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Neoliberaler Kriegskapitalismus.

Von Krise zu Krise, von Krieg zu Krieg. Krisen und Kriege folgen einander als Zwangsmittel, die Unsicherheit und Angst – individuell und kollektiv – chronisch machen, um die Unterordnung der Unsichtbaren aufrechtzuerhalten. Zusammen mit „prekärer und schlechter Arbeit“ und spekulativer Inflation, die Löhne und Einkommen auslöschen. Die soziale Ordnung wird von einer Kette aufeinanderfolgender Notstände durchdrungen, die Unsicherheit, Instabilität und ohnmächtigen Katastrophismus verbreiten – eine Inszenierung, die die bestehenden Hierarchien stabil hält und den Ausgebeuteten jede „Fluchtmöglichkeit“ aus ihrer Lage sowie jede Erzählung und Emanzipation einer Klassen-Zukunft verwehrt. Kapitalisten projizieren ein symbolisch-kulturelles Bild der „Risikogesellschaft“ auf das Leben der Beherrschten und Ausgebeuteten.

Zur Wirtschaftskrise gesellt sich Austerität für die Proletarier – eine Erzählweise und Entpolitisierung, die die wirtschaftliche Unterdrückung verschleiert. Die gesellschaftliche Praxis der Austerität verlangt die Konstruktion von Zustimmung derer, die sie erleiden, begleitet von einer autoritären Entwicklung der staatlichen Institutionen und ihrer Kontrolle über die Gesellschaft.

Der Neoliberalismus nutzt das Kontinuum aus Krisen und Notlagen gezielt aus, um eine Gesellschaft auf Basis des freien Marktes zu schaffen – „frei“ nicht, weil Angebot und Nachfrage sich angeblich selbst regulieren, sondern weil der Markt von staatlicher Vermittlung und jedem sozialen Pakt „befreit“ ist. Dies ist ein globales Projekt, das sich nicht mehr ausschließlich an der US-amerikanischen Vorstellung von Globalisierung orientiert, sondern polymorph agiert, sich an nationale Gegebenheiten anpasst und mit einer „glokalen“ Wirkung operiert – durch staatliche Institutionen ebenso wie durch die klassische militärische Zwangsgewalt des Krieges und der digitalen Überwachung in der „Ära des Nicht-Friedens“.

Die kapitalistische Notwendigkeit des Krieges wird ausdrücklich als Schutz vor repräsentativer Demokratie verstanden. Diese würde übermäßige Forderungen der Massen (nach Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit durch Parteien, Gewerkschaften, Verbände) provozieren und damit die Regierbarkeit der Gesellschaft gefährden, indem sie die privaten Rechte des Individuums und die Ordnung des Marktes infrage stellt. Einschränkungen der kapitalistischen Freiheit sind unzulässig – sie darf niemals durch öffentliches oder politisches Handeln übergangen werden. Dies ist die „Demarchie“, die politische Ordnung des Neoliberalismus, in der der Staat einzig die Regeln der „Tauschgesellschaft“ zu errichten, zu schützen und zu bewahren hat. Eine Demokratie, die keine souveräne Macht mehr besitzt, keine Ausdrucksform einer Mehrheit ist (Regierung der Bürger), sondern auf die Prinzipien der liberalen Gesellschaft reduziert wurde (Regierung des Gesetzes): Privateigentum, Markt und Profit. Der Markt ist die gesellschaftliche Organisationsform des Neoliberalismus, und der Wettbewerb sein disziplinierendes Werkzeug. Folglich organisiert die Wirtschaft die menschliche Gesellschaft, während Politik und Institutionen lediglich ihre produktive Steuerbarkeit garantieren.

So argumentierte Friedrich von Hayek (1899–1992), Ökonom und Soziologe, einer der führenden Ideologen des absoluten Liberalismus und seiner autoritären sowie totalitären politischen Ambitionen. Bis heute eine Referenzfigur für die europäische Rechte – zuletzt für die portugiesische Partei Chega, für den neoliberalen argentinischen Präsidenten Milei und seinen neuen Minister für Staats- und Wirtschafts-Deregulierung, den Ökonomen Federico Sturzenegger, ein Schüler von Elon Musk. Der Multimilliardär Musk spielte eine zentrale Rolle in der Präsidentschaftskampagne von Donald Trump – nicht nur durch Finanzspritzen, sondern vor allem durch den strategischen Einsatz von TikTok und Twitter/X, um eine Massenstimmung zu erzeugen. Nun ist Musk selbst Mitglied der neuen Trump-Regierung, die bereits die politische Agenda der europäischen Populisten diktiert [1].

