Das Ruder herumreißen: Ein anarchistisches Programm für Macht von unten - “Allgemeine Strategie”


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Anarchismus Selbstorganisation Basisorganisation Anarchokom

Am 1. Mai 2023 hat die US-amerikanische plattformistische Organisation Black Rose Anarchist Federation/Federaćion Anarquista Rosa Negra ein Programm bzw. Strategiepapier mit dem Titel “Turning the Tide: An Anarchist Program for Popular Power” link (“Das Ruder herumreißen: Ein anarchistisches Programm für Macht von unten“) veröffentlicht. Die ausführliche Broschüre widmet sich struktureller Analyse, strategischer Planung, Taktiken und Aufgaben der Black Rose Anarchist Federation/Federaćion Anarquista Rosa Negra als auch der anarchistischen (plattformistischen) Organisation allgemein. Neben den inhaltlichen Analysen und Strategien zeigt die Black Rose Anarchist Federation/Federaćion Anarquista Rosa Negra mit ihrem Programm, wie Gesellschaftsanalyse und politische Arbeit Hand in Hand gehen können.

Im Folgenden veröffentlichen wir eine Übersetzung des Kapitels “Allgemeine Strategie”, welches insbesondere die Aufgaben der anarchistischen/plattformistischen Organisation und ihre Rolle in Massenbewegungen, sowie das Konzept der “dualen Organisation” behandelt.

Wer mehr über die plattformistische Organisationsform erfahren möchte kann auch hier, die von uns veröffentlichten Broschüren zum Thema finden, oder schaut auf der entsprechenden Strömungsseite vorbei.

Cover Illustration von DINELLI

Ein anarchistisches Programm für Macht von unten

Wir brauchen einen Kompass, einen Nordstern, der uns durch die Höhen und Tiefen unseres Kampfes führt, hin zu unserem Ziel - der sozialen Revolution und dem libertären Sozialismus. Mit anderen Worten, wir brauchen eine allgemeine Strategie, eine dauerhafte revolutionäre Orientierung, die gleichwohl darauf abzielt, das Herrschaftssystems zu zerschlagen und dabei auch den Grundstein für eine neue Gesellschaft zu legen.

Im weitesten Sinne ist die Strategie das Mittel, das wir einsetzen, um unsere Ziele zu erreichen. Sie kann in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Pläne gegliedert werden. Um unsere Strategie in die Praxis umzusetzen, müssen wir eine Reihe von Taktiken entwickeln - konkrete Schritte, die eine kohärente Verbindung zwischen unseren Mitteln und Zielen herstellen. Während eine kurzfristige Strategie durch aktuelle Bedingungen an einen bestimmten Ort gebunden ist und auf einen bestimmten Zeitraum verweist, ist eine allgemeine Strategie nicht durch Zeiten oder Orte begrenzt. Stattdessen basiert diese auf einer strukturellen Analyse der jetzigen Gesellschaft, der zukünftigen Gesellschaft (die, die wir aufbauen wollen) und der Art und Weise, wie wir von der alten in die neue Welt gelangen wollen.

Die allgemeine Strategie ist der übergreifende Rahmen, der unsere politische Organisation und ihre militanten Mitglieder anleitet. Sie ist die Brücke zwischen Kurz- und Langfristigkeit, der Klebstoff, der unsere Mittel und Ziele verbindet.

Nach Ansicht der Federação Anarquista do Rio de Janeiro (FARJ) in Brasilien “ist es wichtig, dass die spezifische anarchistische Organisation mit einer Strategie arbeitet“(1), um sicherzustellen, dass ihre Mitglieder “das Boot in die gleiche Richtung rudern”.(2) Eine allgemeine Strategie, die durch kollektive Diskussion und Entscheidungsfindung entwickelt wird, ermöglicht es der Organisation, ihre begrenzten Ressourcen in eine gemeinsame, kohärente Richtung zu mobilisieren, um die Organisation effektiver zu machen.

Einer allgemeinen Strategie zuzustimmen verringert Verwirrung, Konflikte und die Ineffizienz, die entsteht, wenn Einzelpersonen oder Gruppen innerhalb der Organisation mit gegensätzlichen Schwerpunkten arbeiten. Wie die FARJ feststellt, "ist es nicht möglich, in einer Organisation zu arbeiten, in der jede/r oder jede Gruppe das tut, was er für das Beste hält, oder einfach das tut, was er gerne tut, in dem Glauben, zu einem gemeinsamen Ganzen beizutragen.”(3)

Aus diesen Gründen ist eine allgemeine Strategie notwendig.

Unsere allgemeine Strategie ist in der anarchistischen Tradition des Aufbaus von “Popular Power”, d.h. einer Macht, die von der Bevölkerung und sozialen Bewegungen ausgeht, verwurzelt. Dieser Ansatz geht auf die Federación Anarquista Uruguaya (FAU) und die historischen sozialen und politischen Kämpfe der 1960er und 1970er Jahre in Südamerika zurück. Die von der FAU formulierte spezifisch anarchistische Strategie zum Aufbau der “Volksmacht”, die sich in der Forderung nach der Schaffung eines "mächtigen Volkes”, d.h. in diesem Zusammenhang einer starken Macht von unten, kristallisiert, hat Schwesterorganisationen innerhalb und außerhalb des Südamerikas inspiriert.(4) Im Kern dieser Strategie liegt die führende Rolle der sozialen Bewegungen, die als “ein Zusammenschluss von Menschen und/oder Organisationen, die gemeinsame Interessen haben, um bestimmte Ziele zu verteidigen oder zu fördern betrachtet werden... Diese Bewegungen können sich an den unterschiedlichsten Stellen der Gesellschaft befinden und die unterschiedlichsten Motivationen haben, sie haben aber alle ein gemeinsames Ziel.”(5)

Im Laufe ihrer Geschichte können wir in den Vereinigten Staaten ein breites Spektrum an inspirierenden, sozialen Bewegungen sehen, die verschiedene Kämpfe ausgetragen haben, von der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei bis hin zu Arbeiter-, Mieter-, Bauern-, Frauen-, LGBTQ-, indigenen, Studenten-, Einwanderungsrechts-, Chicano/a-, Umwelt-, Antikriegs-, Bürgerrechts- und und Black-Power-Bewegungen. Durch diese Bewegungen haben wir einige der dramatischsten Veränderungen in unserer Gesellschaft erlebt, von der Abschaffung der Rassentrennung (Jim Crow Laws) bis hin zur Abschaffung der Kinderarbeit.

