Mittel und Ziele - Die anarchistische Kritik an der Eroberung der Staatsmacht


Zoe Baker
Anarchismus Theorie

Zoe Baker ist eine libertäre sozialistische Philosophin mit einem Doktortitel zur Geschichte des Anarchismus. Sie ist dafür bekannt, die Theorie und Geschichte des Anarchismus, Feminismus und Marxismus auf ihren beliebten YouTube- und Twitter-Plattformen zu verbreiten.(1) Ihre Doktorarbeit zur revolutionären Strategie des Anarchismus in Europa und den Vereinigten Staaten zwischen 1868 und 1939 ist im August 2023 als Buch bei AK-Press erschienen.(2) Der vorliegende Artikel wurde ursprünglich von der Black Rose Anarchist Federation/Federación Anarquista Rosa Negra veröffentlicht.
- Der Übersetzer

Die anarchistische Kritik an der Eroberung der Staatsmacht wird fälschlicherweise oft als abstrakte moralische Gegnerschaft zum Staat dargestellt, die die harten Realitäten, denen wir heute gegenüberstehen, ignoriert. Bei sorgfältiger Lektüre historischer anarchistischer Autor:innen stellt man jedoch fest, dass der tatsächliche Grund, warum sie argumentierten, dass Revolutionäre die bestehende Staatsmacht nicht an sich reißen sollten, darin bestand, dass dies zur Erreichung ihrer Ziele ungeeignet war.

Diese praktischen Argumente stützten sich auf ihr Verständnis von Gesellschaft. Anarchist:innen vertraten die Auffassung, dass sich eine Gesellschaft aus Menschen mit bestimmten Formen des Bewusstseins zusammensetzt, die Tätigkeiten nachgehen, d. h. Kapazitäten (3) ausüben, um Triebkräfte zu befriedigen, und auf diese Weise gleichzeitig sich selbst und die Welt um sich herum verändern. Wenn zum Beispiel Arbeiter:innen in den Streik treten, kann es zu einer Reihe grundlegender Veränderungen kommen. Arbeiter:innen können ihre Kapazitäten entwickeln, indem sie lernen, zur direkten Aktion zu greifen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen; sie können neue Triebkräfte entwickeln, wie z. B. den Wunsch, sich gegenüber ihrem Chef zu wehren oder beitragszahlendes Mitglied einer Gewerkschaft zu werden; und sie können ihre Formen des Bewusstseins verändern, womit ich die besondere Art und Weise meine, in der sie die Welt erleben, konzeptualisieren und verstehen, z. B. indem sie beginnen, ihren Chef als Klassenfeind zu betrachten oder erkennen, dass sie sich gemeinsam mit anderen Arbeiter:innen organisieren müssen, um ihre Situation zu verbessern. Indem sie einer solchen Tätigkeit nachgehen, verändern die Arbeiter:innen nicht nur sich selbst, sondern entwickeln auch neue soziale Beziehungen. Sie knüpfen Verbindungen der gegenseitigen Unterstützung und Solidarität mit ihren Arbeitskolleg:innen, während sie die sozialen Bedingungen, unter denen sie leben, verändern, z. B., indem sie ihre Chefin dazu bringen, sie zu fürchten. Dies wird oft als Theorie der Praxis bezeichnet und ist eine der vielen theoretischen Verpflichtungen, die Anarchist:innen und Marx gemeinsam haben.

