Die Regierung testet neue Mechanismen der Ausgrenzung und Kontrolle der Unerwünschten. Unsichtbare, aber konkrete Mauern durchziehen die Städte und trennen diejenigen, die sich frei in den begehrtesten Gebieten bewegen können, von denen, die ausgeschlossen bleiben müssen.
Mit den roten Zonen und dem städtischen Platzverweis hat der Innenminister den Werkzeugkasten der Polizei mit neuen Instrumenten erweitert, die die Staatsorgane des Unrechts nutzen können, ohne einen Richter hinzuziehen zu müssen.
Die verschärfte Sicherheitsstrategie, zunächst in Bologna und Florenz erprobt, wurde im Dezember auf Mailand und Neapel ausgeweitet und mit dem neuen Jahr auch auf Rom, wo der polizeiliche Würgegriff während des Jubiläums besonders stark ist. In Turin kündigt der Bürgermeister einen „weicheren“ Ansatz an: keine roten Zonen, sondern „verstärkte Überwachungsbereiche“, ähnlich wie in Rom. Doch es fällt schwer, die Unterschiede zu erkennen, wenn man die piemontesische Interpretation der Regierungsdirektiven betrachtet. Faktisch werden vom 27. Januar bis zum 30. April Porta Nuova, San Salvario, das Stadtzentrum von Turin, Aurora und Barriera di Milano zu roten Zonen erklärt. Tatsächlich kann die Polizei jeden mit Gewalt entfernen, der „aggressives, bedrohliches oder hartnäckig störendes Verhalten“ zeigt. Es versteht sich von selbst, dass „Verhalten“ keine konkreten Taten sind. Somit können Polizisten nach eigenem Ermessen Personen vertreiben, deren bloße Präsenz auf der Straße als unerwünscht gilt.
🔵 Diese Direktiven sind nur das neueste Puzzlestück im repressiven Mosaik der Regierung, das jede Form von Protest und politischem sowie sozialem Kampf unterdrückt. Der DDL 1236 – ehemals 1660 – wurde im September von der Abgeordnetenkammer verabschiedet und befindet sich derzeit in der Justizkommission des Senats. Er reiht sich ein in eine Serie von Maßnahmen (die Rave-Dekrete, Cutro, Einwanderung, Caivano), die Arme, nicht-konforme Lebensstile und undokumentierte Migranten ins Visier nehmen. Die Maßnahmen gegen nicht-kommerzialisierte soziale Räume, gegen Geflüchtete und Migranten, gegen Jugendliche sowie die Repression von Protestbewegungen sind die Grundpfeiler des repressiven Regierungsprojekts.
Der DDL 1236 trifft mit immer härteren Strafen diejenigen, die in den Abschiebezentren (CPR) und Gefängnissen kämpfen, sich gegen Zwangsräumungen wehren, besetzen, Graffiti an Polizeistationen anbringen, Straßen oder Züge blockieren, Streikposten aufstellen oder subversive Ideen verbreiten.
Klimabewegungen, soziale und gewerkschaftliche Kämpfe, Anti-Gefängnis- und No-Border-Gruppen werden kriminalisiert und mit langen Haftstrafen für grundlegende Praktiken des sozialen und politischen Kampfes mundtot gemacht.
Die klassenbewusste und repressive Logik gegen all jene, die versuchen, die unerträgliche Welt, in der wir leben, zu verändern, ist dem demokratischen Justizsystem inhärent. Doch die Maßnahmen dieser Regierung machen sie immer offener und gewalttätiger.
Dieses neue Gesetzespaket stärkt zunehmend die Macht der Polizei und reduziert die ohnehin schon schwachen Schutzmechanismen für Meinungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und sozialen Widerstand.
🔴 Artikel 31 des DDL 1236 erlaubt es den Geheimdiensten, terroristischen Organisationen beizutreten und die Kontrolle über sie zu übernehmen – mit der Garantie der Anonymität und Straffreiheit für begangene Verbrechen. Als Krönung dürfen diese legalisierten Provokateure sogar Bomben herstellen und besitzen.