Unsere allgemeine Strategie beruht auf der Erkenntnis, dass nur soziale Bewegungen das Potenzial für einen revolutionären Wandel haben, dass nur sie die Saat für eine neuen Gesellschaft aussähen können. Wir können Beispiele dieses revolutionären Potenzials in der Vergangenheit und in der Gegenwart finden: z. B. in der Koreanischen Volksvereinigung in den selbstverwalteten Territorien der Mandschurei (während der späten 1920er und frühen 1930er Jahre) oder in den Tausenden von vergesellschafteten Feldern und Fabriken in Spanien während der spanischen Revolution, in den befreiten Gebieten von Morales und anderswo während der mexikanischen Revolution, in den Massenbewegungen in Uruguay in den 1960er und 1970er Jahren, in den Sowjets und Kommunen der Ukraine und Russlands in den ersten Jahren der russischen Revolution und heute im Befreiungskampf in Rojava.

Das revolutionäre Potenzial sozialer Bewegungen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Viele, wenn nicht sogar die meisten, werden von Reformismus durchzogen und versuchen, lediglich die “Auswüchse” des Herrschaftssystems zu verändern, nicht das System selbst. Diese Bewegungen, oder zumindest ihre Anführer, die die Richtung der Bewegungen bestimmen, sehen Reformen jedoch als Selbstzweck.

Reformistisch orientierte Bewegungen und Organisationen spiegeln in der Regel viele der Werte, Überzeugungen und Praktiken unseres Systems wieder, einschließlich, aber nicht beschränkt auf hierarchische Managementstrukturen mit Top-Down-Modellen der Entscheidungsfindung und einer dichten Bürokratie. Des Weiteren unterstützen sie meist Wahlen von und Zusammenarbeit mit Reformpolitikern, die im Namen der Bewegungen Veränderungen durch den Staat herbeiführen sollen. Auch wird oft Individualismus und Wettbewerb gefördert, weil Bewegungen eine Aufwertung des öffentlichen Profils und der Gehälter ihrer Anführer unterstützen.

Die Taktiken und Strategien dieser reformistischen Politik spiegeln häufig die Bedürfnisse und Interessen der sozialen Kräfte wider, die den Kern der Bewegungen bilden, d.h. Gewerkschaftsbürokraten, Vorstände gemeinnütziger Organisationen und progressive Politiker. Für diese Kräfte ist die Organisation selbst - die Gewerkschaft, die gemeinnützige Organisation oder die politische Partei - die Quelle ihren ganzen Lebens und ihres Lebensunterhaltes, von ihren im Allgemeinen großzügigen Gehältern bis hin zu ihren sozialen und politischen Netzwerken. Daher ist es unwahrscheinlich, dass sie Taktiken oder Strategien verfolgen, die die Organisation gefährden könnten, wie z. B. illegale Streiks oder andere Formen von Massenunruhen, die staatliche Repressionen nach sich ziehen könnten.

Stattdessen sind reformistische Strömungen innerhalb von Bewegungen eher bereit, den Wandel über offizielle Kanäle zu fördern. Lobbyismus, Wahlkampf, symbolische Demonstrationen und Pressekonferenzen sind einige der typischen Instrumente des Reformismus.

Obwohl wir den Reformismus ablehnen, ist der Kampf um Reformen unerlässlich - wenn dieser von unten gewonnen wird und nicht von oben herab durch Großgrundbesitzer, Bosse oder Politiker. Reformen durch unabhängige kollektive Aktionen für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erringen, stärkt unsere Fähigkeiten, unsere Solidarität, unsere Motivation und unseren Willen zu kämpfen. Der Kampf um Reformen ist entscheidend für den Aufbau der Macht von unten. Aufbauend auf einem libertären sozialistischen Hintergrund, fordert unsere allgemeine Strategie den Aufbau dieser Macht des Volkes durch unabhängige, dauerhafte soziale Bewegungen, die den herrschenden Klassen nicht nur Reformen abtrotzen, sondern auch die Grundlage für eine neue Gesellschaft legen. Diese Bewegungen zeichnen sich durch eine Reihe von Organisations- und Kampfformen aus:

1. ------

Sie werden um gemeinsame Bedürfnisse herum organisiert: Im Gegensatz zu denjenigen Formen des Aktivismus, bei dem Individuen in Zyklen moralischer Empörung verwickelt sind, von einem Thema zum nächsten springen und keine soziale Basis aufbauen, fordern wir Bewegungen, die für unsere gemeinsamen, materiellen Bedürfnisse und Interessen kämpfen. Organisationen die sich auf die gemeinsamen Bedürfnisse der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen stützen - z.B. für höhere Löhne, Mietkontrollen, Kinderbetreuung, polizeifreie Schulen usw. kämpfen - haben ein größeres Potenzial, wenn es um den Aufbau einer breiten sozialen Basis geht, die nicht nur unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern kann, sondern zum Hebel für revolutionäre Veränderungen wird.

