Capitalism is killing the earth – Ein anarchistischer Leitfaden zur Ökologie Teil 2


die plattform - anarchakommunistische Foederation
Ökologie Klimabewegung

Einleitung der Plattform

Bisher gibt es nur wenig deutschsprachige Literatur zur anarchistischen Perspektive auf Ökologie, Umweltzerstörung und Klimakrise. Deshalb haben wir die Broschüre „Capitalism is killing the earth – An anarchist guide to ecology“ der Anarchist Federation (Anarchistische Föderation, AF) aus dem Vereinigten Königreich übersetzt. Sie wurde vom AF-Mitglied John Warwick in Zusammenarbeit mit einigen Genoss:innen verfasst und 2018 veröffentlicht. Der Text beinhaltet eine Analyse von Umweltzerstörung und Klimakrise als direkte Auswirkungen des kapitalistischen Systems, erklärt, warum bestimmte Ansätze aus der Umwelt- und Klimabewegung abzulehnen sind und zeigt zum Schluss auch konkrete Handlungsansätze für organisierte Anarchist:innen auf. Insgesamt also ein gut zugänglicher Einstieg in die ökologischen Positionen des Anarchismus, der sicherlich auch die Debatten der Klimabewegung und der anarchistischen Bewegung hierzulande bereichern kann.

Anmerkung zur Übersetzung

Wir haben uns relativ stark am Original orientiert. Um das Verstehen zu erleichtern, haben wir allerdings einige Anmerkungen im Text sowie Fußnoten hinzugefügt. Außerdem haben wir uns im Sinne der Autor:innen des Originals dazu entschieden, im Text geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Mit einem ":" kennzeichnen wir, dass auch Menschen gemeint sind, die sich in der zweigeschlechtlichen Einteilung nicht wiederfinden. Die erwähnte, kursiv geschriebene Literatur ist am Ende des Textes im Literaturverzeichnis aufgelistet.

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Inhaltsverzeichnis

  • Glossar
  • Einleitung
  • Klimawandel und Kapitalismus
    [weiter im Teil 2]
  • Falsche Lösungen
  • Eine anarchistische Ökologie
  • Wie gelangen wir dorthin?
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis

Falsche Lösungen

Die meisten Vorschläge für Veränderungen stellen das übergeordnete System von Kapitalismus und Marktwirtschaft nicht in Frage. Die Existenz von Privateigentum, die Aneignung der Natur als Quelle des Wachstums und die Produktion für den Profit statt für den Bedarf sind die Wurzel des Problems, also können sie nicht Teil der Lösung sein. In diesem Abschnitt diskutieren wir die Lösungen, die sowohl von Kapitalist:innen als auch von "linken" oder "grünen" politischen Parteien angeboten werden, sowie die Art und Weise, wie sie die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, nicht (oder nur teilweise) lösen.

Klimagipfel und nationale CO2-Budgets

Es gab zahlreiche internationale Klimagipfel, aber als Ergebnis wurde nur sehr wenig vereinbart, und noch weniger wurde tatsächlich umgesetzt. Die meisten Staatsoberhäupter der Welt sind nicht bereit, das Wirtschaftswachstum ihrer Nation zu opfern, selbst wenn es darum geht, die langfristige Zukunft der menschlichen Spezies zu sichern. Die Legislaturperioden sind viel kürzer als die Klimazyklen, und so fällt es den Politiker:innen leicht, den Themen auszuweichen und sich auf die kurzfristige Popularität bei ihren Geldgeber:innen und Wähler:innen zu konzentrieren. Die CO2-Budgets, die auf diesen Gipfeln festgelegt werden, sind so konzipiert, dass sie nur sehr geringe Auswirkungen auf die Industrien der beteiligten Nationen haben. Sie setzen eine lächerlich niedrige Messlatte, die "business as usual" mit wenig Verringerung der Emissionsrate erlaubt. Auf diesen Gipfeln kann sehr wenig erreicht werden, aus dem einfachen Grund, dass die Bedürfnisse der Ökosysteme des Planeten nicht mit den Motivationen der Kapitalist:innen übereinstimmen, deren Meinung von ihren parlamentarischen Vertreter:innen vorgetragen wird. Es gibt ein paar bemerkenswerte Ausnahmen von dieser Regel, aber diese stammen größtenteils von Kapitalist:innen, die stark in sauberere Technologien investiert haben und daher von einer Abkehr von fossilen Brennstoffen profitieren.
Während Klimagipfel dem Thema eine gewisse periodische Aufmerksamkeit verschaffen, verstärken sie auch ein Modell des Wandels, das den Staat in den Mittelpunkt rückt, was die Communities entmachtet und die Menschen ermutigt, auf Fortschritte von oben zu warten. Wir können diese Momente der Medienöffentlichkeit zu unserem Vorteil nutzen, aber es wäre ein Fehler anzunehmen, dass Politiker:innen im Interesse des Planeten als Ganzes handeln werden und nicht im Interesse der wirtschaftlichen Interessen ihrer Geldgeber:innen.

