Bisher gibt es nur wenig deutschsprachige Literatur zur anarchistischen Perspektive auf Ökologie, Umweltzerstörung und Klimakrise. Deshalb haben wir die Broschüre „Capitalism is killing the earth – An anarchist guide to ecology“ der Anarchist Federation (Anarchistische Föderation, AF) aus dem Vereinigten Königreich übersetzt. Sie wurde vom AF-Mitglied John Warwick in Zusammenarbeit mit einigen Genoss:innen verfasst und 2018 veröffentlicht. Der Text beinhaltet eine Analyse von Umweltzerstörung und Klimakrise als direkte Auswirkungen des kapitalistischen Systems, erklärt, warum bestimmte Ansätze aus der Umwelt- und Klimabewegung abzulehnen sind und zeigt zum Schluss auch konkrete Handlungsansätze für organisierte Anarchist:innen auf. Insgesamt also ein gut zugänglicher Einstieg in die ökologischen Positionen des Anarchismus, der sicherlich auch die Debatten der Klimabewegung und der anarchistischen Bewegung hierzulande bereichern kann.
Wir haben uns relativ stark am Original orientiert. Um das Verstehen zu erleichtern, haben wir allerdings einige Anmerkungen im Text sowie Fußnoten hinzugefügt. Außerdem haben wir uns im Sinne der Autor:innen des Originals dazu entschieden, im Text geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Mit einem ":" kennzeichnen wir, dass auch Menschen gemeint sind, die sich in der zweigeschlechtlichen Einteilung nicht wiederfinden. Die erwähnte, kursiv geschriebene Literatur ist am Ende des Textes im Literaturverzeichnis aufgelistet.
Wir befinden uns in einer Zeit der Krise, die wir in den wirtschaftlich weiterentwickelten Länder noch nicht sehen können. Die Zeichen sind da, wenn man genau hinschaut, aber im Moment laufen die Skilifte noch, das Wasser fließt noch und die Ernten sind noch zuverlässig.
Die erste Welle von Klimaflüchtlingen versucht, sich ihren Weg nach Europa zu bahnen, aber diese werden als "Wirtschaftsmigrant:innen" oder Kriegsvertriebene abgetan. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die wirtschaftlich weiterentwickelten Länder die Auswirkungen des Klimawandels für einige Zeit nicht spüren; unser relativer Wohlstand wird die Folgen auf diejenigen abwälzen, die nicht die Mittel haben, sich anzupassen oder deren lokales Klima von Anfang an weniger gemäßigt war. Je länger wir jedoch mit dem Handeln warten, desto größer wird die kommende Krise sein.
Die wirtschaftlich weiterentwickelten Länder sind kollektiv für die überwältigende Mehrheit der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich und werden ihre Energie- und Transportsysteme radikal ändern müssen, wenn eine ökologische Katastrophe vermieden werden soll. Wer die Hauptlast der Kosten tragen wird und wer sich an diesem Prozess bereichern wird, ist leider vorhersehbar. Die Arbeiter:innenklasse in den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern und im größten Teil der wirtschaftlich geringer entwickelten Länder wird für die Sucht nach fossilen Brennstoffen und das Wachstum-um-jeden-Preis-Modell des kapitalistischen Systems bezahlen. Wir sehen das jetzt schon in den schwarzen, von Naturkatastrophen verwüsteten Arbeiter:innenklassen-Communities (1) in den USA und in Bangladesch, wo Überschwemmungen Tausende von Toten fordern.