2. ------

Ideologiefreiheit: Anstatt Bewegungen aufzubauen, die an einer bestimmten Partei ausgerichtet sind oder durch eine explizite politische Ideologie geprägt sind - sei sie anarchistisch, marxistisch oder sozialdemokratisch - fordern wir Bewegungen, die um gemeinsame materielle Bedürfnisse und Interessen herum mobilisiert werden. Wir erkennen an, dass es in Massenbewegungen eine Vielzahl von ideologischen Strömungen gibt und dass Versuche, der Bewegung eine einzige politische Zugehörigkeit aufzudrängen, die soziale Basis, aus der die Bewegung entsteht, verengen.

3. ------

Klassenkampf und Unabhängigkeit: Im Gegensatz zu einer Zusammenarbeit der Klassen, die herrschende Kräfte mit einschließt, treten wir für Bewegungen ein, die ihre Unabhängigkeit vom Staat, von politischen Parteien und gemeinnützigen Organisationen wahren, um sich dem Klassenkampf zu widmen. Dies vermeidet die Fallstricke der Kooptation, Demobilisierung und Domestizierung.

4. ------

Direkte Aktion: Anstatt die Lösung unserer Kämpfe an Andere zu delegieren - seien dies Politiker, Gewerkschaftsbürokraten oder gemeinnützige Non-Profit-Organisationen - rufen wir zu massenhafter kollektiver direkter Aktion auf, da dies die stärkste Form des Kampfes ist. Wenn Massen von Unterdrückten sich der Arbeit verweigern, ihre Miete einbehalten oder die Leitung sozialer Einrichtungen übernehmen, umgehen wir die Vermittler und nehmen hinsichtlich unserer Probleme und den Lösungen, die wir vorschlagen, die Zügel selbst in die Hand. Dies entwickelt das Selbstvertrauen, die Fähigkeiten und die Autonomie der unterdrückten Klasse.

5. ------

Direkte Demokratie: Im Gegensatz zu Top-Down-Organisationen oder repräsentativer Demokratie, bei der sich die Entscheidungsgewalt auf eine Handvoll Personen an der Spitze konzentriert, praktizieren Bewegungen, die die Macht des Volkes aufbauen wollen, direkte Demokratie. Dies gewährleistet eine sinnvolle, breite Beteiligung und demokratische Kontrolle durch die breite Masse, wobei alle Beteiligten ein gleichberechtigtes Mitspracherecht in einem kollektiven Entscheidungsprozess haben, unabhängig davon, ob die Entscheidungen durch Abstimmungen, Konsens oder modifizierten Konsens getroffen werden.

6. ------

Selbstverwaltung und Föderalismus: Anstelle von Organisationen mit einer starren Befehlskette und einer Trennung zwischen Anführern und Geführten, befürworten wir selbstverwaltete, demokratisch organisierte und von der Basis kontrollierte Bewegungen, in denen Mitglieder ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen haben, die sie betreffen und die als Organisationen in einer föderalistischen Struktur miteinander verbunden sind.

7. ------

Militanz: Anstatt uns auf die offiziellen Bahnen zu beschränken, die darauf ausgelegt sind, uns passiv zu halten und das herrschende System zu reproduzieren, brauchen wir militante Bewegungen, die den Schwerpunkt auf direkte Aktion legen und eine Bereitschaft zu massenhaftem zivilen Ungehorsam haben, einschließlich illegalen Streiks, Sit-ins, Besetzungen und anderen störenden Taktiken, die eine ernsthafte Bedrohung für Wirtschaft und Politik darstellen.

8. ------

Solidarität und gegenseitige Hilfe: Im Gegensatz zu Bewegungen, die sich auf einen bestimmten Aspekt des Kampfes beschränken, brauchen wir soziale Bewegungen, die in Solidarität und gegenseitiger Hilfe verankert sind. Wir müssen uns mit allen ausgebeuteten und unterdrückten Völkern in unserem gemeinsamen Kampf gegen das gesamte System der Herrschaft solidarisieren. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, verteidigen, lieben und schützen.

9. ------

Internationalismus: Anstatt unsere Kämpfe auf das Land zu beschränken, in dem wir zufälligerweise leben, lehnen wir Nationalismus ab und rufen zu internationalistischen Bewegungen auf, die sich mit allen ausgebeuteten und unterdrückten Menschen im In- und Ausland solidarisch zeigen, um den globalen Kapitalismus, den Imperialismus und den Nationalstaat zu bekämpfen.

10. ------

Revolutionäre Kultur: Wir müssen uns gegen die Werte und Praktiken der herrschenden Kultur, wie z.B. Individualismus, Wettbewerb, Heteronormativität, Rassismus, usw., stellen. Stattdessen müssen wir in unseren Bewegungen und Organisationen eine revolutionäre Kultur etablieren, die auf Kooperation, Solidarität, Internationalismus, Antirassismus, Feminismus und ähnliche Praktiken basiert, sowohl in der Art und Weise, wie wir unsere Organisationen strukturieren und miteinander umgehen, als auch durch Kunst, Bildung und andere Formen der Kommunikation.

Viele dieser Elemente werden wahrscheinlich in den Bewegungen, denen wir begegnen, fehlen - vorausgesetzt, es gibt überhaupt Bewegungen, die wir finden können. Wie auch immer, ob wir uns in bestehende Kämpfe einmischen oder neue von Grund auf aufbauen, unsere Rolle als anarchistische Revolutionär:innen, als politische Organisation, ist es diese Elemente zu praktizieren, vorzuschlagen und zu verteidigen - durch aktive Teilnahme an den täglichen Kämpfen unserer unterdrückten Klasse. Je mehr diese Merkmale in den sozialen Bewegungen vorhanden sind, desto mehr treiben wir die Strategie eine Macht des Volkes aufzubauen voran.

Dies bringt uns zur Frage der dualen Organisation, einem Pfeiler unserer allgemeinen Strategie. Seit seinen Anfängen im späten 19. Jahrhundert gab es im Anarchismus immer eine Strömung der dualen Organisation, die die Notwendigkeit von zwei getrennten, aber symbiotischen Organisationstypen als Schlüsselbestandteile für die revolutionäre Transformation betonte. Diese duale Organisation besteht aus: einer sozialen Organisation (soziale Bewegungen und Massenorganisationen) und einer politischen Organisation (anarchistische politische Organisationen).