CO2-Handel und CO2-Abscheidung

Die CO2-Abscheidung und CO2-Speicherung verspricht, die Fortsetzung einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft zu ermöglichen, indem freigesetztes CO2 eingefangen und unterirdisch gespeichert wird. Derzeit ist diese Technologie noch nicht in großem Maßstab erprobt, und es gibt Fragezeichen hinsichtlich der Stabilität des gespeicherten CO2. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 verbraucht auch selbst eine beträchtliche Menge an Energie, was zu mehr Ineffizienz und Verschwendung führt. Selbst wenn die Technologie funktioniert, ändert sich nichts an der Tatsache, dass die weltweiten Reserven an fossilen Brennstoffen begrenzt sind; sie erlaubt uns lediglich, sie weiter zu nutzen, bis sie zur Neige gehen, und zwar mit einem höheren Maß an Ineffizienz, wodurch der unvermeidliche Wechsel zu erneuerbaren Energien aufgeschoben wird.
Der Emissionshandel zielt darauf ab, die Gesamtmenge an CO2, die von der Weltwirtschaft freigesetzt werden kann, zu begrenzen, während er gleichzeitig Flexibilität zulässt, indem er Unternehmen und Nationen erlaubt, ihre Berechtigungen für CO2-Emissionen zu handeln. Das Hauptproblem dabei ist, dass es Unternehmen und Ländern erlaubt, weiterhin große Mengen an CO2 auszustoßen, solange sie das Geld haben, die Genehmigungen dafür zu kaufen. Dies schafft eine weitere Ungleichheit zwischen denen, die zahlen können, und denen, die es nicht können, und erlaubt es, dass der Konsum in reichen Gebieten auf Kosten der Armen weitergeht. Manche Konzerne finden einfach Schlupflöcher oder produzieren illegal mehr Emissionen, indem sie diese vor den Regulierungsbehörden verstecken oder die Verantwortlichen bestechen. Der Fall der Dieselabgase von Volkswagen ist vielleicht das berühmteste aktuelle Beispiel für dieses Verhalten. Es gab auch Probleme, sich darauf zu einigen, wie ein Handelssystem funktionieren würde und einen Preis für CO2 festzulegen, der das Verhalten der Unternehmen tatsächlich beeinflusst. Der Gesamteffekt eines Handelssystems ist die Verlangsamung des Wandels, indem es den großen Verschmutzenden erlaubt, sich von dem Problem freizukaufen, anstatt ihre Emissionen zu reduzieren.

Grüner und ethischer Kapitalismus

Macht es die Unterjochung der Arbeiter:innenklasse besser, wenn sie solarbetrieben ist? Der grüne Kapitalismus hofft, fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu ersetzen, während das Gesamtsystem in Takt bleibt. Das mag zwar kurzfristig helfen, aber es geht nicht gegen den Überkonsum, die Produktion für den Profit statt für den Bedarf, die Erschöpfung der Ressourcen, die Überfischung oder das Massenaussterben vor. Dieser Lösungsvorschlag ignoriert völlig den Drang des Kapitalismus, immer mehr und mehr zu produzieren, um die Profite in die Höhe zu treiben, und dabei immer an die Grenzen der verfügbaren Energie und Ressourcen zu stoßen. Diese Überproduktion kann viele Formen annehmen; von Konsumgütern, die so hergestellt werden, dass sie regelmäßig ersetzt werden müssen, bis hin zu riesigen stehenden Armeen, denen enorme technologische und industrielle Ressourcen gewidmet werden.
Ein erheblicher Teil der aktuellen Emissionen stammt aus diesem militärisch-industriellen Komplex, und bis vor kurzem waren Armeen davon befreit, über ihre Emissionen Rechenschaft abzulegen. Das bedeutete, dass das US-Militär verheimlichen konnte, dass es für etwa 5% der globalen Emissionen verantwortlich ist. In Kriegszeiten steigen die Emissionen des Militärs dramatisch an, ganz zu schweigen von den menschlichen Kosten und den Ressourcen, die für den Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur nach Kriegsende benötigt werden. Siehe The Green Zone: The Environmental Cost of Militarism für weitere Diskussionen.
Wenn wir uns mit diesen Fragen, wohin die Produktion gelenkt werden soll, auseinandersetzen und gleichzeitig versuchen, fossile Brennstoffe zu ersetzen, werden wir feststellen, dass der Gesamtenergiebedarf unserer Gesellschaft sinkt, was den Wechsel zu erneuerbaren Energien leichter zu bewältigen macht. Auch wenn der grüne Kapitalismus uns kurzfristig helfen kann, wird die nächste ökologische Krise immer vor der Tür stehen, wenn wir unter diesem System weitermachen. Tatsächlich könnte die Bereitstellung von billigen und reichlich vorhandenen erneuerbaren Energiesystemen den Verbrauch anderer Ressourcen beschleunigen, da Energie nicht mehr der begrenzende Faktor ist.
Dort, wo kleine Veränderungen an ökologisch intakten Energiesystemen stattfinden, verlangt das Kapital öffentliche Subventionen, um die Vorhaben abzusichern, was privaten Gewinn mit öffentlichem Risiko sichert. Viele Staaten sind nun hin- und hergerissen zwischen den riesigen Ressourcen der Ölbranche, den aufkommenden Wachstumsmärkten der grünen Energie und der öffentlichen Meinung. Infolgedessen haben sich die meisten wirtschaftlich weiterentwickelten Länder auf eine Kompromissposition geeinigt, die ein "business as usual" für Öl zulässt und gleichzeitig genügend Subventionen bietet, um der Wirtschaft "grünes Wachstum" zu ermöglichen und die Öffentlichkeit zu beschwichtigen. Wo jedoch grüne Programme mit dem Kapital kollidieren, wird dies nicht toleriert. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Einschreiten der britischen Regierung, um Gemeinderät:innen zu überstimmen, die sich gegen Fracking in ihrer Region entschieden haben. Die Steuereinnahmen aus dem neuen Schiefergas-Boom wurden über die lokalen Gemeinden gestellt.
Wir können erwarten, dass Kapitalist:innen und der Staat die vielen Krisen, die durch den Klimawandel entstehen, als Gelegenheit nutzen werden, um ihre Kontrolle über die Arbeiter:innenklasse auszubauen. Dies wird wahrscheinlich sowohl durch die Vergemeinschaftung der Anpassungskosten bei gleichzeitiger Privatisierung der Profite geschehen, als auch durch zunehmenden Autoritarismus und Nationalismus, der mit der Notwendigkeit begründet wird, die Krise zu bewältigen und die Ströme von Klimaflüchtlingen fernzuhalten. Die Klimakrise führt bereits zu instabilen Lebensmittelpreisen, die zu Unruhen auf der ganzen Welt geführt haben; die Kapitalist:innenklasse wird nicht diejenige sein, die diese Probleme wirklich zu spüren bekommt, da sie immer in der Lage sein wird, die Kosten auf ihre Arbeiter:innen abzuwälzen und ihren Reichtum zu nutzen, um sich gegen etwaige Engpässe abzuschirmen.
Darüber hinaus sind auch Forderungen nach grünem oder ethischem Konsum zutiefst fehlerhaft, da der Kohlenstoff-Fußabdruck reicher Konsument:innen dramatisch höher ist als der der Armen, egal ob sie "grüne" Produkte konsumieren oder nicht. Viele so genannte "grüne" Produkte sind nur geringfügig besser als das Produkt, das sie ersetzen, und dienen als Ausrede für einen anhaltend hohen Konsum, anstatt eine allgemeine Nettoreduzierung der Emissionen zu bewirken. Dieser Lebensstil erlaubt es wohlhabenden Menschen, die in den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern leben, ihre Schuldgefühle zu lindern und das Gefühl zu haben, dass sie "ihren Beitrag leisten", während sie in vielen Fällen das Problem noch verschlimmern oder einfach den Ort der Emissionen oder der Verschmutzung in die wirtschaftlich geringer entwickelte Regionen verlagern, wo Ressourcen und Arbeitskräfte billig sind.