Der Kapitalismus beruht auf der ständig wachsenden Anhäufung von Profiten. Dies wurde historisch durch Aneignungen (ein höflicher Ausdruck für Diebstähle) erreicht, sowohl innerhalb als auch außerhalb des "eigenen" Nationalstaates. Im Inneren, in Europa ab dem 15. Jahrhundert, folgte dies dem Modell des Diebstahls von Gemeindeland von den einfachen Menschen, um eine proletarische Klasse zu schaffen, die von Lohnarbeit abhängig ist, um sich zu versorgen. Nach außen hin war diese Expansion mit einer Bewegung außerhalb der Grenzen Europas verbunden, um natürliche Ressourcen und Arbeitskräfte an anderen Orten auszubeuten. So waren Kolonialismus und Kapitalismus von Anfang an mit Prozessen der Ressourcengewinnung und Anhäufung verbunden.
Der Kapitalismus befindet sich nun in einer Krise; da sich nur wenige Gebiete außerhalb seiner Reichweite befinden, gibt es keine einfachen Wachstumsquellen, die man sich aneignen könnte und die Fähigkeit der Ökosysteme der Erde, weiteres Wachstum zu verkraften, wird ernsthaft in Frage gestellt. Wie kann man also weiter wachsen und profitieren? In den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern erleben wir einen neuen Angriff auf die Rechte der Arbeiter:innen, mit mehr prekären Arbeitsplätzen, niedrigeren Löhnen und schlechterer sozialer Versorgung. In den wirtschaftlich geringer entwickelten Ländern wird das neoliberale Entwicklungsmodell vorangetrieben, mit Privatisierungen und Finanzregulierungen, die den Kapitalist:innen den größten Profit bringen.
Wir schreiben dieses Pamphlet, um die Probleme für die Umwelt zu diskutieren, die der Kapitalismus geschaffen hat, mit einem Fokus auf dem Klimawandel und den falschen Lösungen, die uns angeboten werden. Seit Mainstream-Publikationen wie „Silent Spring“ (2), „Gaia“ (3) und „An Inconvenient Truth“ (4) gibt es ein breiteres Verständnis für Umweltfragen, aber eine antikapitalistische Kritik fehlt.
Der Kapitalismus ist ein System, das auf der totalen Ausbeutung der Natur beruht; Sei es, dass unser sauberes Wasser dem Fracking nach Kohlenwasserstoffen geopfert wird oder dass unsere Kinder dem Fließband geopfert werden. Wir müssen unsere Ideen entwickeln, wie eine andere Zukunft außerhalb der Zwänge von Kapital und fossilen Brennstoffen aussehen kann. Wir müssen auch die falschen Lösungen kritisieren, die der "grüne Kapitalismus" und die zunehmende staatliche Kontrolle anbieten. Wir sind der Meinung, dass die Welt in fünfzig Jahren radikal anders aussehen wird als heute. Die Frage ist, ob wir uns auf eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit zubewegen oder auf eine katastrophale.
Das Konzept des vom Menschen verursachten Klimawandels ist nicht neu. Joseph Fourier diskutierte den Treibhauseffekt zum ersten Mal im Jahr 1824 und nahm an, dass menschliches Handeln die globalen Temperaturen beeinflussen könnten. Andere berühmte Namen der Chemie und Physik wie Tyndall, Arrhenius und Bell entwickelten diese Theorie weiter und verstanden ihre Bedeutung. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts war man sich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft darüber im Klaren, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe das Klima der Erde verändern könnte.
In den 1970er Jahren war das öffentliche Bewusstsein für dieses Thema gewachsen und die wissenschaftliche Gemeinschaft begann, Modelle zu entwickeln, wie sich CO2-Emissionen auf das zukünftige Klima auswirken würden. In dieser Zeit führte der Ölkonzern Exxon umfangreiche Forschungen zum Klimawandel und zur globalen Klimamodellierung durch. Ihre Ergebnisse bedrohten die Profite des Unternehmens, sodass sie die Forschung unterdrückten und stattdessen Geld für eine Fehlinformations- und Lobbykampagne ausgaben, um die öffentliche Akzeptanz (Anmerkung des Übersetzers: der Klimaforschung) und die staatliche Regulierung einzuschränken (Anmerkung: Siehe Environmental Research Letters im Literaturverzeichnis). Dies war weitgehend erfolgreich: Aufeinanderfolgende Regierungen in den USA und anderswo stellten die Klimawandel-Wissenschaft in Frage und schränkten die Regulierung von CO2 ein, trotz eines überwältigenden wissenschaftlichen Konsens. Die Fehlinformation der Öffentlichkeit wurde von vielen Medien unterstützt, die von der herrschenden Klasse kontrolliert wurden, was es den Regierungen ermöglichte, Regulierungen zum Umweltschutz zu stoppen und den Klimawandel als Randthema zu behandeln.