Die Theorie und Praxis der dualen Organisation - in erster Linie verbunden mit politischen Organisationen in der Form des Plattformismus(6) und des Especifismo(7) - betont nicht nur die Notwendigkeit einer sozialen und politischen Organisation, sondern auch die einzigartige Rolle, die beide spielen und die Beziehung zwischen den beiden.

Als Teil unserer allgemeinen Strategie müssen anarchistische Aktivist:innen beide Arten von Organisationen aufbauen, stärken und sich an beiden Arten von Organisationen beteiligen.

Wir wollen einige der wichtigsten Charakteristika der beiden Organisationsformen hier darstellen:

Massenorganisationen vereinen bestimmte Akteure der unterdrückten Klasse - Arbeiter, Mieter, Studenten, Einwanderer, indigene Völker usw. - auf der Grundlage, dass sie die eigenen unmittelbaren Lebensbedingungen verteidigen und verbessern wollen. Wie wir beschrieben haben, gibt es diese Organisationen in vielen Formen, von Gewerkschaften bis hin zu indigenen Organisationen, die ihr Land verteidigen.

Da Massenorganisationen danach streben, so viele Menschen wie möglich zu vereinen, um deren materielle Bedürfnisse zu befriedigen, neigen sie dazu, den Schwerpunkt auf Reformen und nicht auf die Revolutionen zu legen.

Die Zabalaza Anarchist Communist Front aus Südafrika erklärt: “Die Massenorganisation erfordert keine vollständige Vision des Klassenkampfes, sondern nur praktische Fähigkeiten und den Wunsch, das Kapital zu bekämpfen. In nicht-revolutionären Zeiten kümmert sie sich um unmittelbare alltägliche Kämpfe und Sorgen der Arbeiterklasse und ist nicht unbedingt revolutionär.”(8) Wenn Massenorganisationen eine große Anzahl von Menschen auf der Grundlage gemeinsamer Bedürfnisse und nicht auf der Grundlage von Ideologie zusammenbringen, lässt sich in diesen Massenorganisationen ein breites Spektrum von Ansichten finden. Diese Perspektiven können sich manchmal überschneiden und im Widerspruch oder im Konflikt zueinander stehen. Es können Menschen an Massenorganisationen teilnehmen, die die Demokratische oder die Republikanische Partei unterstützen, die Verschwörungstheoretiker oder Menschen ohne klar definierte politische Identität sind - und es können sich auch verschiedene Arten von Marxisten, Frauenhassern, religiösen Reaktionären, Liberalen und allem, was dazwischen liegt dort finden.

Die ideologische Vielfalt in der Basis der Massenorganisationen bedeutet, dass wir uns auf den “Kampf der Ideen” einlassen müssen.

Als Anarchist:innen müssen wir darauf vorbereitet sein, bei den verschiedenen Kräften, die in den Massenorganisationen im Spiel sind, zu intervenieren und so viele Menschen wie möglich für unsere Ideen und Methoden zu gewinnen. Und um am effektivsten zu intervenieren, müssen wir politisch organisiert sein.

Im Gegensatz zu Massenorganisationen, die im Allgemeinen für all diejenigen offen sind, die bestimmte Bedürfnisse teilen, setzt sich die anarchistische politische Organisationen aus einer “aktiven Minderheit" von Revolutionären zusammen, die eine gemeinsame Ideologie, eine Reihe von Prinzipien und ein Programm teilen. Politische Organisationen verlangen von ihren Mitgliedern ein hohes Maß an theoretischer und praktische Einheit und spielen eine besondere Rolle im Verlauf unseres Kampfes.

Die wichtigste Rolle einer anarchistischen politischen Organisation ist ihre nachhaltige Aktivität innerhalb sozialer Bewegungen. Wir erwarten von uns selbst, dass wir uns in einem von mehreren “Sektoren" organisieren, in denen soziale Bewegungen verankert sind. Sektoren sind spezifische Orte des Kampfes, an denen der Kampf zwischen konkurrierenden Klassen konkrete Formen annimmt, wie z. B. am Arbeitsplatz, an Schulen und in Wohnvierteln. Dem chilenischen Anarchisten José Antonio Gutierrez zufolge drückt sich der Klassenkonflikt in diesen Sektoren durch bestimmte "Akteure des Kampfes" aus - Arbeiter, Studenten, Mieter, Inhaftierte usw., die sich durch folgende Merkmale auszeichnen:

  1. Die Probleme, die sie selbst und ihre Interessen unmittelbar betreffen, schließen Polizeibrutalität, unsichere Arbeitsbedingungen, baufällige Wohnungsnot, Inhaftierung und mehr ein.
  2. Aus diesen Probleme und Interessen entstanden Kampftraditionen und Organisationen wie z. B. Gewerkschaften, Mietergewerkschaften, indigene Organisationen, Organisationen für die Rechte von Einwanderern und andere mehr.
  3. Sie teilen einen gemeinsamen Ort oder eine gemeinsame Aktivität in der Gesellschaft, einschließlich Arbeitsplätzen, Wohnvierteln, Schulen, Gefängnissen, Reservaten und mehr.(9)