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Staatliche Kontrolle

Historisch gesehen hat der Staat als Vermittler zwischen Kapital und Natur fungiert. Er hat dem Kapital die Legitimität verschafft, die es brauchte, um die Natur zu besitzen und von ihr zu profitieren, indem er sie einzäunte, öffentliches Land verkaufte und die Allmende auslöschte. Sobald er dies erreicht hatte, bot er dem Kapital weitere Dienste an, indem er die Eigentumsrechte mit seiner Polizei und seinem Justizsystem durchsetzte und so sicherstellte, dass niemand das Recht, die Natur zu besitzen, in Frage stellen konnte. In der Neuzeit versuchte der Staat zunächst, die Kapitalströme über seine geografischen Grenzen hinweg durch Steuern und Zölle zu kontrollieren, aber in jüngerer Zeit hat sich der "Freihandel" durchgesetzt. Jetzt hat sich die Rolle des Staates darauf zurückgezogen, lediglich die Rechte und Genehmigungen bereitzustellen, die die weitere Einhegung der Natur legitimieren. Wo es nötig war, hat der Staat auch dazu beigetragen, die Natur für das Kapital zu zähmen, indem er auf öffentliche Kosten die Infrastruktur bereitstellte, die die Expansion in neue Märkte ermöglicht, unfruchtbares Land nutzbar macht und Angestellte pünktlich zur Arbeit bringt.
In Planwirtschaften mit größerer staatlicher Kontrolle, wie z.B. in China, erleben wir einen raschen Wandel in der Energiepolitik und im Umgang mit CO2, da der Staat die Zusammensetzung der Energiegewinnung in größerem Maße diktieren kann. China hat die am schnellsten wachsende Solarindustrie der Welt und installiert erneuerbare Energiequellen mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit. Dieser Top-Down-Ansatz hat jedoch auch seine Nachteile. Groß angelegte Wasserkraftwerke sind zu einem wichtigen Bestandteil des Energiemixes in China geworden, was zur Vertreibung von Millionen Menschen führte, die in den Gebieten lebten, die nun wegen den Dämmen unter Wasser stehen. Dies hat auch zum Aussterben zahlreicher Arten von Wasserlebewesen geführt. Für die Menschen, die in diesen Regionen leben, gab es wenig, was man tun konnte, um Projekte wie die Drei-Schluchten-Talsperre (16) zu stoppen. Wissenschaftler:innen, die an dem Projekt arbeiten, behaupten, dass ihre Umweltverträglichkeitsstudien gefälscht wurden, bevor sie den Planungsgremien vorgelegt wurden.
Mit der staatlichen Planung kommen die üblichen Nachteile: Zentralisierung von Großprojekten, keine direkte Beteiligung oder Verwaltung durch lokale Communities und mehr Macht für den Staatsapparat selbst. Staaten haben schon immer in ihrem eigenen Interesse und dem der Kapitalist:innen, die sie vertreten, gehandelt und nicht im Interesse der Menschen, die sie regieren, oder des Planeten selbst.

