt sich auf derselben Ebene. Er korrespondiert im übrigen mit der gegenwärtigen Phase des Eindringens, der Invasion des sogenannten »historischen Bewußtseins« – das sich auch noch für fortschrittlich ausgibt – bis in die tiefsten sozialen Schichten der Gesellschaft.

Wir wollen nicht verlangen, daß frau alle Untersuchungen und Fragen in dieser Richtung unterlassen sollte, denn es ist wichtig, die Manipulation, die Fälschung der biologischen und sozialen Realität der Spezies Mensch klar aufzuzeigen. Aber wir wollen unsere erworbene Interpretation der Welt ja hinterfragen! Wenn wir uns dabei auf oben genannte Fragestellungen beschränken, verbleiben wir im gleichen theoretischen Schema, mit dem die Welt mittels Biologie und Geschichte erklärt wird. Es wäre das gleiche, wie wenn wir die Zeit dadurch abschaffen wollten, daß wir die Uhrzeit auf unseren Armbanduhren verstellten.

Die gemeinsame Küche

Wenn wir die Entwicklung der feministischen Bewegung überall in der Welt betrachten, so können wir feststellen, daß sie weder in einem antikapitalistischen Rahmen begonnen, noch sich darin entwickelt hat. Die ersten Frauenorganisationen wie auch die ersten Diskussionen über die Gleichheit der Geschlechter haben Frauen zusammengeführt, die aufgrund ihrer materiellen und kulturellen Situation innerhalb des kapitalistischen Systems eine gewisse Unabhängigkeit behaupten konnten. Daher blieben die Forderungen dieser Frauen im Rahmen des Systems, auch wenn einige der Forderungen ursprünglich objektiv anti-kapitalistisch waren – z.B. diejenigen, die sich gegen die Institution der Familie richteten und damit sogar den Nerv Systems berührten.

Erst im Verlauf verschiedener Revolutionen und in den fortschrittlichen Organisationen der Arbeiterbewegung, haben (sowohl die Marxisten, u.a. Engels mit seinen Studien über den Ursprung der Familie etc. wie auch die Anarchisten,) die revolutionären Ideologien die Gleichheit der Geschlechter aus einem antikapitalistischen Blickwinkel heraus analysiert.

Kurz gesagt, die Forderung nach Gleichheit der Geschlechter ist nicht an sich »revolutionär«, sondern sie wird es erst im Rahmen eines gemeinsamen Kampfes für die Gleichheit Aller, der über die Unterschiede in den ideologischen und ethischen Positionen hinweg eine soziale Revolution anstrebt, die sich nicht, wie oben gesagt, darauf beschränkt, lediglich »die Uhren zu verstellen«.

Die Anarchisten – wie alle anderen Revolutionäre auch – haben das Projekt einer Gesellschaft der Zukunft auf historischen und wissenschaftlichen Grundlagen entworfen, wobei ihnen ihre Widersprüche durchaus klar waren.

Da wir diese Utopien immer noch nicht realisieren können, beziehen wir uns einmal als spezielles Beispiel auf die von Kropotkin entwickelte Idee einer zukünftigen libertären Gesellschaft (in: Die Eroberung des Brotes), um anhand davon unsere derzeitige Abneigung gegenüber verschiedenen Vorstellungen von dieser freien Zukunft besser verständlich machen zu können. Kropotkin geht bei seinem Entwurf der anarchistischen Idee sehr genau und sehr vorsichtig vor. Er berücksichtigt die zeitgenössischen Realisierungsversuche (in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts), den Bakuninschen Kollektivismus, den Fourierismus, etc. … Dabei vermeidet er jedoch die Beschreibung eines utopischen Paradieses, einer Ideal-Gesellschaft. Er verfaßt eine kritische Analyse spezieller Probleme und forscht nach möglichen Lösungen für eine gerechte und egalitäre Gesellschaft, die das Wohlergehen aller garantieren kann. Bei all seinen Überlegungen bezieht sich Kropotkin auf das Individuum, auf das Volk/die Völker, auf die Menschheit, auf den Menschen, sowie auf die Bevölkerung im allgemeinen, ohne nach Rassenzugehörigkeit oder Geschlecht zu unterschieden. Er führt aus, daß die Umwandlung der Gesellschaft nicht an einem Tag geschehen wird, und nimmt in seinen Modellen einer sozialen Organisation stets Bezug auf den Ausgangspunkt, d.h. darauf, daß wir ursprünglich alle in Anpassung und Übereinkunft mit den Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft funktionieren.