Die Sektoren sind nicht isoliert zu betrachten. Jeder einzelne wird durch das Herrschaftssystem geprägt und prägt das Herrschaftssystem. Die Sektoren sind alle miteinander verbunden. Unsere Fähigkeit, Miete zu zahlen hängt zum Beispiel davon ab, wie viel wir bei der Arbeit verdienen, was wiederum oft mit unserem formalen Bildungsniveau zusammenhängt, aber auch mit Fragen von “Race”, des Geschlechts, der Nationalität und Sexualität. Historisch gesehen sind soziale Bewegungen am stärksten, wenn sie in der Lage sind, mehrere Sektoren miteinander zu verweben und zu mobilisieren. Die Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre sind ein gutes Beispiel dafür. Diese Bewegungen umfassten Massenorganisationen an Arbeitsplätzen, in Schulen, Wohnvierteln und Gefängnissen als Teil eines breit angelegten Kampfes. Unsere Aufgabe besteht also nicht darin nur in einem Sektor Macht aufzubauen, sondern Wege zu finden, mehrere Sektoren zu einer Massenbewegung von unten gegen das Herrschaftssystem zu vereinen. In welchen Sektoren wir uns als politische Organisation engagieren entscheiden wir nicht aufgrund persönlicher Vorlieben, sondern auf der Grundlage einer kollektiven Analyse der aktuellen Bedingungen, einer Einschätzung, welche Orte das größte Potenzial haben, um eine Macht des Volkes aufzubauen und einer Abwägung, wie unseren Kapazitäten als politische Organisation aussehen.

Durch langfristiges Engagement, den Aufbau von Beziehungen und prinzipientreuer Organisation, können anarchistische Aktivist:innen nicht nur an Massenorganisationen innerhalb dieser Sektoren teilnehmen, sondern auch deren Alltagspraxis in eine anarchistische Richtung hin beeinflussen - ein Prozess, der als soziale Eingliederung bekannt ist.

Dieser Prozess zielt darauf ab, Bewegungen mit anarchistischen Werten, Prinzipien und Praktiken zu durchdringen, diese aber nicht der Bewegung aufzudrängen. Wie wir in unserem Gründungsdokument “Die Rolle der revolutionären Organisation” feststellen, nimmt die revolutionäre Organisation “an den Massenbewegungen als gleichberechtigte Kämpferin teil…. Sie versucht niemals, Massenbewegungen zu dominieren, zu manipulieren, zu befehlen oder zu kontrollieren und erkennt die Notwendigkeit eines revolutionären Pluralismus an. Sie versteht, dass diese Bewegungen, nicht die revolutionäre Organisation selbst, das revolutionäre Mittel der sozialen Transformation ist.”(10)

Anarchistische Aktivist:innen sollten innerhalb der sozialen Bewegungen als Bollwerk gegen u.a. folgende Kräfte auftreten: gegen autoritäre Revolutionäre, die versuchen Führungspositionen für ihre eigenen Zwecke an sich zu reißen, die Kämpfe in Rekrutierungsmomente für ihre eigenen politischen Organisationen verwandeln wollen und die Frontgruppen hinter den Kulissen lenken; gegen Reformisten, die Bewegungen oft einschränken und sie in den Grenzen des Systems festhalten; und gegen Reaktionäre, die eine konkrete Gefahr für unsere Bewegungen darstellen.

Anarchistische politische Organisationen sind zudem eine wichtige Quelle des historischen Gedächtnisses. Durch Artikel, Bücher, Broschüren, Präsentationen, öffentliche Veranstaltungen und mehr beleuchten sie die Erfolge, Misserfolge, Widersprüche und Erkenntnisse sozialer und politischer Organisationen, historischer Schlüsselfiguren und Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart. Sie teilen so entscheidende Lehren mit den Kampfgenoss:innen. Das historische Gedächtnis zu bewahren ist Teil der umfassenderen Aufgabe von politischer Bildung und Propaganda. Um den ideologischen Unterbau und die toxische Kultur des Herrschaftssystems herauszufordern, “bemüht sich die anarchistische politische Organisation eine sichtbare Präsenz für ihre Ideen, Methoden und Taktiken aufzubauen, um eine revolutionäre Kultur zu verbreiten... eine Kultur des Kampfes, der Kreativität und der Solidarität, eine Kultur von gegenseitiger Hilfe - antirassistisch, internationalistisch, antipatriarchal, antikapitalistisch und antistaatlich.”(11)

Mit dem Ziel, ein großes, vielfältiges Publikum anzusprechen, nutzt die anarchistische politische Organisation eine Vielzahl von Bildungsmethoden und Kommunikationsmitteln. Dazu gehören zugängliche, visuell ansprechende Multimedia-Inhalte, on- und off-line, Audio- und Videomaterial, Texte, Plakate, Aufkleber, Buttons usw. - sowie soziale, politische und kulturelle Veranstaltungen, Studiengruppen und öffentlich zugängliche Workshops. Zu diesem Zweck müssen wir mit den modernsten Kommunikationstechnologien und -strategien auf dem Laufenden bleiben, um sicherzustellen, dass wir so viele Menschen wie möglich erreichen.

Neben Propaganda und sozialer Einbindung in Massenbewegungen arbeitet eine anarchistische politische Organisation auch an der Entwicklung des Wissens, der Fähigkeiten und der Kapazitäten ihrer Mitglieder. Dies geschieht durch interne politische Bildung und Ausbildung in revolutionärer Geschichte, Theorie und Praxis. Anarchistische politische Organisationen bieten ihren Mitgliedern zudem eine politische Heimat um Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen, die kritischen Fragen unserer Zeit zu diskutieren, zu debattieren und um ein Programm für kollektives Eingreifen in aktuelle Kämpfe zu entwickeln.

Um die verschiedenen oben beschriebenen Aufgaben zu erfüllen, fußen anarchistische politische Organisationen auf klaren Grundprinzipien:

  • Theoretische Einheit: Anarchistische politische Organisationen setzen sich aus Aktivist:innen zusammen, die eine allgemeine Übereinstimmung in theoretischen Kernfragen teilen - hinsichtlich der Natur des Herrschaftssystems, der Art von Gesellschaft, die wir an seine Stelle setzen wollen, und bezüglich der effektivsten Mittel, um uns von hier nach dort zu bringen. Dies bedeutet nicht, dass es eine starre Form von politischer Uniformität gibt. Es wird immer Debatten geben, aber die Organisation strebt Einigkeit an und will diese Einigkeit in kollektive Aktionen umsetzen.