Die Divestment-Bewegung (17)

Die Divestment-Kampagne für fossile Brennstoffe versucht, Unternehmen und Regierungen zum Handeln zu drängen, indem sie CO2-Emissionen zum nächsten Punkt auf der Agenda des verantwortungsvollen Kapitalismus macht. Die Divestment-Taktik basiert auf dem Trugschluss, dass ein Divestment die Kapitalkosten für die fossile Industrie erhöhen und somit die weitere Erforschung oder Förderung einschränken kann. Das ist einfach nicht der Fall. Viele Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, sind nicht börsennotiert und diejenigen, die es sind, nehmen kein Geld durch die Ausgabe neuer Aktien auf. Außerdem ignoriert die Bewegung die Tatsache, dass es für jede öffentliche Einrichtung, die sich von fossilen Brennstoffen trennt, folglich auch einen Käufer der Aktien gibt, der in fossile Brennstoffe investiert. Das Einzige, was sich ändert, ist, wer die Unternehmensdividenden erhält und wer auf den Hauptversammlungen eine Stimme bekommt.
Etwa 70% der Ölreserven sind im Besitz von Staaten oder verstaatlichten Unternehmen (z.B. Saudi-Arabien, Iran, Norwegen, Katar), sodass die Hauptziele des Kapitalabzugs, wie Shell und BP, eigentlich nur kleine Teile der globalen Ölproduktion sind. Im gegenwärtigen kapitalistischen System, in dem wirtschaftliche Akteur:innen um begrenzte Ressourcen konkurrieren, ist kein Platz für Umweltbelange. Die Eigentümer:innen der fossilen Brennstoffreserven haben einen Anreiz, so viel wie möglich zu produzieren, bevor eine mögliche Gesetzgebung sie daran hindert. Gleichzeitig werden sie ihr Bestes tun, um eine solche Gesetzgebung einzuschränken oder zu verzögern. Dies ist der Punkt, an dem die Divestment-Bewegung an ihren Zielen scheitert - es kann nicht gelingen, die Nutzung fossiler Brennstoffe einzuschränken, ohne sowohl die riesigen Reserven in staatlicher Hand als auch ein System anzusprechen und anzugehen, das es der wohlhabenden Elite erlaubt, Umwelt- und Wirtschaftspolitik zu ihrem eigenen Vorteil zu kontrollieren.
Die Bewegung hatte einigen Erfolg darin, das Bewusstsein für die Klimaproblematik an die Universitäten und in religiöse Institutionen zu bringen. Es besteht Handlungsbedarf auf dem Campus, da viele Universitäten Kurse anbieten, die auf die fossile Brennstoffindustrie zugeschnitten sind, obwohl die Öl- und Kohleförderung in sehr naher Zukunft enden wird; die Unternehmen für fossile Brennstoffe können einen Anschein von Legitimität aufrechterhalten, indem sie mit der akademischen Welt zusammenarbeiten. Divestment kann also ein nützliches Werkzeug sein, um eine Bewegung gegen den Klimawandel aufzubauen. Allerdings handelt es sich dabei auch um eine Bewegung, die sich Ziele gesetzt hat, die die Förderung fossiler Brennstoffe wahrscheinlich in keiner Weise beeinflussen werden. Außerdem wiederholt die Divestment-Kampagne durch die Forderung nach Reinvestitionen in grüne Technologien das Programm des grünen Kapitalismus.