Dies haben wir im Hinterkopf, wenn er im Rahmen seiner Überlegungen zu den Problemen des häuslichen Lebens anfängt, von den Frauen zu reden … Dabei führt er aus: »die Frau zu emanzipieren, bedeutet, sie von der geisttötenden Küchenarbeit und der Wäsche zu befreien; d.h., ihr zu ermöglichen, sich so zu organisieren, daß sie ihre Kinder aufziehen und unterrichten kann, wenn sie es wünscht, und ihr dabei noch genügend Zeit bliebe, am sozialen Leben teilzunehmen«. Auch für ihn also bleibt das Aufziehen der Kinder die Domäne der Frau. Meiner Meinung nach ist diese Haltung bezeichnend für den Grad unserer Fähigkeit, von den traditionellen »besonderen Eigenschaften« zu abstrahieren, sowie ob wir wirklich dazu in der Lage sind, uns wahre freie Beziehungen vorzustellen. Auch wenn er also diejenigen scharf kritisiert, die die Aufgabenteilung im häuslichen Bereich (in der zukünftigen Gesellschaft) nach Geschlecht zuordnen wollen, unterstreicht er doch auch, daß die »Frau ebenfalls ihren Anteil an der Emanzipation der Menschheit fordert. Sie will nicht mehr den Lastesel des Hauses spielen. Es reicht schon, daß sie soviele Jahre ihres Lebens dem Aufziehen ihrer Kinder widmen muß«. Er kann sich die Frau ohne die Bürde dieser ihrer »besonderen Eigenschaft« nicht vorstellen.

In der Folge bezieht sich Kropotkin auf den technologischen Fortschritt, um mit seiner Hilfe ein Bild von der Zukunft des Menschen zu entwerfen, der dann durch die Maschine von lästigen Arbeiten befreit ist und sich kreativen, handwerklichen Aktivitäten etc. widmen kann. … Dabei schafft er es nicht, sich die Freiheit und Gleichheit in anderen Begriffen und Rahmenbedingungen vorzustellen, als den durch unsere Kultur vorgegebenen. Dies ist um so erstaunlicher, als er eine erschöpfende Beschreibung der Abstumpfung durch die Hausarbeit liefert (wobei er im übrigen verschiedene Forderungen der feministischen Bewegung seiner Zeit aufgreift). Man müsse die Frauen durch die Maschine befreien. Als Beispiel dient ihm die amerikanische Gesellschaft, welche bereits kollektive und kommerzialisierte Dienste eingeführt hat: Waschmaschinen für Wäsche, Geschirr etc. Für das Problem des Kochens schlägt er Gemeinschaftsküchen vor (inspiriert durch Unternehmen, welche fertig zubereitetes Essen zum Mitnehmen in den USA damals schon anboten). Er betont die ökonomische Nutzung von Energie und Arbeit: »50 Herdfeuer, wo ein einziges reichen würde. 50 Frauen, die ihren Vormittag verlieren, wo zwei Personen ausreichten.« Wenn er aber in einer Vorausschau zu den Fragen kommt, welche dadurch entstehen, daß jeder das Recht hat, sein Leben unterschiedlich zu gestalten (Kapitel: Die Lebensmittel), so unternimmt er von Neuem und jetzt mehr als deutlich eine kulturelle Gewichtung der weiblichen »besonderen Eigenschaften«: »Wir wissen, daß es 1000 Arten, Kartoffeln zu kochen gibt, aber es wäre nicht schlechter, sie in einem einzigen Topf für 100 Familien auf einmal kochen zu lassen. Wir verstehen, daß der Abwechslungsreichtum der Küche speziell in den Überlegungen jeder Frau in ihrem Haus liegt, das gemeinsame Kochen eines Zentners Kartoffeln verhindert nicht, daß jede nach ihrem Geschmack würzt«.