  • Strategische und taktische Einigkeit: Auf der Grundlage einer kollektiven Analyse der aktuellen Bedingungen wird die Aktivität der anarchistischen politischen Organisation von einer gemeinsamen Taktik und Strategie geleitet, die in einem Programm zum Ausdruck kommt. Während das Programm eine klare Richtung für die Organisation vorgibt, wird es als lebendiges Dokument verstanden, das aktualisiert wird, wenn sich Bedingungen ändern.

  • Kollektive Verantwortung und Rechenschaftspflicht: Die Mitgliedschaft in der Organisation erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Verantwortung füreinander, um die kollektiven Vereinbarungen der Organisation durchzusetzen und dafür, dass wir die Werte, Grundsätze und Praktiken, die wir in der Welt durchsetzen wollen, auch in unserem Miteinander selbst anwenden.

  • Selbstverwaltung und Föderalismus: Da die anarchistische politische Organisation eine selbstverwaltete sozialistische Gesellschaft anstrebt, von unten organisiert, verkörpert die Organisation selbst diese Prinzipien. Entscheidungen werden kollektiv durch direkte Demokratie getroffen und die Verantwortung für die Durchführung dieser Entscheidungen wird den Mitgliedern oder Ausschüssen durch Delegationen übertragen. Strukturell besteht die Organisation aus lokalen, regionalen oder nationalen Gremien, die sich auf der Grundlage gemeinsamer Theorie und Praxis föderieren.

  • Prinzipientreues Verhalten: Die Mitglieder der anarchistischen politischen Organisation streben danach, ihre Theorie in ihrer täglichen Praxis zu verkörpern. Dazu gehört es, eine kameradschaftliche Kultur des gegenseitigen Respekts, der Zusammenarbeit, Kooperation, Fürsorge und Verantwortlichkeit in unserem gemeinsamen Kampf gegen alle Formen von Herrschaft, zu fördern.

Meinungsverschiedenheiten und Konflikte sind unvermeidlich, aber wir bemühen uns diese gemeinsam und konstruktiv zu entschärfen und zu bewältigen. Diese Eigenschaften, sowohl intern als auch extern, ermöglichen es anarchistischen politischen Organisationen, eine revolutionäre Perspektive und Praxis während den sich stetig verändernden Kampfsituationen zu bewahren. Ohne eine politische Organisation zu kämpfen “bedeutet, sich wenn Organisierungsbemühungen auftauchen auf den Wind des Zufalls zu verlassen, um Militante unter verschiedenen Bannern und Projekten zusammenzubringen, d.h. Ressourcen für jeden Kampf zusammenzuschustern und sich dann wieder in alle Winde zu zerstreuen, ohne dass eine Analyse der Stärken und Schwächen des jeweiligen Kampfes stattfindet. Des Weiteren werden die Beziehungen und die Politisierungen, die sich aus den Kämpfen ergeben, oft nicht gefördert und gepflegt, um künftige Kämpfe weiter aufzubauen.”(12)

Sozialen Bedingungen und Bewegungen werden nicht warten, bis wir bereit sind, um den Kampf gegen das Herrschaftssystem zu eskalieren. Perioden des Aufruhrs werden als Reaktion auf staatliche Gewalt, Unterdrückungspolitik, abrupte Veränderungen in den wirtschaftlichen Bedingungen oder andere Faktoren, die unmöglich vorherzusehen sind, zeitweise aufflackern. Anarchistische politische Organisationen müssen in ihrer Strategie flexibel genug sein, um Momente der Massenrebellion zu berücksichtigen, indem wir unsere Ressourcen und die Energien unserer Aktiviste:innen mobilisieren, um das radikale Potential solcher Momente zu erweitern, die Position der unterdrückten Klasse zu stärken, die Position der herrschenden Klasse zu schwächen und aus diesem Kampf mit einem verbesserten Gleichgewicht der Kräfte hervorzugehen.

In diesen Zeiten der weit verbreiteten Radikalisierung ist es wichtig, dass unsere politische Organisation in möglichst vielen Städten, Gemeinden und Regionen des Landes präsent ist - dies wird unsere Fähigkeit verbessern, Ereignisse zu beeinflussen. Militante Kämpfer:innen, die an sozialen Kämpfen heutiger historischer Momente auf lokaler Ebene beteiligt sind, haben eine kritische notwendige Perspektive, die in die Strategie und Taktik der anarchistischen politischen Organisation einfließen muss. Dies ermöglicht es der Organisation sich an schnell verändernde soziale, politische und ökonomische Situationen anzupassen und unsere Ressourcen effektiv zu koordinieren, um die Bemühungen unserer Kämpfer:innen vor Ort zu unterstützen, einschließlich denjenigen, die rechtliche Unterstützung oder andere Formen der Hilfe benötigen.

Wenn wir keine Kämpfenden vor Ort haben, müssen wir Allianzen mit gleichgesinnten Teilnehmern und Organisationen bilden und so viel wie möglich über die jeweiligen Situationen erfahren, um herauszufinden, wie wir Rebellionen am besten unterstützen können. Letztendlich ist es diese langwierige und Geduld brauchende Arbeit, die es benötigt um eine Macht des Volkes aufzubauen - bei der Arbeit, in unseren Schulen, in unseren Vierteln, in den Reservaten, in unseren Wohnhäusern usw. - und die es unseren militanten Kämpfer:innen ermöglicht, diese Momente der Rebellion aus einer Position der Stärke heraus zu unterstützen und die es uns ermöglicht, als soziale Basis und nicht als isoliertes Individuum, zu intervenieren.