Die soziale Reproduktion des freiheitlichen Kommunismus

Für Anarchist:innen war eine der wichtigsten Konsequenzen der Theorie der Praxis, dass es eine inhärente Verbindung zwischen Mitteln und Zielen gibt. Das Endziel des Anarchismus – der freie oder libertäre Kommunismus – ist eine staatenlose, klassenlose Gesellschaft, in der die Arbeiter:innen die Produktionsmittel kollektiv besitzen und ihre Arbeitsplätze und ihr Gemeinwesen durch Räte selbst verwalten, in denen alle eine Stimme und ein direktes Mitspracherecht bei den Entscheidungen haben, die sie betreffen. Diese Räte würden ihr Handeln über große Gebiete hinweg koordinieren, indem sie sich zu einem dezentralisierten System regionaler, nationaler und internationaler Verbände zusammenschließen, in denen so viele Entscheidungen wie möglich von den lokalen Räten selbst getroffen würden. Dies würde durch regelmäßige Kongresse auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene erreicht, an denen mandatierte und jederzeit abwählbare Delegierte teilnehmen würden, die von den Räten zu ihrer Vertretung gewählt werden. Entscheidend ist, dass die Delegierten nicht die Befugnis erhalten, eigenständig Entscheidungen zu treffen und diese anderen aufzuerlegen. Die Entscheidungsbefugnis würde in den Händen des Rates bleiben, der sie gewählt hat.

Eine solche Gesellschaft würde im Laufe der Zeit von den Menschen reproduziert werden, die diesen Formen der Tätigkeit nachgehen und dabei kontinuierlich sowohl kommunistische soziale Verhältnisse als auch sich selbst als Menschen mit den richtigen Fähigkeiten, Antrieben und Formen des Bewusstseins für eine kommunistische Gesellschaft schaffen und erneuern. Im Kommunismus zum Beispiel würden die Arbeiter:innen in ihren lokalen Räten Entscheidungen durch ein System der direkten Demokratie treffen, in dem jedes Mitglied eine Stimme hat. Durch die Teilnahme an diesen lokalen Räten würden sie nicht nur Entscheidungen treffen, sondern sich auch als Menschen reproduzieren, die wollen und in der Lage sind, auf diese Weise Entscheidungen zu treffen, z. B., indem sie in der Lage sind, effektiv Protokoll zu führen, Vorschläge zu formulieren, die von den Menschen unterstützt werden, und sicherzustellen, dass nicht nur eine kleine Minderheit in den Versammlungen das Wort ergreift.

Menschen, die eine kommunistische Gesellschaft reproduzieren wollen und können, werden nicht auf magische Weise in Erscheinung treten. Eine kommunistische Gesellschaft kann nur durch eine soziale Revolution entstehen, die den Kapitalismus abschafft, und muss daher von den Menschen geschaffen werden, die gegenwärtig im Kapitalismus leben. Demnach muss die Mehrheit der Bevölkerung, um eine kommunistische Gesellschaft zu erreichen, während des Kampfes gegen den Kapitalismus selbst Tätigkeiten nachgehen, die sie in Menschen verwandeln, die ihr Leben und ihr Gemeinwesen durch lokale Räte und Föderationen von Räten selbst bestimmen wollen und können. Wenn dies nicht geschieht, wird es keinen Kommunismus geben. Denn damit der Kommunismus existieren kann, müssen die Menschen ihn Tag für Tag durch ihre eigene Tätigkeit aufbauen und reproduzieren.

Revolutionäre müssen daher Mittel einsetzen, die aus Formen der Praxis hervorgehen, die die Individuen tatsächlich in die Art von Menschen verwandeln, die in der Lage sind und das Endziel des Kommunismus schaffen wollen. Wenn Revolutionäre den Fehler begehen, die falschen oder ungeeigneten Mittel einzusetzen, dann werden sie Menschen hervorbringen, die eine andere Gesellschaft schaffen als die, die sie ursprünglich beabsichtigten. Um Malatesta zu zitieren:

„[E]s genügt nicht, etwas zu ersehnen; wenn man es wirklich wünscht, müssen adäquate Mittel eingesetzt werden, um es zu realisieren. Und diese Mittel sind nicht willkürlich, sondern sie sind bedingt durch die Ziele, die wir anstreben und die Umstände, unter denen der Kampf stattfindet; denn wenn wir die Wahl der Mittel ignorierten, erreichten wir andere Ziele, möglicherweise solche, die denen diametral entgegengesetzt sind, die wir erhoffen. Und das wäre dann die offensichtliche und unvermeidliche Folge unserer Wahl der Mittel. Wer immer seine Reise auf der Landstraße beginnt und dann einer falschen Abzweigung folgt, gelangt nicht, wohin er wollte, sondern, wohin die Straße ihn führt.“ (Malatesta, 1977)