Kropotkin weiß sehr wohl, wovon er spricht. Er weiß, daß diese Gesellschaft auf Arbeits- und Rollenverteilung basiert, die sich nicht an einem Tag verändern werden. Er weiß, daß wir unter dem totalen kulturellen Einfluß der Gesellschaft stehen, in der wir leben. Sie prägt unsere Sicht der Welt. Deshalb haben wir alle Schwierigkeiten, uns eine völlig andere Gesellschaft vorzustellen: »Wir alle haben Vorurteile mit der Muttermilch aufgesogen … unsere gesamte Erziehung … gewöhnt uns daran, zu glauben …« ). Obwohl wir dies alles wissen, reden wir weiterhin abstrakt und sehr »theoretisch« von Freiheit und Gleichheit (und glauben auch zweifelsohne daran). Dadurch werden wir daran gehindert, unsere allgegenwärtige Realität so zu sehen, wie sie ist, (und uns das einzugestehen [!], damit wir nicht zur Karikatur werden, oder in Demagogie verfallen), und auch gehindert werden, unsere Ohnmacht zu analysieren, hieraus zu entkommen. Dies betrifft nicht allein den Bereich der Beziehungen zwischen Männern und Frauen, sondern auch die Beziehungen zwischen Genossen. Obwohl wir alle einen rigorosen Anti-Authoritarismus fordern, haben wir es noch nicht einmal im libertären Milieu geschafft, die Sektierei zu überwinden – und alle die anderen autoritären »Abweichungen« des Kampfes um die Macht, die personalistische Wertsteigerung etc.

Zum Verständnis der symbolischen Bedeutung und des Sinns meines Bezugs auf die »gemeinsame Küche«, ist es nötig, daß wir unsere Realität und die konkreten, täglichen Widersprüche unserer menschlichen und sozialen Praxis berücksichtigen. Wir müssen verstehen lernen, daß unsere Sehnsucht nach »Freiheit und Gleichheit für alle« unserer jeweiligen ethischen, ideologischen und politischen Position entspricht. Zudem hat diese Sehnsucht nur dann einen Sinn, wenn sie von einem sozialen Standpunkt aus vorgetragen wird. Das heißt: sie muß unsere Beziehungen zu den Anderen beinhalten. Und wenn wir in Richtung auf unsere Utopie weiterkommen wollen, müssen wir versuchen, in unserem Reden, Denken und Handeln konsequent zu sein.

Um zum Schluß zu kommen: ich weiß nicht, ob ein Anarcha-Feminismus uns in irgendeiner Weise nützlich sein könnte, um freie und gleiche Beziehungen unter Männern und Frauen, zwischen Allen, herzustellen. Genausowenig weiß ich, ob eine reine Frauenorganisation wirkungsvoller wäre. Aber auf den ersten Blick erscheint es mir absurd, zu trennen, um sich später wieder zu vereinen … Beachten wir, wohin der berufsständische Korporativismus die Arbeiterbewegung geführt hat! … Auf alle Fälle bleibt das Problem, wie wir kämpfen sollen für die Gleichheit (in der Gesellschaft, in der wir leben): denn wir gehen dabei ja stets von unseren ideologischen und ethischen Positionen aus. Damit die Forderung nach Gleichheit in ein allgemeines Verlangen nach einer globalen Umwälzung mündet, reicht es nicht, sie mit wissenschaftlichen oder anderen Argumenten zu begründen. Dazu ist eine tiefergreifende Bewußtwerdung notwendig – bei uns wie bei allen Opfern der Ungleichheit – damit dieser Kampf genauso der ihre wie der unsere sei. Deshalb müssen wir unbedingt unsere verschiedenen sozialen (ökonomischen, kulturellen, etc.) Situationen berücksichtigen, aus denen heraus jede der sozialen Gruppen den Kampf führt. Zusätzlich müssen wir uns immer wieder, wenn wir mit dem Problem der Ungleichheit konfrontiert werden, die angemessenen Mittel und Taktiken überlegen …

Wie überall müssen wir pragmatisch vorgehen, aber stets in Übereinstimmung mit unserem Ziel bleiben. Nur so können wir wahrhaft effektiv und gleichzeitig in Übereinstimmung mit unseren egalitären und libertären Engagement sein.

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