Unsere Fähigkeit, in Massenorganisationen und in Zeiten des Aufruhrs zu intervenieren, kann auch durch intermediäre Organisationen, d.h. vermittelnde Organisationen, erleichtert werden.(13) An der Schnittstelle zwischen Sozialem und Politischem, bringen diese Organisationen - auch bekannt als “Tendenzgruppen"(14) - Akteure, die eine ähnliche strategische, politische oder programmatische Ausrichtung haben, an einem gemeinsamen Ort des Kampfes zusammen. In den USA, haben solche Organisationen zum Beispiel die Form von Basisfraktionen innerhalb der Gewerkschaften, die oft linksgerichtete Mitglieder zusammenbringen, um bestimmte Forderungen oder Kampfformen in der Gewerkschaft durchzusetzen. Tendenzgruppen werden oft unter Umständen benötigt, in denen es nur wenige oder gar keine Massenorganisationen gibt und wo die bestehenden Organisationen geschwächt oder vom Reformismus durchzogen sind.

In unserer allgemeinen Strategie gibt es eine komplementäre Beziehung zwischen drei Organisationsebenen: Ohne Beteiligung an Tendenz- oder Massenorganisationen hat die anarchistische politische Organisation nicht die Macht die neue Welt, die sie anstrebt, zu formen. Ohne die Vision, Strategie und Taktik der anarchistischen politischen Organisation werden die Massenbewegungen und Tendenzgruppen das Herrschaftssystem in der einen oder anderen Form reproduzieren. Damit unsere allgemeine Strategie erfolgreich sein kann, müssen wir auf jeder Organisationsebene Verbindungen und Bündnisse schmieden, um unsere Macht und Wirksamkeit zu verstärken.

Auf politischer Ebene bedeutet dies, dass wir Beziehungen und Bündnisse mit Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen, die im Großen und Ganzen mit unserer allgemeinen Strategie übereinstimmen, aufbauen müssen. Dazu gehören formelle Bündnisse mit anderen anarchistischen politischen Organisationen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, sowie mit ähnlichen Organisationen anderer sozialistischer oder kommunistischer Strömungen auf der Basis von strategischer oder taktischer Einigkeit. Dies kann auch informelle Beziehungen zu öffentlichen Intellektuellen, Verlagen, sozialen und kulturellen Räumen und Institutionen, die erhebliche Gemeinsamkeiten mit unserer Politik haben, bedeuten. Zwischenzeitige Zusammenarbeit bedeutet mit anderen Massen- und Tendenzorganisationen innerhalb und außerhalb des jeweiligen Kampfbereiches Beziehungen und Bündnisse aufzubauen. Zum Beispiel kann sich eine schwarze Studentenorganisation auf einem Universitätscampus mit einer indigenen Studentenorganisation zu einer gemeinsamen Kampagne für die Erhöhung der Mittel für ethnische Studien zusammenschließen.

Obwohl Massenorganisationen oft auf eine bestimmte Gruppe von Bedürfnissen und Interessen ausgerichtet sind, gibt es viele Überschneidungspunkte zwischen verschiedenen Bewegungen. An diesen Kreuzungspunkten müssen anarchistische politische Organisationen dabei helfen, Bewegungen zusammenzubringen - durch Koalitionen, Kampagnenbündnisse oder neuen Formationen - um die Macht des ganzen Volkes exponentiell durch eine gemeinsame Front der verschiedenen Formationen der unterdrückten Klasse zu stärken. Diese Front der unterdrückten Klasse zielt darauf ab, die breite Basis dieser Klasse in ihrer ganzen Vielfalt, in all ihren organisatorischen Ausdrucksformen, zu vereinen.(15)

Während die organisierte Arbeiterklasse ein wichtiger Bestandteil dieser Front bleibt, besteht unsere grundlegende Aufgabe darin, Brücken zwischen dem gesamten Spektrum von organisierten sozialen Kräften, das gegen das Herrschaftssystem kämpft, zu schlagen - von nicht dokumentierten Immigrant:innen, die gegen Abschiebung, Inhaftierung und Diskriminierung kämpfen, bis hin zu Kämpfen um Wohnraum, Gesundheitsfürsorge, geschlechtsspezifische Gewalt, Krieg, Polizeiarbeit, Ökologie und vielem mehr. Isoliert voneinander, gibt es konkrete Grenzen von dem, was diese Bewegungen erreichen können. Nur durch eine Front der unterdrückten Klasse werden wir in der Lage sein, einen revolutionären Bruch mit dem Herrschaftssystem herbeizuführen und dieses durch den libertären Sozialismus zu ersetzen.

Nun kommen wir noch einmal auf die allgemeine Strategie der dualen Organisation zurück. Massenbewegungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Schaffung eines Bruchs mit dem Status quo, aber politische Organisation ist der Schlüssel, um sicherzustellen, dass die Bewegung nicht hinter ihrem Ziel zurückbleibt, d.h. dass wir die soziale Revolution und einen sozialistischen Horizont im Blick behalten und dass herrschende Kräfte nicht nur in Schach gehalten, sondern ausgeschaltet werden. Wie die Gruppe Dielo Truda in der Organisationsplattform der allgemeinen anarchistischen Union schrieb: ”Die werktätigen Massen verfügen über enorme kreative und konstruktive Möglichkeiten, und Anarchisten streben danach, die Hindernisse zu beseitigen, die der Entfaltung dieser Möglichkeiten im Wege stehen.” (16)