Primitivismus und Technologie

Angesichts der ökologischen Katastrophe und der Zerstörung von Lebensräumen auf der ganzen Welt schlagen einige eine Rückkehr zu "primitiveren" Gesellschaften vor, wie Subsistenzlandwirtschaft (18) oder ein nomadisches Jäger- und Sammlerdasein. Sie argumentieren, dass komplexe Gesellschaften jeglicher Art immer zerstörerisch sein werden und wir daher auf den Einsatz fast aller Technologien verzichten sollten. Dies scheint zwar ein einfacher Weg zu sein, um viele Umweltprobleme zu lösen, aber er hat auch viele eigene Probleme. Es würde viele Menschen auf der Welt daran hindern, ihren Lebensstandard zu halten oder zu erhöhen. Das Schlimmste von allem ist, dass die derzeitige Bevölkerung vernichtet werden müsste, um die Zahl der Menschen auf ein Niveau zu reduzieren, auf dem sie lebensfähig wäre. Viele ihrer Befürworter:innen geben dies freimütig zu, zusammen mit der Tatsache, dass diejenigen von uns, die auf medizinische Technologie angewiesen sind, dem Verfall oder dem Tod überlassen würden.
Letztlich wollen wir als Anarchist:innen eine Welt ohne Arbeit schaffen, nicht eine Welt der ständigen Mühsal und des Kampfes ums Überleben. Wir wollen frei sein, um ein bequemes Leben zu führen und uns die Freiheit geben, den Unternehmungen nachzugehen, die wir wählen: Kunst, Wissenschaft, Sport, Reisen und mehr. Eine Überholung unserer Energie- und Produktionssysteme kann es uns ermöglichen, Technologie zu nutzen, ohne die Umwelt zu zerstören.
Das entgegengesetzte Extrem, das Vertrauen auf eine zukünftige technologische Wunderwaffe, die noch entwickelt werden muss, hat viele eigene Probleme. Es wird von vielen Kapitalist:innen benutzt, um eine Fortsetzung des "business as usual" zu rechtfertigen, indem man angesichts des ökologischen Kollapses nichts weiter tut als zu warten und zu hoffen. Wissenschaft und Technologie werden sicherlich Teil jeder Lösung sein, aber ohne begleitende wirtschaftliche und politische Veränderungen würden sie sehr wahrscheinlich dazu benutzt werden, die Ausbeutung und Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu vergrößern. Technologie ist nie völlig neutral und wird von der Gesellschaft, in der sie entwickelt wird, ebenso geprägt wie von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass in Technologie investiert wird und sie sich im Kapitalismus durchsetzt, wenn sie mehr Profit für Kapitalist:innen oder mehr Kontrolle für Regierungen bringen kann.
Im Rahmen dieses Arguments lohnt es sich vielleicht auch, die Rolle der Kernenergie in einem zukünftigen Energiemix zu betrachten. Kernenergie scheint sehr attraktiv zu sein, da sie die stabile Versorgung ersetzen kann, für die wir derzeit auf Kohle und Gas angewiesen sind, die CO2-Emissionen geringer sind als bei fossilen Brennstoffen und sie theoretisch sicher ist. In der Praxis haben wir jedoch gesehen, dass schlechte staatliche Planung und kapitalistische Winkelzüge zu Umweltverschmutzung und unglaublich hohen Risiken für das Leben und die Umwelt führen. Kernenergie erzeugt Abfälle, die für viele tausend Jahre aktiv bleiben und sehr schwierig zu verarbeiten und sicher zu lagern sind. Darüber hinaus sind der Abbau und die Anreicherung des benötigten Urans, obwohl oft suggeriert wird, dass es sich um eine grüne Energiequelle handelt, mit erheblichen Emissionen verbunden und bergen die Gefahr der Verbreitung von Material, das zur Herstellung von Atomwaffen verwendet werden könnte. Innerhalb des derzeitigen kapitalistischen Rahmens werden die Gewinne aus der Kernenergie privatisiert, aber die Kosten für die Sanierung und die Risiken für die Umwelt werden sozialisiert. Viel Hoffnung wird auf neue Reaktoren oder die Kernfusion als Möglichkeit gesetzt, in Zukunft billige und reichlich Energie bereitzustellen. Doch selbst wenn es möglich wäre, mit dem Risiko von Lecks und abgebrannten Brennelementen umzugehen, ist die Kernenergie immer noch eine Technologie, deren Aufbau und Betrieb immense Ressourcen erfordert und die daher mit einem dezentralen, von lokalen Communities verwalteten Energienetz unvereinbar ist. Selbst unter unserem derzeitigen politischen und wirtschaftlichen System sind die Kosten lächerlich. Das neue Kraftwerk in Großbritannien, Hinkley C, wird das teuerste Objekt sein, das jemals an Land gebaut wurde. Durch die Kostenspirale ist es ein weitaus schlechteres Geschäft als erneuerbare Alternativen. Wir sind daher skeptisch, welche Rolle die Atomenergie in einer zukünftigen Gesellschaft spielen kann.

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Bevölkerungskontrolle

Mit etwas Abstand betrachtet hat diese Idee eine kalte Logik. Heute leben mehr Menschen als je zuvor, und sicherlich würden weniger Menschen weniger Umweltverschmutzung und geringere CO2-Emissionen bedeuten? Bei näherer Betrachtung fällt dieses Argument aus mehreren Gründen schnell auseinander.
An erster Stelle steht eine Idee, die in der ausgezeichneten Publikation Too Many of Whom and Too Much of What? (Anmerkung des Übersetzers: Zu Viele von Wem und Zu Viel von Was?) von No One Is Illegal (19) untersucht wird. Das "wem", von dem bei diesem Argument die Rede ist, sind immer die Armen, nicht die Reichen, und schließt in der Regel diejenigen ein, die in ärmeren Ländern leben oder aus ihnen eingewandert sind. Dennoch sind es überproportional die reichsten Menschen, die für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Am deutlichsten wird dies bei den Unterschieden zwischen reichen und armen Ländern, aber auch zwischen Individuen innerhalb von Ländern. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto mehr CO2 wird von den Reichsten ausgestoßen, und desto mehr wird insgesamt ausgestoßen. Man muss nicht lange an der Oberfläche dieses Arguments kratzen, um zu sehen, dass es in Rassismus und Hass auf die Armen verwurzelt ist und nicht in einem echten Wunsch, dem Planeten zu helfen.
Zweitens ist in dem Argument der "Bevölkerungskontrolle" die Idee enthalten, dass bestimmte Kulturen höhere Geburtenraten haben und immer haben werden. Dies ist seit über einem Jahrhundert ein gängiger Alarmruf von Rassist:innen, die davon sprechen, dass einheimische Bevölkerungen von derjenigen Gruppe "überschwemmt" werden, die gerade am meisten diffamiert wird. In Wirklichkeit beginnt jede einzelne Bevölkerung mit einer Phase hoher Geburtenrate und hoher Sterberate, bevor sie eine Phase mit sinkender Sterberate durchläuft, die ein explosives Wachstum verursacht. In der dritten Phase verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum, bevor es sich in der vierten Phase stabilisiert. Dieser Vorgang wird als "demografischer Übergang" bezeichnet und hat sich in allen von Menschen bewohnten Gebieten der Welt vollzogen oder vollzieht sich derzeit. Die durchschnittliche Anzahl der Kinder, die pro Familie geboren werden, hat sich in den letzten 20 Jahren weltweit halbiert. Die Dinge, die diesen Übergang unterstützen, sind alles Dinge, für die wir an sich kämpfen sollten, sowohl im Hier und Jetzt als auch in einer revolutionären Zukunft. Mehr Freiheit, Bildung und reproduktive Rechte für Frauen, eine bessere Gesundheitsversorgung, eine stabile Lebensmittelversorgung und andere höhere Lebensstandards. Es gibt absolut kein rationales Argument, um Einschränkungen oder Strafen von Autoritäten für diejenigen zu unterstützen, die sich dafür entscheiden, mehr Kinder zu haben, aufgrund der paternalistischen Idee, dass wir anderen Kulturen "beibringen" müssen, weniger Kinder zu haben. Schließlich geht das Argument der Bevölkerungskontrolle davon aus, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme/Abnahme der Bevölkerung und der Zunahme/Abnahme des kapitalistischen Wachstums und der kapitalistischen Zerstörung von Ressourcen gibt. Wie jedoch bereits erörtert wurde, erfordert der Kapitalismus maximales Wachstum um jeden Preis. Eine Verringerung der Zahl der Menschen auf dem Planeten würde gleichermaßen jeden noch so geringen Anreiz des Kapitalismus für effiziente oder nachhaltige Arbeitsweisen verringern, und das frühere Niveau des Konsums und der Umweltverschmutzung würde schnell wieder erreicht oder übertroffen werden.