Die Rückkehr von „The Donald“ ins Weiße Haus markiert die „Regierung der Milliardäre“ und stärkt den ordoliberalen Patriotismus einer „neuen sozialen Marktwirtschaft“ [2], in der das Recht die wirtschaftliche Ordnung konformiert und die freie Initiative, die unternehmerische Freiheit, den Markt und das Privateigentum schützt. Die Abschaffung von allem, was öffentlich ist – Gemeingüter, Fürsorge, Solidarität – gehört zum Programm des neuen Präsidenten. Geplant sind niedrigere Unternehmens- und Vermögenssteuern, was weniger Staatseinnahmen und noch weniger Mittel für das ohnehin schwache soziale Netz in den USA bedeutet. Protektionistische Zölle sollen Produktion und Konsum im Inland ankurbeln, sofern die heimischen Unternehmen die Importlücken füllen können. Diese Zölle und die Rückholung von Produktionsketten werden jedoch negative wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Folgen für die EU und vor allem für Mexiko haben.

Trumps Pläne umfassen außerdem: die massenhafte Abschiebung von Migranten, weißen Suprematismus als legitimierte Form des Rassismus, die Abschaffung von Minderheitenrechten, die Deregulierung der Arbeitskosten, massive Militärausgaben für die Verteidigung als höchst profitabler Sektor. Die USA werden sich vom Ukraine-Krieg zurückziehen und sich stärker auf den Pazifik sowie teilweise auf Afrika konzentrieren – die zukünftigen Fronten der Auseinandersetzung mit China um die Neuaufteilung globaler Einflusszonen. Der Konflikt zwischen den verschiedenen Kapitalismus-Modellen ist polymorph und kann nicht linear verlaufen, allein schon aufgrund der finanziellen Verflechtungen zwischen den Staaten. Zum Beispiel hält die People’s Bank of China US-Staatsanleihen im Wert von 967,8 Milliarden Dollar (Stand Juni 2024 laut US-Finanzministerium), während die US-Staatsverschuldung insgesamt 33,1 Billionen Dollar beträgt (129 % des BIP). Gleichzeitig sind europäische Finanzbanken und Investmentfonds die größten Käufer italienischer Staatsanleihen (2,973 Billionen Euro, 135,8 % des BIP).

Die zentralen Programmpunkte der neuen US-Regierung waren bereits im „Project 2025“ festgelegt – dem politischen Konzept der konservativen Heritage Foundation für die neue rechte Administration. Wer genau hinsieht, erkennt, dass sich alle Programme der Neuen Rechten, auch in Europa, auf die Verteidigung von Hierarchien und die Ablehnung jedes sozialen Vertrags stützen.

In Trump we trust.

(1) „Tik-Tokratie“ ist ein Neologismus, der die Einflussnahme von Social-Media-Plattformen beschreibt, um die öffentliche Meinung gezielt zu manipulieren und in eine vorgegebene Richtung zu lenken. Während der US-Wahlen ordnete Musk an, die Algorithmen von Twitter-X so zu verändern, dass sie positive Reaktionen auf Biden-Posts unterdrückten. In Rumänien wurden die Präsidentschaftswahlen sogar annulliert, weil tausende koordinierte Accounts gezielt versuchten, die Wähler zu beeinflussen.

Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie der Universität Oxford zeigt, dass die in sozialen Medien verbreiteten vereinfachten Inhalte – als neue Machtzentren mit einem kommunikativen und kulturellen Monopol – das Phänomen des „Brain Rot“ hervorrufen, eine geistige Degeneration durch den übermäßigen Konsum von inhaltslosem Schrott. (Quelle: Pubblico Nr. 14, 21.12.2024, Fondazione Feltrinelli)

(2) Basierend auf den Prognosen der „Freiburger Kreise“, einer wirtschaftswissenschaftlichen Denkschule, die sich in Deutschland zwischen den frühen 1930er- und späten 1950er-Jahren entwickelte.

Anm. d. Autors Das „In Trump we trust“ ist eine Anspielung auf „In God we trust“, das auf den Gürtelschnallen jedes Heeres eingraviert ist. Die „Regierung der Milliardäre“ hatte ihren globalen Auftakt mit der ersten Berlusconi-Regierung (Mai–Dezember 1994), die ultraliberal war und sowohl auf der Figur des absoluten Führers als auch auf seiner messianischen, medialen Kommunikation basierte. Diese zielte darauf ab, eine neue Volksidentität um ihn herum zu konstruieren. Dabei spielte Wahrheit in seiner Kommunikation keine Rolle – entscheidend war nur ihre Funktionalität für das politische Projekt. Giorgia Meloni verfolgt heute exakt dieselbe Strategie.

Originaler Text
Autor: Roberto Brioschi in "Sicilia Libertaria"
Übersetzung: Anarchismus.de Kollektiv

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