Während des Prozesses diese Hindernisse für unsere "schöpferischen und konstruktiven Möglichkeiten” zu beseitigen, werden die Institutionen und Organisationen der Macht des Volkes, die im Laufe der Jahrzehnte von unten aufgebaut wurden, in permanente Organe kollektiven Selbstverwaltung umgewandelt werden - sie werden von unten heraus föderiert und in allen befreiten Territorien zusammengeschlossen, um das Machtvakuum zu füllen, das der Bruch hinterlassen hat. Um es mit den Worten des verstorbenen Juan Carlos Mechoso zu sagen: “Die Macht des Volkes konkretisiert sich in der Kontrolle über die Produktionsmittel (Fabriken, Felder, Bergwerke usw.), über die Massenmedien (Zeitungen, Radios, Fernsehsender, Informationen im Allgemeinen), über Dienstleistungen (Verkehr, Energie, Abwasserentsorgung, Kommunikation usw.), über Entscheidungsmechanismen (Forschung, wissenschaftliche Arbeit) und über entsprechende Mittel auf politischer Ebene, über kollektiv geschaffene Rechtsinstrumente, ideologische Strukturen, Bildungspläne und verschiedene kulturelle Ausdrucksformen. Diese Kontrolle ist die des Kollektivs, das sich durch Organe und Institutionen, die während des Prozesses und im Moment der Machtübernahme entwickelt wurden, etabliert hat.”(17)

In diesem Sinne ist unsere allgemeine Strategie zum Aufbau der Macht von unten darauf ausgerichtet, unsere Mittel mit unseren Zielen in Einklang zu bringen. Um eine selbstverwaltete sozialistische Gesellschaft, frei von allen Formen der Herrschaft, zu erreichen, müssen wir autonome, selbstverwaltete Massenbewegungen als Organe der Macht des Volkes aufbauen, die sowohl die zukünftige Gesellschaftsordnung widerspiegeln als auch als Vehikel für ihre Verwirklichung dienen.

Die Konsolidierung der Macht des Volkes während der postrevolutionären Periode ist der höchste Ausdruck unserer allgemeinen Strategie. Die Stärkung der Macht des Volkes in der vorrevolutionären Periode zielt darauf ab, alle Bereiche des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens unter kollektive, demokratische Kontrolle zu stellen. Dieser langfristige Prozess beinhaltet den Aufbau, die Stärkung und die Vereinigung unabhängiger sozialer Bewegungen durch kämpferische Auseinandersetzungen, um die unmittelbaren Bedürfnisse der unterdrückten Klasse zu erkämpfen. Diese Bewegungen entstehen aus den unterdrückerischen Bedingungen und Widersprüchen des Herrschaftssystems, was sie aber nicht unbedingt auf einen revolutionären Weg bringt. Dafür gibt es anarchistische politische Organisationen, die mit Hilfe zwischengeschalteter Gruppen dazu beitragen, die Massenbewegungen in Richtung eines Bruchs mit der bestehenden Ordnung zu bringen - in die Richtung der sozialen Revolution, hin zu einer staatenlosen, klassenlosen, selbstverwalteten Gesellschaft, die auf der Asche der “white supremacy”, des Heteropatriarchats, des Siedlerkolonialismus und des Imperialismus erbaut wird. _

Übersetzt von anna und dem anarchismus.de Kollektiv

Auf zum libertären Sozialismus!

Fußnoten:

1 Federação Anarquista do Rio de Janeiro, “The Need for Strategy, Tactics, and Programme” in Social Anarchism and Organisation, 2008.

2 Federação Anarquista do Rio de Janeiro, “Especifismo: Anarchist Organisation, Historical Perspectives, and Influence” in Social Anarchism and Organisation, 2008.

3 Ebd.

4 Felipe Corrêa, “Create a Strong People”, Anarkismo.net, 2010.

5 Federação Anarquista do Rio de Janeiro, “Social Movements and the Popular Organisation” in Social Anarchism and Organisation, 2008.

6 North Eastern Federation of Anarchist Communists, “The Global Influence of Platformism Today”, Zabalaza Books, 2003.

7 Adam Weaver, “Especifismo: The Anarchist Praxis of Building Popular Movements and Revolutionary Organization”, The Northeastern Anarchist, Issue 11, 2006.

8 Zabalaza Anarchist Communist Front, “Social and Political Levels of Organisation” in Modules for the Anarchist Political School, 2019.

9 José Antonio Gutiérrez Danton, “The Problems Posed by the Concrete Class Struggle and Popular Organization”, 2005.

10 Black Rose Anarchist Federation / Federación Anarquista Rosa Negra, “Role of the Revolutionary Organization”, 2014.

11 Ebd.

12 Adam Weaver and S. Nicholas Nappalos, “Fighting for the Future: The Necessity and Possibility of National Political Organization for Our Time,” 2013.

13 Federação Anarquista do Rio de Janeiro, “The Specific Anarchist Organisation: The Anarchist Organisation” in Social Anarchism and Organisation, 2008.

14 Felipe Corrêa, “Tendency Groups”, Passa Palavra, 2010.

15 Juan Carlos Mechoso and Felipe Corrêa (English Translation by Jonathan Payn), “The Strategy of Especifismo”, Anarkismo.net, 2009.

16 G.P. Maximoff, “Constructive Anarchism: The Debate on the Platform”, Maximoff Memorial Publication Committee, 1952.

17 Juan Carlos Mechoso and Felipe Corrêa (English Translation by Jonathan Payn), “The Strategy of Especifismo”, Anarkismo.net, 2009.

Übersetzung zum download hier

Black Rose Anarchist Federation / Federación Anarquista Rosa Negra (BRRN)

ist eine 2014 gegründete politische Organisation, die eine gemeinsame politische Linie und eine gemeinsame strategische Vision des Aufbaus von Volksmacht an unseren Arbeitsplätzen, in unseren Nachbarschaften und Schulen mit dem Ziel eines libertären Sozialismus verfolgt. Mit Ortsgruppen und Kontakten in mehr als einem Dutzend Städten konzentriert sich unsere Organisationsarbeit auf den Aufbau von Massenbewegungen wie Mietergewerkschaften, Nachbarschaftsversammlungen, Kampagnen am Arbeitsplatz, Studentengewerkschaften, die Organisation von Gefangenen und die Verteidigung von Gemeinschaften, die sich gegen Kriminalisierung wehren.

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