Eine anarchistische Ökologie

Wir brauchen eine Revolution, die die Hindernisse für die Umsetzung einer Strategie, die den Planeten schont, aus dem Weg räumt. Viele der Lösungen existieren bereits; es ist eine Frage der Befreiung der Ressourcen aus den Händen des Kapitals und des Staates, um sie umzusetzen. Die anarchistische Tradition hat eine reiche Geschichte ökologischen Denkens, von Kropotkin und Reclus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bis zu Bookchin und Morris in jüngerer Zeit. In diesem Abschnitt erörtern wir, warum eine zukünftige Gesellschaft, die auf dem anarchistischen Kommunismus basiert, eine nachhaltigere Zukunft bietet.

Arbeit: Die komplette Überholung des Konzepts der Arbeit wird jeden Aspekt unseres Lebens und die Art, wie unsere Gesellschaft geführt wird, beeinflussen. Weniger Arbeit und geringere Produktion werden den Bedarf an Energie und Transportnetzen verringern. Wenn wir weniger Zeit für die Arbeit aufwenden, werden Fahrten weniger dringend sein und das Teilen von Transportmitteln und die Nutzung nachhaltigerer Massentransportmittel anstelle der derzeitigen individuellen Lösungen wie dem Autobesitz ermöglichen. Siehe das Pamphlet Work der Anarchist Federation für weitere Diskussionen zu diesem Thema.
Produktion: Das derzeitige Modell der Produktion für den Profit verschwendet riesige Mengen an Ressourcen, indem es Dinge produziert, die wir nicht brauchen und/oder Produkte, die darauf ausgelegt sind, zu veralten und somit eine kurze Nutzungsdauer zu haben, was bedeutet, dass wir mehr kaufen und mehr konsumieren müssen. Eine Verlagerung des Schwerpunkts auf die Produktion für den gesellschaftlichen Bedarf und Produkte, die repariert und gewartet werden können, wird den Gesamtbedarf an Ressourcen erheblich senken. Daneben werden ganze Wirtschaftszweige in einer zukünftigen Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Alles von der Werbung bis zum militärisch-industriellen Komplex kann entfernt werden, wodurch Ressourcen für die Entwicklung unserer Transport- und Energiesysteme zum Nutzen der Menschen frei werden. Ohne Spekulationen, die Schwankungen bei den Lebensmittel- und Wohnungspreisen verursachen, werden Produkte nur noch ihren Wert an Ressourcen und ihre Umweltauswirkungen widerspiegeln, nicht aber die Profite der Kapitalist:innen.
Geistiges Eigentum: Durch die Abschaffung des geistigen Eigentums, der Gesetze und des Privateigentums an den Produktionsmitteln werden die besten und nachhaltigsten Technologien weltweit übernommen und das CO2-intensive Entwicklungsmodell, das die wirtschaftlich weiterentwickelten Länder bereits durchlaufen haben, übersprungen. Es wird auch die beste Kombination von Komponenten und Technologien fördern, die bisher geschützt und im Besitz von konkurrierenden Unternehmen waren.
Sharing Economy (20): Dieser Begriff wurde von Tech-Startups gekapert und steht für die Monetarisierung von Dingen wie "Homestays“ (21). Echtes Gemeinschaftseigentum an Werkzeugen und der Bau von Einrichtungen für die gemeinsame Nutzung von Ressourcen als integraler Bestandteil der Wohnungsplanung jedoch würde es Communities ermöglichen, ihre Häuser zu reparieren und zu warten, ohne dass jede:r Einzelne einen Rasenmäher oder eine Bohrmaschine besitzen muss. Die richtige gemeinsame Nutzung von Transportmitteln wie Elektroautos oder Fahrrädern würde einen geringeren Produktionsbedarf und mehr Flexibilität für jede:n Einzelnen bedeuten. Das selbe leistet ein effektives Massentransportsystem. Kurz gesagt, die Menschen würden nicht mehr so viele Vermögenswerte individuell besitzen, sondern das Leben nach Bedarf neu organisieren, d.h. Kommunismus.
Nahrung: Es gibt eine Reihe von akademischen Studien, die zeigen, dass wir in der Lage sind, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren, ohne auf den intensiven Einsatz von Pestiziden und Herbiziden oder die Abholzung von Wäldern zurückzugreifen (siehe Nature Communications). Diese Aufgabe wird sogar noch einfacher, wenn es eine Umstellung auf mehr pflanzliche Ernährung gibt, die weniger Land-, Energie- und Wassereinsatz erfordert. Letztendlich ist die Nahrungsmittelproduktion mit dem Landbesitz verbunden, und solange dieser in den Händen einiger weniger Konzerne liegt, werden die profitabelsten und oft am wenigsten gesunden Produkte den Verbrauchenden aufgezwungen. Der Kapitalismus ist so effizient, dass die Hälfte aller Lebensmittel, die angebaut werden, verschwendet wird. Wir stellen uns eine Welt vor, in der das Land gemeinschaftlich genutzt wird und die Lebensmittelproduktion so weit wie möglich auf lokaler Ebene stattfindet und sich darauf konzentriert, reichlich gesunde Lebensmittel mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt bereitzustellen.