In jüngerer Zeit haben wir gesehen, wie sich sogar die Rechten von der Klimaleugnung von George W. Bush (5) wegbewegt haben hin zur Akzeptanz der Mainstream-Umweltpolitik. Nehmen wir zum Beispiel David Camerons "hug a husky"-Greenwashing (6). Während das Greenwashing einige kleine Siege errungen hat, verzögern viele der großen globalen Akteur:innen immer noch jede sinnvolle Maßnahme so weit wie möglich. Währenddessen fördern sie falsche Lösungen des "grünen Kapitalismus". Andere haben die Existenz des Klimawandels akzeptiert, leugnen aber die Tatsache, dass menschliches Verhalten seine Ursache ist oder dass wir etwas dagegen tun können. Donald Trump behauptete 2016, dass der Klimawandel ein von China geförderter Schwindel sei, um die Wirtschaft der USA zu schwächen und brachte damit wirtschaftlichen Nationalismus und Klimaleugnung geschickt zusammen. Indem er das Thema als eines der nationalen Verteidigung und der wirtschaftlichen Notwendigkeit darstellt, hat Trump es geschafft, weitere Zweifel an der Notwendigkeit einer Senkung der CO2-Emissionen zu wecken.
Die Umweltverschmutzung ist einer der großen Fehlschläge des freien Marktes. Fossile Brennstoffe sind billig, weil CO2 eine "negative Externalität" ist; Das heißt, die Kosten des CO2-Austoßes, nämlich die Bedrohung der globalen Umweltveränderung, werden nicht von den verantwortlichen Unternehmen getragen, sondern von der Gesellschaft insgesamt. Private Unternehmen haben daher wenig Anreiz, CO2-Emissionen zu reduzieren und die Kosten ihrer Produkte werden durch diese gesellschaftliche Subvention künstlich niedrig gehalten. Diese Emissionen haben keinen Marktwert - sie tragen nicht zu den Kosten eines Produkts bei und haben dennoch enorme Auswirkungen auf das globale Klima. Man kann sich also nicht auf den Markt verlassen, um dieses Problem zu lösen. Die Optionen, die uns zur Verfügung stehen, sind entweder, den Markt so zu kontrollieren, dass die Umweltkosten berücksichtigt werden, also Staatskapitalismus, oder die Kontrolle des Marktes über unser Leben ganz zu entfernen.
Je länger wir Maßnahmen gegen den Klimawandel hinauszögern, desto schwieriger wird es, das Problem zu lösen. Dieses Pamphlet schlägt vor, dass der einzige Weg, einen sinnvollen Wandel zu erreichen, darin besteht, das kapitalistische Modell aufzugeben; die Energie- und Produktionssysteme von ihren Konzerneigentümer:innen zurückzufordern und sie in die Hände der Menschen zu bringen. Dies ist keine kleine Aufgabe, bietet aber einen Ausweg aus den vielfältigen Umweltkatastrophen, denen wir derzeit ausgesetzt sind. Wir weisen auch darauf hin, dass sich die Staatsmacht in Krisenzeiten ausweitet und wir daher vorsichtig sein müssen mit Lösungen, die die Macht des Staates, unsere Leben zu kontrollieren, vergrößern. Um dies zu erreichen, müssen wir den Leitsatz "global denken, lokal handeln" berücksichtigen und auf dezentrale Lösungen hinarbeiten, die den Menschen, die sie nutzen, die Kontrolle über Energie- und Produktionssysteme geben, zum Nutzen des gesamten globalen Ökosystems.