Der Staat als soziale Struktur

Anarchist:innen betrachteten die Eroberung der Staatsmacht als einen Weg, der die Arbeiter:innenklasse zu einer neuen Form der autoritären Klassengesellschaft führen würde, und nicht zum angestrebten Ziel des Kommunismus. Um die Gründe dafür zu verstehen, müssen wir zunächst wissen, was Anarchist:innen unter dem Staat verstanden. Durch eine eingehende Analyse des Staates als real existierende soziale Struktur, sowohl historisch als auch in der Zeit, in der sie schrieben, entwickelten Anarchist:innen die Definition des Staates als eine hierarchische und zentralisierte Institution, die professionell organisierte Gewalt einsetzt, um die Funktion der Reproduktion der Klassenherrschaft zu erfüllen. Der Staat wurde diesem Verständnis nach von einer politisch herrschenden Klasse (General:innen, Politiker:innen, hohe Beamte, Monarchen usw.) in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der ökonomisch herrschenden Klasse (Kapitalist:innen, Grundbesitzer:innen usw.) gegen die Massen eingesetzt. Kropotkin schreibt zum Beispiel, dass der Staat „nicht nur die Existenz von einer über die Gesellschaft gestellten Macht, sondern auch eine territoriale Konzentration und eine Konzentration vieler Funktionen des Lebens der Gesellschaften in den Händen von wenigen [umfasst]. […] Ein ganzer Mechanismus von Gesetzgebung und Polizei wird entwickelt, um bestimmte Klassen der Herrschaft anderer Klassen zu unterwerfen.“ (Kropotkin, 2016, S. 13, 2018, S. 227) (4) Der Staat ist daher „das perfekte Beispiel für eine hierarchische Institution, die über Jahrhunderte entwickelt wurde, um alle Individuen und alle ihre möglichen Gruppierungen dem zentralen Willen zu unterwerfen. Der Staat ist notwendigerweise hierarchisch, autoritär – oder er hört auf, Staat zu sein.“(5)

Anarchist:innen argumentierten, dass der Staat, wie alle sozialen Strukturen, durch Formen menschlicher Tätigkeit gebildet wird und die Partizipation am Staat daher bestimmte Arten von Menschen und bestimmte Arten von sozialen Beziehungen (re)produziert. Dies geschieht unabhängig von den Absichten oder Zielen der Menschen, denn was zählt, ist die Natur der sozialen Struktur, an der sie teilhaben, und die Formen der Tätigkeit, durch die diese soziale Struktur konstituiert und reproduziert wird. Für Reclus haben sich Sozialist:innen, die in den Staat eintreten, „in bestimmte Verhältnisse begeben, die sie ihrerseits bestimmen“. (Reclus, 2013, S. 147) Diejenigen, die die Staatsmacht ausüben, werden daher Formen menschlicher Tätigkeit nachgehen, die sie im Laufe der Zeit in Unterdrücker der Arbeiter:innenklasse verwandeln, denen es darum geht, ihre Macht über andere Menschen zu reproduzieren und auszuweiten. Anarchist:innen vertraten die Auffassung, dass dieser Prozess der Verwandlung von Sozialist:innen in Unterdrücker:innen sowohl bei Sozialist:innen eintreten würde, die in den gegenwärtig bestehenden kapitalistischen Staat gewählt werden, als auch bei Sozialist:innen, die versuchen, den bestehenden Staat durch einen Sturz in Besitz zu nehmen und ihn in einen Arbeiter:innenstaat zu verwandeln.