Wie gelangen wir dorthin?

Leider kann die Umweltkrise nicht auf eine Revolution warten, um den Kapitalismus zu zerstören, noch wird eine postrevolutionäre Gesellschaft umweltverträglich sein, wenn wir es nicht schaffen, die Beziehung zwischen Menschen und dem Rest der Natur zu verändern. Als Anarchist:innen müssen wir alles tun, was wir können, um diese Themen in den Vordergrund zu rücken. Dazu haben wir eine Reihe von Ansätzen identifiziert.

  1. Wir müssen die Verbindung zwischen Kapitalismus und Umweltzerstörung in unserer Politik hervorheben und die Rolle des Staates bei der Erleichterung dessen kritisieren. Dieses Pamphlet ist ein erster Schritt dazu, aber wir müssen auch auf die Verbreitung dieser Ideen in der breiteren Bewegung hinarbeiten.

  2. Wir müssen uns in die Massen-Klimabewegungen wie Divestment, Klimamärsche und Kampagnen des dritten Sektors (22) einbringen, um diese Momente der Öffentlichkeit zu nutzen, um unsere Ideen vorzubringen. Wir sollten versuchen, den Kampf der Ideen in diesen Bewegungen zu gewinnen und die Ziele weg von den hier identifizierten falschen Lösungen zu verschieben.

  3. Wir müssen unsere Gewerkschaften dazu drängen, eine öko-syndikalistische Haltung einzunehmen, die für einen gerechten, aber schnellen Übergang für die Arbeiter:innen in den extraktiven Industrien (23) argumentiert. Wir müssen jedoch auch internationalistisch sein und sicherstellen, dass Siege für Arbeiter:innen in den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern nicht einfach bedeuten, dass Umweltprobleme auf Arbeiter:innen in den wirtschaftlich geringer entwickelten Ländern abgewälzt werden.

  4. Wir müssen unsere antikapitalistische Analyse nutzen, um verschiedene Kämpfe miteinander zu verbinden, damit klar wird, dass wir es nicht mit voneinander getrennten Problemen zu tun haben, sondern dass der Kapitalismus im Mittelpunkt der Probleme steht, mit denen die globale Arbeiter:innenklasse konfrontiert ist. Kampagnen für Landgerechtigkeit haben eine klare Verbindung zum Klimawandel, da Landbesitzer:innen entscheiden, wie Land genutzt und Ressourcen ausgebeutet werden, was einem nachhaltigen Allmende-Ansatz entgegensteht. In ähnlicher Weise können wir sehen, dass zunehmender Nationalismus und Autoritarismus Antworten des Staates auf die Klimageflüchteten sind. Wir müssen die Arbeit fortsetzen, die Antikapitalismus und Umweltschutz mit No Borders- und Migrant:innenrechtsgruppen verbindet, um auch in Zukunft eine faire Behandlung der vom Klimawandel Betroffenen zu gewährleisten.

  5. Wir müssen Netzwerke von Gleichgesinnten entwickeln, die bereit sind, sich für diese Themen einzusetzen und zusammenzuarbeiten, um unsere Organisierungsfähigkeit zu stärken. Ein gutes Beispiel dafür sind die Anti-Fracking-Proteste in Großbritannien, wo Aktionen an den Bohrstellen durch Aktivist:innen an anderen Orten verstärkt wurden. Dort wurden Aktionen durchgeführt, die sich gegen die Hauptquartiere der Fracking-Unternehmen richteten. Einige dieser Netzwerke existieren bereits, sodass wir enger mit Gruppen wie Earth First! (24), Reclaim the Power (25) und Rising Tide (26) zusammenarbeiten sollten, um einen Aktivismus weiterzuentwickeln, der sowohl konfrontativ gegenüber dem Kapitalismus ist als auch lokale und globale Perspektiven einschließt. Diese Netzwerke bieten Möglichkeiten, unsere Ideen weiter zu entwickeln und bei zukünftigen Projekten und Aktionen zusammenzuarbeiten.

  6. Wir sollten sicherstellen, dass die Aktionen, die wir durchführen, und die Kämpfe, für die wir uns vernetzen, uns und andere, die daran teilnehmen, stärker und nicht schwächer machen. Wir müssen jeden so genannten Sieg vermeiden, der sich auf den "guten Willen" eines Politikers oder die "Expertise" einer NGO stützt. Ob wir gewinnen oder verlieren, jede Aktion und Kampagne sollte uns ein größeres Bewusstsein für die Welt um uns herum geben, ein größeres Vertrauen in unsere kollektive Macht und eine größere Erfahrung in unserer Fähigkeit, uns selbst zu organisieren und den Kampf zu den Kapitalist:innen zu tragen. Innerhalb der Umweltbewegung müssen wir eine Vielfalt von Taktiken entwickeln, die nicht von den Handlungen von "gewissenhaften" Politiker:innen oder Konzernen abhängig ist, um ihre Ziele zu erreichen.