Im gegenwärtigen Energiesystem verlassen wir uns auf eine groß angelegte, zentralisierte Energieproduktion in Privateigentum, die den Verbraucher:innen jegliches Mitspracherecht darüber entzieht, wie die Energie produziert wird. Die Energie wird gegen eine Gebühr an die Verbraucher:innen geliefert, wobei die Gewinnspannen der Produzent:innen vom Staat reguliert werden, im Austausch für die Fähigkeit, als Teil eines kleinen Kartells zu agieren. Die wahren Kosten werden dabei jedoch nicht berücksichtigt. Die Umweltkosten für die Emission von CO2 bei der Gewinnung und Verbrennung fossiler Brennstoffe werden nicht in den Preis eingerechnet, wodurch fossile Brennstoffe künstlich billig gemacht werden. So kann die Kohleförderung und Kohleverbrennung weitergehen, weil sie profitabel bleibt.
Energiesysteme werden derzeit für einen doppelten Zweck betrieben: um die Verbrauchenden mit Energie zu versorgen und um Kapitalisten:innen mit Profiten zu versorgen. Zukünftige Energiesysteme müssen in ihrer Kontrolle und ihrem Betrieb demokratisch sein. Sie müssen ihren Communities dienen und sich auf Energieeffizienz konzentrieren, um so die Nachfrage zu senken und die Umweltkosten zu minimieren, anstatt dem Profit nachzujagen. Die dafür notwendigen Technologien sollten auf den jeweiligen Standort zugeschnitten sein. Wind- und Wellenenergie sind in Nordeuropa besser geeignet, Geothermie sollte dort eingesetzt werden, wo sie natürlicherweise vorkommt und Solarenergie in Nordafrika.
In den wirtschaftlich geringer entwickelten Ländern muss vermieden werden, die immer CO2-intensivere Lebensweise zu entwickeln, die die wirtschaftlich weiterentwickelten Länder seit der industriellen Revolution genießen. Wir müssen die Lebensqualität verbessern, ohne uns auf veraltete und umweltschädliche Technologien zu verlassen. Dies geschieht derzeit Stück für Stück. Ein Großteil der Finanzierung wird jedoch von den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern als eine Methode zum Ausgleich ihrer eigenen CO2-Emissionen bereitgestellt.
Wir sehen ein Ende der geistigen Eigentumsrechte als einen Mechanismus, um unsere Ziele zu erreichen, sodass CO2-arme Lösungen direkt in die Entwicklungsländer transferiert werden können. Die Nachfrage kann auch durch eine Rationalisierung der industriellen Produktion und eine Konzentration auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft, anstelle der Produktion für "Wirtschaftswachstum" oder Profit, reduziert werden. Wir haben die Technologie, um ein sauberes Energiesystem bereitzustellen; was bleibt, ist, diese Ideen und Technologien zu verbreiten und die Kontrolle selbst zu übernehmen.
Großbritannien verfügt über einen der ältesten Wohnungsbestände in Europa, der oft zugig, ungedämmt und in Bezug auf Heizung und Energieeffizienz schlecht konzipiert ist. Viele Häuser wurden vor der Erfindung der Heizung gebaut und Einfachverglasung ist immer noch üblich. Der Bestand hat auch eine sehr geringe Fluktuation (7), da die Wohndichte meist gering ist und Häuser nur selten abgerissen und von ihren Eigentümer:innen ersetzt werden. Dies bringt viele Mieter:innen in die Situation, zugige Wohnungen akzeptieren zu müssen, die teuer zu heizen sind, und unter Schimmel- und Feuchtigkeitsproblemen zu leiden.