Anarchist:innen dachten, dass dies aus zwei Hauptgründen geschehen würde. Erstens ist der Staat eine zentralisierte und hierarchische Institution, in der eine politisch herrschende Klasse die Entscheidungsgewalt monopolisiert und das Leben der Mehrheit bestimmt, die ihrer Herrschaft unterworfen ist. Die Minderheit der Sozialist:innen, die tatsächlich die Staatsmacht ausübt, wird daher der Arbeiter:innenklasse Entscheidungen aufzwingen und ihr Leben bestimmen, anstatt die Arbeiter:innenklasse in die Lage zu versetzen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mit den Worten Malatestas:

„Wer die Macht über die Dinge hat, hat die Macht über die Menschen; wer die Produktion beherrscht, beherrscht auch die Produzenten; wer den Konsum bestimmt, ist Herr des Konsumenten. Das ist die Frage: Entweder werden die Dinge auf der Grundlage freier Übereinkunft zwischen den interessierten Parteien verwaltet, und das ist Anarchie; oder sie werden nach Gesetzen verwaltet, die von Verwaltern gemacht werden, und das ist Regierung, es ist der Staat, und es erweist sich unweigerlich als tyrannisch.“ (Malatesta, 2015, S. 138)

Zweitens werden die Sozialist:innen durch die Ausübung der Staatsmacht von ihrer Machtposition an der Spitze einer sozialen Hierarchie korrumpiert und verwandeln sich in Menschen, die weder wollen noch versuchen, ihre eigene Macht über andere abzuschaffen. Reclus zufolge,

„sind [Anarchisten] der Ansicht, dass der Staat und alles, was er verkörpert, keine reine Essenz, geschweige denn eine philosophische Abstraktion sind, sondern vielmehr eine Ansammlung von Individuen, die sich in einem bestimmten Milieu befinden und dessen Einfluss ausgesetzt sind. Diese Individuen werden in Bezug auf Würde, Macht und Vorzugsbehandlung über ihre Mitbürger erhoben und sind folglich gezwungen, sich dem einfachen Volk überlegen zu fühlen. Doch in Wirklichkeit führt die Vielzahl der Versuchungen, denen sie ausgesetzt sind, fast zwangsläufig dazu, dass sie unter das allgemeine Niveau fallen.“ (Reclus, 2013, S. 122)

Die Gewohnheit, Befehle zu erteilen

Sozialist:innen, die in den Staat eintreten, mögen anfangs die Abschaffung des Kapitalismus und des Staates „inbrünstig wünschen“, aber „neue Verhältnisse und Bedingungen verändern sie nach und nach“, bis sie die Sache verraten, während sie sich einreden, dass sie sie voranbringen. (Reclus, 2013, S. 122) Kurz gesagt, um Bakunin zu zitieren, die „Gewohnheit, Befehle zu erteilen“ und die Ausübung der Macht rufen in den Menschen sowohl „Verachtung für die Volksmassen und die Überschätzung des eigenen Verdienstes“ hervor. (Bakunin, 2018, S. 144)

Ein:e Staatssozialist:in könnte gegen dieses Argument einwenden, dass Staaten nicht von einer Minderheit geführt werden müssen, die eine politisch herrschende Klasse bildet. Für Anarchist:innen ignoriert ein solcher Einwand, dass Staaten notwendigerweise zentralisierte und hierarchische Institutionen sind und daher nur von einer Minderheit von Individuen an der Spitze geführt werden können, denen die tatsächliche tägliche Arbeit der Machtausübung zukommt. Bakunin schreibt:

„Augenscheinlich können unmöglich einige hundert – oder selbst zehntausende, ja selbst nur einige tausend Männer diese Gewalt wirklich ausüben. Sie müßten dies unbedingt durch Stellvertretung tun, das heißt, diese Macht einer von ihnen zu ihrer Vertretung und Regierung gewählten Gruppe Menschen anvertrauen, wodurch sie unvermeidlich in alle Lügen und alle Knechtschaft des Repräsentativ- oder Bourgeoissystems zurückfallen würden. Nach einem kurzen Augenblick der Freiheit oder revolutionärer Orgie als Bürger eines neuen Staates, würden sie als Sklaven erwachen, Spielzeug und Opfer neuer Ehrgeiziger.“ (Bakunin, 1924, S. 243)

Dem ließe sich entgegnen, dass diese Vertreter zwar eine Minderheit bilden, aber immer noch Arbeiter:innen sind und somit keine eigenständige politisch herrschende Klasse darstellen. Bakunin erwiderte auf dieses Argument, indem er darauf bestand, dass solche Individuen „ehemalige[…] Arbeiter[…] [sind] die aber, kaum sind sie zu Volksvertretern geworden oder an die Regierung gelangt, aufhören, Arbeiter zu sein und vielmehr auf die ganze Welt der einfachen Arbeiter von der Höhe des Staats herabzusehen beginnen; und so […] bereits nicht mehr das Volk, sondern sich selbst repräsentieren und ihren Anspruch darauf, das Volk zu regieren.“ (Bakunin, 1999, S. 338)

Für Anarchist:innen hatte der Staat nicht nur negative Auswirkungen auf diejenigen, die seine Macht ausübten. Er würde auch der großen Zahl der Menschen schaden, die ihm unterworfen sind, indem er sie zu Formen der Praxis zwingt, die sie nicht zu den Menschen machen, die für eine kommunistische Gesellschaft gebraucht werden. Denn anstatt zu lernen, wie sie ihr Leben effektiv selbst organisieren können, wären die Arbeiter:innen der Macht einer herrschenden Minderheit unterworfen und somit gezwungen, das zu tun, was man ihnen sagt. Sie würden lernen, ihren Vorgesetzten zu gehorchen und sich ihnen unterzuordnen, statt selbst zu denken und zu handeln. Anstatt zu lernen, wie man mit anderen auf Augenhöhe zusammenarbeitet, würden sie lernen, die Mächtigen auf ein Podest zu heben und sie zu verehren, so wie die Menschen im Kapitalismus lernen, führende Unternehmer:innen oder politische Repräsentationsfiguren wie die britische Königsfamilie zu verehren. Macht wirkt, wie Bakunin schreibt: „ebenso zersetzend auf den […], der sie hat, wie auf den, der ihr gehorchen muß.“ (Bakunin, 1999, S. 281)

Die Mittel und Ziele der Staatsmacht

In Anbetracht des oben Gesagten, kamen Anarchist:innen zu dem Schluss, dass die Eroberung und Ausübung der Staatsmacht notwendigerweise auf einem Mittel beruhte – der Minderheitenherrschaft einer politisch herrschenden Klasse –, das mit der Verwirklichung des Ziels der Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft auf der Grundlage der Selbstbestimmung der Arbeiter:innenklasse als Ganzes unvereinbar war. Theoretisch würde die Führung des Arbeiter:innenstaates sein Absterben und letztendliche Abschaffung organisieren, sobald er nicht mehr zur Verteidigung der Revolution benötigt würde. In Wirklichkeit jedoch würden die Formen der Ausübung der Staatsmacht, wie Anarchist:innen bereits Jahrzehnte vor der Russischen Revolution vorausgesagt hatten, wahrhaftig überzeugte Sozialist:innen in Tyrannen verwandeln, die darauf bedacht sind, ihre Machtposition zu reproduzieren und auszubauen, anstatt sie zugunsten des Kommunismus abzuschaffen. In Staatlichkeit und Anarchie erklärte Bakunin, dass die Staatsozialist:innen zwar behaupten, dass „ein solches staatliches Joch, eine Diktatur, ein unvermeidliches und vorübergehendes Mittel zur vollständigen Befreiung des Volkes sei: Anarchie oder Freiheit ist das Ziel, Staat oder Diktatur – das Mittel“, sie aber ignorieren, dass „eine Diktatur kein anderes Ziel haben kann als nur das eine, sich zu verewigen, und daß sie in dem Volk, das sie erträgt, nur Sklaverei zeugen und nähren kann.“ (Bakunin, 1999, S. 339) Der Arbeiter:innenstaat würde behaupten, eine Diktatur des Proletariats zu sein, würde sich aber in Wirklichkeit, so Malatesta, „als Diktatur der ‚Partei‘ über das Volk und einer Handvoll Männer über die ‚Partei‘ erweisen“. (Malatesta, 2016, S. 27)

Fußnoten

  • (1) Web: https://anarchopac.com/
    YouTube: https://www.youtube.com/anarchopac
    Twitter: http://twitter.com/anarchopac
    Instagram: https://www.instagram.com/anarchozoe/
  • (2) Baker, Z. (2023). Means and ends: The revolutionary practice of Anarchism in Europe and the United States. AK Press.
  • (3) Anm. des Übers.: „Eine Kapazität ist die reale Möglichkeit einer Person, etwas zu tun und/oder zu sein, wie z. B. Tennis zu spielen oder körperlich fit zu sein.“ Baker, Z. (2023). Means and ends: The revolutionary practice of Anarchism in Europe and the United States [E-Book]. AK Press. S. 74
  • (4) Anm. des Übers.: Der Satz aus dem zweiten Teil des Zitats erscheint nicht in der deutschsprachigen Übersetzung (Kropotkin, P. A. (1898). Die historische Rolle des Staates. Adolf Grunau Berlin.) sowie der französischen Ausgabe von 1906 (Kropotkine, P. A. (1906). L’ État: Son rôle historique. Temps Nouveaux.)
  • (5) Kropotkin betont in diesem Text mehrfach, dass der Staat notwendigerweise zentralisiert und hierarchisch ist. Siehe: ebd., 199, 275, 310.

Literaturverzeichnis

  • Bakunin, M. A. (1924). Michael Bakunin: Gesammelte Werke (M. Nettlau, Hrsg.; Bd. 3). Der Syndikalist.
  • Bakunin, M. A. (1999). Staatlichkeit und Anarchie: (1873) (W. Eckhardt, Hrsg.; B. Conrad & I. Wolf, Übers.; Neuaufl.). Karin Kramer.
  • Bakunin, M. A. (2018). Die revolutionäre Frage: Föderalismus, Sozialismus, Antitheologismus (W. Eckhardt, Hrsg.; M. Halfbrodt, Übers.; 3. aktual. Auflage). Unrast.
  • Kropotkin, P. A. (2016). Der Staat und seine historische Rolle. Kontraband Editionen.
  • Kropotkin, P. A. (2018). Modern science and anarchy. AK Press.
  • Malatesta, E. (1977). Ein anarchistisches Programm. In B. Kramer (Hrsg.), & E. Wehr (Übers.), Errico Malatesta: Gesammelte Schriften Band 1. Karin Kramer.
  • Malatesta, E. (2015). Life and ideas: The anarchist writings of Errico Malatesta (V. Richards, Hrsg.). PM Press.
  • Malatesta, E. (2016). Complete works of Errico Malatesta (D. Turcato, Hrsg.; P. Sharkey, Übers.; Bd. 3). AK Press.
  • Reclus, E. (2013). Anarchy, geography, modernity: Selected writings of Elisée Reclus (J. P. Clark & C. Martin, Hrsg.). PM Press.

Zoe Baker

Ich bin eine Transfrau (sie/ihr), die über die Theorie und Geschichte des Anarchismus, Feminismus und Marxismus spricht. Autorin von "Means and Ends: The Revolutionary Practice of Anarchism in Europe and the United States". Ich habe zur Geschichte des Anarchismus promoviert.

Empfohlene Lektürelisten und Skripte meiner Videos finden sich in meinem Blog.

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