Damit endet das Märchen von den „abtrünnigen“ Geheimdiensten, den faulen Äpfeln, die in Zusammenarbeit mit Faschisten die vielen staatlichen Massaker der 1970er und 1980er Jahre inszenierten. Heute, mit Faschisten an der Macht, erhalten sie eine offizielle Lizenz zum Massenmord. Vom Staat. Per Gesetz.
Der gleiche Artikel verpflichtet faktisch auch Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten, einschließlich der Möglichkeit, Datenschutzbestimmungen zu umgehen.
⚫ Generell sind die drastische Erhöhung der Strafen, die Einführung neuer Straftatbestände und die gezielte Auswahl der Betroffenen und der Geschützten die Markenzeichen des DDL 1236. Mehr Gefängnis für viele, aber nicht für alle – denn das Netz der Meloni-Gesetze ist explizit autoritär und klassenbezogen.
Proteste in Gefängnissen und Abschiebezentren werden härter verfolgt, weil diejenigen, die sie organisieren, als grundsätzlich kriminell, illegal und normabweichend dargestellt werden. Dieser Regierung reicht es nicht, Menschen zusammenzuschlagen und ihnen jede Würde zu nehmen – sie will diejenigen, die in Haftanstalten Aufstände anzetteln, für immer im Gefängnis verschwinden lassen.
Diese Regierung will jeglichen Protest zum Schweigen bringen, indem sie ein Kollektivdelikt einführt, das mit Mafia- und Terrorismusvergehen gleichgesetzt wird – ein Vergehen, das selbst gewaltfreie Aktionen wie einen Hungerstreik umfasst.
Aus der öffentlichen Kriminalisierung politischer und sozialer Opposition entsteht das Delikt des „Terrorismus der Worte“. Diese Gesetze folgen der Logik des Feindstrafrechts – einer Kriegslogik, die Feinde vernichten, sie auslöschen, ihnen Leben, Freiheit und Würde nehmen will. Für den Feind gelten nicht die formellen Schutzrechte, die Bürgern vorbehalten sind.
Wenn die Kriegslogik auf das Recht angewandt wird, dann werden ganze Menschengruppen nicht für das bestraft, was sie tun, sondern für das, was sie sind. Die gesamte Politik der Regierung folgt diesem Prinzip – demselben Prinzip, auf dem die nationalsozialistischen Lager und die stalinistischen Gulags errichtet wurden. Die Definition des „inneren Feindes“ ist rein politisch und liegt in der Hand derjenigen, die die Macht haben zu bestimmen, wer Bürgerrechte behält und wem sie entzogen werden, weil er individuell oder kollektiv als inkompatibel mit der neuen Ordnung gilt, die die Regierung errichtet.
Eine Ordnung, die nicht einmal mehr die berüchtigten „Sondergesetze“ von 1926 benötigt, um das Streikrecht, die Meinungsfreiheit und den Kampf für Wohnraum, Gesundheit, Freiheit und Würde zu unterdrücken.
Gesetze sind der normative Ausdruck der Kräfteverhältnisse in einer Gesellschaft. Heute fühlen sich die Faschisten in der Regierung stark und spielen alle ihre Karten aus, um die totale politische Kontrolle und soziale Disziplinierung zu sichern. Die Regierung greift von mehreren Seiten gleichzeitig an. Neben der repressiven Strategie strebt Meloni eine institutionelle Reform an, die die Exekutive weiter stärkt, und verfolgt eine kulturelle Hegemonie, die Schule, Medien und öffentliche Räume als Eroberungszonen betrachtet.
Der Faschismus kehrt zurück. Sie nutzen die demokratische Fassade, um dem Land eine radikale autoritäre Wende zu geben – ein Zeichen dafür, dass Demokratie nur eine Illusion von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit ist.
Sie zu stoppen ist noch möglich. Es gilt, die Netzwerke und Bewegungen zu stärken, die gegen diese autoritäre Wende kämpfen, und gleichzeitig entschlossen gegen Krieg, Militarismus, Patriarchat, Grenzen, Ausbeutung, Umweltzerstörung und Nationalismus zu stehen.
Autor: Federazione Anarchica Torinese | Assemblea Antimilitarista – Torino in "Sicilia Libertaria"
Übersetzung: Anarchismus.de Kollektiv