Wenn neue Häuser gebaut werden, ergibt sich die Möglichkeit, Häuser zu schaffen, die energieeffizient und sogar CO2-neutral sind, indem Energie durch Solar- und Windanlagen auf Haus- oder Gemeindeebene erzeugt wird. Diese Möglichkeit wird jedoch nicht genutzt, da der Markt nicht bereit ist, einen Aufpreis für energieeffiziente Häuser zu zahlen. Bauträger:innen maximieren daher ihren Profit auf Kosten der Umwelt, indem sie hauptsächlich Häuser bauen, die die üblichen fossilen Brennstoffe zum Heizen benötigen und vom derzeitigen Modell der zentralisierten, CO2-intensiven Energienetze abhängig sind. Dies bindet uns für die nächsten Jahrzehnte an dieses Modell oder verlagert die Kosten für die Nachrüstung auf zukünftige Generationen. Null-CO2-Häuser sind mit den aktuellen Technologien möglich, aber sie sind für Bauträger:innen nicht profitabel genug, um sie in großem Maßstab zu bauen. Die Schaffung von Häusern mit niedrigem Energiebedarf und der Fähigkeit, ihre eigene Energie zu produzieren, kann den Menschen ein höheres Maß an Selbstversorgung und die Möglichkeit geben, den Rest ihres Bedarfs durch gemeinschaftliche Systeme für erneuerbare Energien zu decken.
Im "privaten Mietsektor" befinden sich Wohnungen im Wert von etwa 837 Mrd. Pfund (8), was bedeutet, dass sie aus Profitgründen an Menschen vermietet werden, die ein Zuhause brauchen. Solange diese Wohnungen in den Händen von Investor:innen bleiben, werden die Mieten nicht gesenkt, und die Energieeffizienz wird nicht auf den Standard gebracht, der zur Vermeidung des Klimawandels erforderlich ist. Die Entscheidungen darüber, wie Gebäude entworfen und betrieben werden (und die Haushaltsgeräte, mit denen wir sie ausstatten), werden größtenteils von Bauträger:innen getroffen, die nur wenige Umweltauflagen und nur das Motiv Profit haben, das sie leitet. Letztendlich müssen wir zu einem System übergehen, in dem wir selbst über das Schicksal der Umwelt und unser allgemeines Wohlergehen entscheiden, mit unseren eigenen Interessen und denen unserer Community im Blick. Traurigerweise wird jedoch, wenn so viele Menschen darum kämpfen, sich überhaupt ein Haus zum Wohnen leisten zu können, die Energieeffizienz eine niedrige Priorität behalten.
Der Klimawandel ist nicht das einzige Problem, mit dem die Umwelt zu kämpfen hat. Wir verbrauchen nicht-erneuerbare Ressourcen in einem alarmierenden Tempo und treiben halb-erneuerbare Ressourcen, wie z.B. Fischbestände, an den Rand des Zusammenbruchs. Als Gesellschaft behandeln wir diese Ressourcen so, als ob sie unendlich wären, obwohl das Gegenteil bewiesen ist. Wir bauen Seltenerdmetalle für Unterhaltungselektronik ab, Phosphor für Düngemittel und Öl für Ölchemikalien. All dies geschieht in einem nicht nachhaltigen Tempo, weil die Natur wirtschaftlich gesehen "billig" ist. Die Kosten eines Produkts für eine:n Verbraucher:in sind einfach die Kosten für den Abbau der Ressource plus den Gewinn der:des Kapitalist:in; es gibt keine Berücksichtigung der indirekten Kosten, die entstehen, wenn man eine endliche Ressource jetzt auf eine Weise verbraucht, die bedeutet, dass sie für zukünftige Generationen nicht mehr zur Verfügung steht. Wieder haben wir das Problem negativer externer Effekte. Die zusätzlichen Kosten, die das Leben beispielsweise in einer Welt mit begrenztem Phosphorvorkommen mit sich bringt, werden nicht von den Unternehmen getragen, die heute die Ressourcen übermäßig ausbeuten, sondern werden auf zukünftige Generationen abgewälzt. Kurzfristige Gewinn-, Wachstums- und Konsumsteigerungen haben Vorrang vor der Stabilität der Ökosysteme und der Verfügbarkeit knapper Ressourcen in der Zukunft.