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Fazit

Wir betreten Neuland, wenn es darum geht, wie die Ökosysteme der Erde auf den immer stärker werdenden Druck reagieren, den der Kapitalismus auf sie ausübt. Ungehemmt wird die derzeitige Wirtschaft mit fossilen Brennstoffen das Klima weiter zerstören, wobei die Last der Auswirkungen auf die Arbeiter:innenklasse und die wirtschaftlich weniger entwickelten Länder fällt. Wir haben kein Vertrauen, dass die Kapitalist:innen - oder ihre parlamentarischen Vertreter:innen - rechtzeitig handeln werden, um den Klimawandel auf sinnvolle Weise zu begrenzen. Die Krise, die sie aufrechterhalten, kann nur zu einer Zunahme der staatlichen Kontrolle der Wirtschaft, unseres Lebens und der Grenzen führen, während die herrschende Klasse versucht, soziale Unruhen einzudämmen und Klimaflüchtlinge fernzuhalten. Als Anarchist:innen sehen wir die einzige Alternative in einer Revolution von unten, einer Revolution, die in den Kämpfen beginnt, die wir in diesem Moment führen und gewinnen. Eine Welt, in der wir die Kontrolle über unsere Energie- und Produktionssysteme zurückerobern, um ein neues Modell der Gleichheit zwischen den Menschen und der Harmonie mit der Natur zu schaffen. Wir sehen unsere Zukunft in den Allmenden; wir sehen unsere Zukunft in der Schönheit der Anarchie.

Literaturverzeichnis

  • The Green Zone: The Environmental Cost of Militarism, Barry Sanders, AK Press, 2009
  • A-Z of Green Capitalism, Corporate Watch
  • To the Ends of the Earth: A Guide to Unconventional Fossil Fuels, Corporate Watch
  • Too Many Of Whom And Too Much Of What?, No One Is Illegal, 2010
  • Work, UK Anarchist Federation
  • 20 Thesen gegen den grünen Kapitalismus, Tadzio Müller und Alexis Passadakis, 2009
  • Exploring the biophysical option space for feeding the world without deforestation, veröffentlicht open access in Nature Communications, 2016
  • Good Intents, but Low Impacts: Diverging Importance of Motivational and Socioeconomic Determinants Explaining Pro-Environmental Behavior, Energy Use, and Carbon Footprint, veröffentlicht in Environment and Behaviour, 2017
  • Ecology and Socialism, Brian Morris, 2010
  • Die Ökologie der Freiheit, Murray Bookchin, 1982
  • Assessing ExxonMobil's climate change communications (1977-2014), veröffentlicht mit offenem Zugang in Environmental Research Letters, 2017

Fußnoten

  • (16) Die Anlage mit Wasserkraftwerk liegt in der chinesischen Provinz Hubei und staut das Wasser des Jangtsekiang.
  • (17) Der Begriff „divestment“ kann hier als „Kapitalabzug“ gelesen werden. Statt Kapital in ein Projekt zu investieren, wird Kapital aus einem Projekt abgezogen.
  • (18) Ein anderer Name für Subsistzenzwirtschaft ist „Bedarfswirtschaft“. Beide Begriffe bezeichnen laut Wikipedia „vorwiegend landwirtschaftliche Wirtschaftsformen, deren Produktionsziel weitestgehend die Selbstversorgung zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes einer Familie oder einer kleinen Gemeinschaft ist.“
  • (19) Der Name No One Is Illegal („Kein Mensch ist illegal“) bezieht sich auf den britischen Ableger des internationalen Netzwerks antirassistischer Aktivist:innen und Gruppen, das 1997 in Deutschland seinen Anfang nahm.
  • (20) Kann übersetzt werden als „Wirtschaft des Teilens“, der englische Begriff ist aber deutlich geläufiger selbst im deutschsprachigen Raum.
  • (21) Auch hier ist der englische Begriff oft geläufiger. Gemeint sind Aufenthalte bei Gastfamilien im Kontrast zum Aufenthalt in Hotels beispielsweise.
  • (22) Der Begriff „dritter Sektor“ meint hier den Bereich der Freiwilligen- und Not-for-profit-Organisationen, die sich innerhalb der Gesellschaft für verschiedene soziale Belange einsetzen. Im Deutschen wäre der Begriff „Nichtregierungsorganisationen“ vermutlich geläufiger.
  • (23) Gemeint sind die Industriezweige, die dem Planeten seine wertvollen Ressourcen entziehen, z.B. die fossile Energie-Branche, die Erdöl und Braunkohle födert.
  • (24) Internationales Netzwerk von radikalen Umweltgruppen. Vor allem bekannt durch spektakuläre direkte Aktionen.
  • (25) Britisches Netzwerk, das mit direkten Aktionen für soziale, Klima- und wirtschaftliche Gerechtigkeit kämpft
  • (26 Internationales Netzwerk, das mit direkten Aktionen für Klimagerechtigkeit kämpft

die plattform - anarchakommunistische Föderation

“die plattform”, ist eine anarchakommunistische Föderation für den deutschsprachigen Raum. Unser Ziel ist die Überwindung aller Formen der Unterdrückung und Herrschaft und der Aufbau einer herrschafts-, klassen- und staatenlosen Gesellschaft auf Grundlage des anarchistischen Kommunismus.

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