Von Texas (9) bis Uttar Pradesh (10) werden die Wasserressourcen übermäßig stark genutzt, entweder durch Landwirt:innen, die Grundwasser zur Bewässerung ihrer Felder in trockenen Gebieten abpumpen, oder durch Fabrikbesitzer:innen, die es für industrielle Prozesse nutzen. In einem kapitalistischen System konkurrieren die Landwirt:innen gegeneinander und müssen sich so viel Wasser wie möglich für ihren eigenen Betrieb sichern, um den Gewinn zu maximieren. Sie werden auch dazu getrieben, das anzubauen, was ihnen das meiste Geld einbringt, selbst wenn das die lokalen Ressourcen erschöpft. Das Nettoergebnis ist die Erschöpfung des Grundwassers, sodass die Brunnen entweder versiegen oder die Kosten für das Pumpen von Wasser an die Oberfläche zu teuer werden. Dies ist ein klassisches Beispiel für die „Tragödie der Allmende“ (11), bei der eine gemeinschaftliche (Anmerkung des Übersetzers: also frei verfügbare, aber begrenzte) Ressource aufgrund von Übernutzung durch konkurrierende Akteur:innen zerstört wird.
Diese Art von Problemen ist lösbar und tatsächlich erhielt Elinor Ostrom (12) für ihre Arbeit darüber, wie die Allmende harmonisch funktionieren kann, den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Ihre Arbeit hob die Notwendigkeit starker Community-Netzwerke hervor, die zusammenarbeiten können, um ihre eigenen Regeln für die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zu schaffen. Auf diese Weise kann das beste Ergebnis sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft erzielt werden und die Ressource wird für zukünftige Generationen erhalten. Dies ist fast das genaue Gegenteil des kapitalistischen Systems, in dem Nachbar:innen als Konkurrent:innen agieren und darum kämpfen müssen, so viel wie möglich zu erhalten, trotz der Auswirkungen auf die Allmende selbst. In einem kapitalistischen System sind diese gemeinschaftlichen Ressourcen durch Übernutzung, Einhegung (13) und Zerstörung dem Untergang geweiht.
Viele der im Siliziumzeitalter (14) benötigten Ressourcen werden weit entfernt von den Regionen gewonnen, die auf sie angewiesen sind. Da die Ressourcen in der Zukunft knapp werden, können wir erwarten, dass dies zu einer zunehmenden Quelle von Konflikten wird, da Regierungen und Konzerne versuchen, die Versorgung zu kontrollieren. Dies ist bereits am deutlichsten im Irak-Krieg geschehen, der genutzt wurde, um den Zugang zu Öl zu sichern, aber es geschieht auch weniger offenkundig durch die Unterstützung von Regimen, die Freihandel und eingeschränkte Arbeitsgesetze zulassen oder dazu gezwungen werden, ihnen zuzustimmen, damit das Kapital diese Ressourcen billig ausbeuten kann. Hier arbeiten Kapitalist:innen aus den wirtschaftlich weiterentwickelten Ländern Hand in Hand mit ihren Gegenspieler:innen in den wirtschaftlich geringer entwickelten Ländern, um sicherzustellen, dass Errungenschaften bei den Arbeiter:innenrechten durch Outsourcing umgangen werden können. Diese Auslagerung von Arbeit findet auch bei CO2-Emissionen und anderen Formen der Umweltzerstörung statt, da "schmutzige" Jobs in Regionen mit geringeren Umweltvorschriften verlagert werden, was den reichen Nationen den Anschein gibt, ihre Emissionen zu senken.
Die globalen Supermächte müssen sich den Zugang zu Ressourcen sichern, um ihre Bürger:innen vor zukünftigen Klimaschocks abzuschirmen und so politische Stabilität zu gewährleisten. In vielen Fällen geschieht dies in Form von Landnahmen, die lokale Communities verdrängen oder sie in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingen. Der chinesische Staat kauft zum Beispiel große Teile Afrikas auf. Die globalen Auswirkungen dieser Entwicklung können wir noch nicht vollständig verstehen. Was die USA und die europäischen Staaten angeht, so sind sie in die selben Prozesse verwickelt, aber durch die Vertreter:innen von Konzernen, die das Land kaufen. Wenn Knappheit herrscht, ist es wahrscheinlich, dass lokale Bevölkerungen, die sich dem Export der benötigten Ressourcen widersetzen, zu Brennpunkten für Konflikte gegen Kapital und Staat werden. Es muss Widerstand geleistet werden gegen diese neue Form des wirtschaftlichen Kolonialismus.
Auch der Landbesitz ist von entscheidender Bedeutung, da er - neben den perversen Kräften des Marktes - diktiert, wie Land genutzt und bewirtschaftet wird. Nicht alle Treibhausgasemissionen stammen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe; viele stammen aus sogenanntem Lachgas (N2O), das bei der Verwendung von Düngemitteln in der Landwirtschaft freigesetzt wird, aus Methan, das durch anaerobe Prozesse (15) in wassergesättigten Böden entsteht, oder einfach aus der Zersetzung von organischem Bodenmaterial. Diese Arten von Emissionen sind abhängig von der Art und Weise, wie das Land bewirtschaftet wird. Auch hier gilt, dass im derzeitigen kapitalistischen Modell wenig Rücksicht auf die langfristige Gesundheit des Bodens genommen wird und für den Produzierenden keine Kosten für die Emission von N2O, Methan oder CO2 entstehen. Während einige Formen der Bodenverschlechterung wie z.B. die Abholzung von Regenwäldern für die Viehzucht mittels Brandrodung sofort offensichtlich sind, sind andere weniger offensichtlich. Es kann Generationen dauern, bis der Boden ausgelaugt ist. Solche Probleme sind am schwierigsten zu lösen, wenn Kapitalist:innen versuchen, kurzfristige Gewinne zu maximieren, oder wenn Landwirt:innen ums Überleben kämpfen und es sich nicht leisten können, die Auswirkungen ihrer landwirtschaftlichen Methoden zu berücksichtigen. Wir brauchen daher einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem alle Inputs und möglichen Quellen von Umweltschäden berücksichtigt werden und das Land zum Nutzen der gesamten Gemeinschaft sowie zukünftiger Generationen gemeinsam genutzt wird.
Wo wir weiterhin nicht-erneuerbare Ressourcen nutzen müssen, müssen wir auf die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft hinarbeiten, in der der Abfall eines Produkts als Input für das nächste verwendet wird. Dies beginnt jetzt, aber aufgrund der negativen externen Effekte, die, wie bereits erwähnt, wenig wirtschaftliche Anreize bieten, in einem schmerzhaft langsamen Tempo. Das wird sich sicherlich ändern, wenn wir uns dem Fördermaximum von Öl, Phosphor und anderen begrenzten Ressourcen nähern, aber diese Ressourcen werden derzeit in einer so rücksichtslosen Weise genutzt, dass wir zukünftige Generationen stark benachteiligen. Wir können mit begrenzten Ressourcen effektiv umgehen, aber nur durch eine Produktion für den Bedarf und nicht für den Profit, sowie durch eine Rückkehr zu den Allmenden und die Schaffung einer echten Kreislaufwirtschaft.
Weiter geht es in wenigen Tagen mit Teil 2
Fußnoten: