Die Revolution in Myanmar


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Aktuelles myanmar Myanmar Revolution

Vorwort

Überall auf der Welt organisieren sich Menschen, um mit den herrschenden Verhältnissen zu brechen. Viel zu oft aber, finden diese Kämpfe in der links-radikalen Bewegung des globalen Nordens eher wenig Beachtung. Das gilt insbesondere für all jene revolutionäre Entwicklungen, in denen sich explizit als links verstehende Kräfte eine eher untergeordnete Rolle spielen. Fehlen diese Bezugspunkte, ist eine tiefere Auseinandersetzung nötig, für die uns Internationalist:innen oft Zeit und Wissen fehlen. Die Revolution in Myanmar ist ein solches Beispiel.

Den Traum einer breiten sozialen Bewegung von einer friedlichen, demokratische Machtübergabe zerstörte das Militär im Februar 2021 mit einem erneuten Putsch. Im Rahmen der darauf folgenden Welle blutiger Repressionen eskalierte die Situation zu einen, bis heute anhaltenden, Bürgerkrieg. Die Demonstrierenden aus den Städten zogen sich in den Dschungel zurück um sich bestehenden Guerillaformationen anzuschließen und neue aufzubauen. Der Aufstand gegen die Militardiktatur, der eine Vielzahl von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen vereint, hat es in den letzten Monaten geschafft, einen großen Teil des Landes unter seine Kontrolle zu bringen. Neben den praktischen Erfahrungen einer sich rapide verändernden sozialen Bewegung, ist es besonders die intentsive Auseinandersetzung über eine gemeinsame Zukunft, die die Revolution in Myanmar aus unserer anarchistischen Perspektive bemerkenswert macht. Der übersetzte Artikel bietet Einblicke in das Innere der kämpfenden Einheiten und ihrer Perspektiven.

Den Originaltext von Ill Will findet ihr hier

Die Revolution in Myanmar

Azad

Der folgende Text ist ein Interview mit Azad, einem zur Zeit in Myanmar für die Revolution kämpfenden Amerikaner. In diesem über mehrere Wochen im August und September 2024 per EMail geführten Interview, decken Azads Antworten ein weites Spektrum an Themen ab, die mit den Stärken und Herausforderungen eines „langanhaltenden Volkskriegs“ zusammenhängen. Dazu gehören die Vermeidung von ethnischen und politischen Spaltungen, die Dezentralisierung des Guerillakampfes, die Verwirrungen durch Gegenaufstände und die komplexen geopolitischen Dynamiken, mit denen sich alle Aufstände früher oder später auseinandersetzen müssen, sobald sie sich der Möglichkeit eines Sieges nähern.

Revolutionäre Grüße,

Bevor ich die Fragen der Genoss:innen beantworte, möchte ich zunächst einige Tatsachen benennen, die meiner Meinung nach für das umfassende Verständnis der Revolution in Myanmar wichtig sind. Die gegenwärtige Revolution, ausgelöst durch eine landesweite Ablehnung der schlagkräftigen Machtübernahme durch das Militär, hat sich entlang vieler verschiedener und widersprüchlicher Linien entwickelt. Ich denke, dass es wichtig ist, diese Entwicklungen in der Sprache der Vielfalt und des Aufblühens, und nicht der Zersplitterung oder der Widersprüchlichkeit zu formulieren.

Myanmar ist ein Staat, der innerhalb kolonialer Grenzen entstand. Infolgedessen ist er die gemeinsame Nation von mehr als einem Dutzend Volksgruppen, neben dem birmanischen Volk. Der Weg von der Unabhängigkeit zum „birmanischen Sozialismus“ war lange kompliziert, die demokratische Herrschaft stand hier immer auf wackligen Beinen.

Während ich diese Zeilen schreibe, stehen dem Staat mehr als hundert verschiedene bewaffnete Gruppe gegenüber. Einige von ihnen kontrollieren nur einen Vorort, während andere in ihren militärischen Fähigkeiten es mit der Armee der Junta aufnehmen können. Ich habe sieben Monate im Chin-Staat mit zwei Milizen verbracht: der People's Defence Force (PDF) Zoland und der Chin National Defense Force (CNDF). Diese beiden Gruppen sind Mitglieder des Bündnisses der Chin-Brotherhood, die einer von zwei Militärblöcken im Chin-Staat ist. In diesen kurzen 7 Monaten habe ich gerade erst begonnen, die lokalen Dynamiken und die Bedingungen der Revolution zu verstehen, ganz zu schweigen von den regionalen und nationalen Unterschieden. Ich hoffe daher, dass man mir etwaige Ungenauigkeiten verzeihen wird und dass jeder Einblick, den ich geben kann, als ein Fragment einer umfassenderen Analyse der Situation in Myanmar betrachtet wird.

  • Azad

Ill Will: Wie hat sich eine zivile Protestbewegung, die die Taktiken und Strategien des Schwarzen Blocks nutzte und Steine warf, zu einem landesweiten Aufstand entwickelt? Wie lässt sich dieser Prozess mit dem Bürgerkrieg von 1988 vergleichen, der auf den ersten Blick ähnlich zu verlaufen schien?

Azad: Nach der Machtergreifung durch die Junta begannen sofort Proteste in allen Teilen der Gesellschaft: nicht nur im birmanischen Kernland, sondern auch in den städtischen Zentren Regionen der unterdrückten Volksgruppen. In den Instagram- und Facebook-Storysammlungen derjenigen, die Widerstand leisteten, findet man eine Entwicklung der Proteste, die an eine Slideshow erinnert: zunächst Reaktionen des Unglaubens und der Empörung über den Staatsstreich, dann des Entsetzens über den Einsatz von Gewalt und Massakern zur Unterdrückung abweichender Meinungen und schließlich Aufrufe zum bewaffneten Widerstand. Anfangs friedlich und Massenaufmärsche und Generalstreiks bevorzugend, entwickelte sich die Protestbewegung rasch weiter, als sie auf der Straße mit Kugeln und Massakern konfrontiert wurde. Da sie erkannten, dass sie es mit einem Feind zu tun hatten, der nur Gewalt anerkannte, begann der bewaffnete Widerstand im ersten Monat mit selbst gebauten Luftkanonen, Steinschleudern und traditionellen Vorderladegewehren. Bald wurde klar, dass es nur zwei Möglichkeiten gab: entweder die Revolution oder die Kapitulation vor der Diktatur. Ab diesem Zeitpunkt strömten Tausende aufs Land und schlossen sich entweder bestehenden „Ethnic Armed Organizations“ (EAOs) an, die bereits seit Jahrzehnten Widerstand gegen die birmanische Zentralregierung leisteten, oder gründeten ihre eigenen neuen Widerstandsorganisationen.

Während der Widerstand auf den Straßen wuchs, bemühte sich die abgesetzte gewählte Regierung, ihre Legitimität zu bewahren. Nur wenige Tage nach dem Staatsstreich bildeten Abgeordnete der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) – der politischen Partei, die sich mit Hilfe von Politiker:innen anderer abgesetzter Parteien die Mehrheit in beiden Häusern der Legislative gesichert hatte – das CRPH oder „Komitee zur Vertretung (der Legislative)“. Das CRPH weigerte sich, die Autorität des Militärputsches anzuerkennen. Einen Monat später wurde der Konsultativrat der Nationalen Einheit (NUCC) gebildet, eine Koalition, die Elemente der landesweiten Protestbewegung, der Oppositionsregierung und – beziehungsweise – acht bewaffnete Organisationen der unterdrückten Volksgruppen umfasste. Der NUCC bildete daraufhin die Regierung der Nationalen Einheit (NUG), die weithin als de jure Regierung Myanmars anerkannt ist.

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Um auf eure Frage zurückzukommen: Ich denke, es ist ein Fehler, dies als „1988, aber anders“ zu sehen. Der gegenwärtige Moment ist das Ergebnis einer historischen Bewegung, die ohne den Aufstand von 1988 nicht erklärt werden kann. Die NLD zum Beispiel hat ihre Wurzeln in diesem Aufstand. Seit der Gründung des Staates gab es in der birmanischen Politik immer ein „pro-demokratisches“ Element und bewaffnete Organisationen unterdrückter Volksgruppen, die für Unabhängigkeit oder Autonomie kämpften. Allerdings haben sich diese beiden Elemente noch nie so zusammengeschlossen wie heute. Der Aufstand von 1988 wurde in den städtischen Zentren angefacht und konnte sich nicht zu einem nationalen Widerstand entwickeln, während heute fast alle befreiten Gebiete von den EAOs gehalten werden. Die Allianz zwischen Kämpfern aus den unterdrückten Volksgruppen, die nach Autonomie streben, und der pro-demokratischen birmanischen Gesellschaft stellt einen wichtigen Unterschied zu früheren Kampfzyklen dar, was durch die Aufnahme von EAO-Vertretern in den NUCC und später in die NUG symbolisiert wird.

Es scheint, als hätte sich das Blatt zugunsten der Revolution gewendet? Worauf führst Du das zurück? Wie würde ein Sieg in militärischer und politischer Hinsicht aussehen?

Zum ersten Mal in der revolutionären Geschichte Myanmars befindet sich das Militär tatsächlich in der Defensive. Die Tatmadaw (die bewaffneten Streitkräfte Myanmars) wurden historisch gesehen ausschließlich für die Aufstandsbekämpfung organisiert, nach dem Vorbild der brutalen kolonialen Unterdrückungsstrategie des britischen Empires. Durch den geschickten Einsatz von Waffenstillständen und Autonomievereinbarungen verfolgte sie eine Strategie des Aufteilens und Eroberns, indem sie die EAOs einzeln isolierte und mit geballter Kraft zerstörte. Vor dem Ausbruch der „Frühlingsrevolution“ gegen die Diktatur war die Regierung Myanmars zusammen mit Unterzeichnern von zehn EAOs Vertragspartei des NCA oder „Nationalen Waffenstillstandsabkommen“.

Nun hat sich die Situation geändert. Nach der überwältigenden Opposition der Bevölkerung gegen die Junta und der Zusammenarbeit der NUG mit den EAOs hat sich fast jede Organisation entweder aus dem Waffenstillstandsabkommen zurückgezogen oder wurde von der Tatmadaw auf andere Weise angegriffen (unter Verletzung des Waffenstillstandes). Anstatt die Freiheit zu haben, in einem Teil des Landes Kräfte zu sammeln, ohne dass sich die weitgehend apathische burmesische Öffentlichkeit beschwert, war die Tatmadaw nun gezwungen, überall gleichzeitig gegen einen Feind zu kämpfen, der praktisch unbegrenzte Unterstützung in der Bevölkerung hat. Während die Zusammenstöße fast unmittelbar nach dem Staatsstreich begannen, erlitt die Junta ihre erste große Niederlage als Ergebnis der Operation 1027, die ihren Namen von dem koordinierten Angriff am 27. Oktober 2023 durch die Drei-Brüder-Allianz, einem Bündnis der drei großen EAOs, erhielt. Allein im ersten Monat der Offensive wurden über 220 Stellungen der Junta überrannt, was eine Schockwelle im ganzen Land auslöste. Dies war das erste Signal, dass das Militärregime zu überfordert war, um sich selbst zu verteidigen, und gab vielen im ganzen Land die nötige Zuversicht, um ihre eigenen Offensiven zu starten. Die Operation 1027 wird fortgesetzt, ebenso wie die vielen regionalen Kampagnen, die sie inspiriert hat. Seitdem hat die Junta, wie Sie gesehen haben, eine Niederlage nach der Anderen erlitten.

Es scheint, dass dieser Trend sich fortsetzen wird. Militärisch steht jede EAO kurz vor der Befreiung ihrer Heimatstaaten, und da die PDF-Milizen unter dem angeblichen Kommando der NUG an ihrer Seite kämpfen, verliert die Tatmadaw in den Regionen der ethnischen Minderheiten langsam den Boden unter den Füßen, während sie gleichzeitig mit einer Guerilla-Kampagne um die Außenbezirke der Städte in den Bamar-Regionen [die Bamar sind die dominante Volksgruppe in Myanmar] herum, konfrontiert ist. Das Militär verliert schlicht und ergreifend. Die Gebiete der regionalen Volksgruppen werden bald befreit sein, die einzige verbleibende Frage ist, inwieweit dieser Schwung auf die mehrheitlich von den Bamar bewohnten Regionen übergreifen wird. Viele EAOs haben unmissverständlich erklärt, dass sie zusätzlich zu ihren Forderungen nach Autonomie weiter kämpfen werden, bis zur bedingungslosen Kapitulation der Militärdiktatur.

Auf der politischen Ebene ist das Ziel etwas weniger klar definiert. Wen auch immer du fragst, wird dir sagen, dass wir alle für eine „Föderale Demokratie“ kämpfen. Was das in der Praxis bedeutet, muss erst noch klar definiert und allgemein vereinbart werden, aber das ist angesichts der Art des Konflikts verständlich und schmälert nicht unbedingt seine Gültigkeit als Ziel.

Hattet Ihr Unterstützung aus anderen Ländern oder von internationalen Kräften? Haben die Kämpfer auf Verbindungen zu Aufständischen in anderen Ländern zurückgegriffen?

Bisher war die Unterstützung ausländischer Regierungen meist marginal: Anerkennung der NUG als rechtmäßige Vertreterin Myanmars sowie Wirtschaftssanktionen gegen diejenigen, die mit der Junta verbunden sind. Der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) war weitgehend unentschlossen, und die Bemühungen der Nachbarländer, in dem Konflikt zu vermitteln, wurden weitgehend ignoriert. Indien und China haben sich in ihren Beziehungen zum Regime und zu den Rebellen unglaublich berechnend verhalten, indem sie das Regime offen weiter unterstützten, während sie bei den Aktivitäten der Widerstandsgruppen, die in ihren eigenen Ländern Geschäfte machen, ein Auge zudrückten. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, wie schnell die Junta Niederlagen einstecken musste – es scheint, dass viele abwarten, wie sich der Konflikt entwickelt, bevor sie sich auf eine Position festlegen.

Im Dezember 2022 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten die „BURMA-Act“,welches die NUG als rechtmäßige Vertreterin Myanmars anerkennt und die Verwendung von Mitteln zur Unterstützung „demokratischer Elemente“ genehmigt. Bislang läuft das alles über humanitäre Kanäle. Es geht zwar nicht um Waffen und Munition, aber die bewaffneten Gruppen, die jetzt die Junta aus ihren Städten vertreiben, müssen die Rechnung für die erbrachten Leistungen bezahlen. NGOs wie USAID sind in der Lage, einen Teil dieser Kosten zu übernehmen, was verständlicherweise den Verwaltungsaufwand erheblich verringert.

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Ich habe noch keine ernsthaften Hinweise auf sinnvolle Verbindungen oder Bezüge zu anderen aufständischen Gruppen gesehen. Innerhalb weniger Jahre wurden ganze Armeen aus Studenten, Lehrern, Arbeitern und dem ehemaligen Bildungsbürgertum gebildet, so dass der Schwerpunkt auf der schnellen Notbewaffnung eines Volkes und weniger auf der strategischen Analyse der Methoden lag. Viele Volksgruppen in Myanmar haben eine bedeutende Diaspora im Westen und insbesondere in den Vereinigten Staaten, wo die Beteiligung am Militär üblicher ist. Infolgedessen habe ich gesehen, wie mehrere ethnische Chin aus den USA mit militärischem Hintergrund Schulungen gegeben haben, und anekdotisch wurde mir berichtet, dass dies auch in anderen Regionen geschehen ist.

Ich weiß von verschiedenen kommunistischen und maoistischen Gruppen wie der Kommunistischen Partei Burmas, bin aber nicht genug über diese informiert, um mich zu ihren Beweggründen zu äußern.

Welche Lehren lassen sich aus der Abfolge von Aufstand, dann Bürgerkrieg mit Guerilla-Elementen ziehen? Wie übertragbar ist das Modell, das angenommen wurde? Welche Grenzen gibt es bei der Übertragung der Situation auf andere Länder?

Ich glaube nicht, dass es tatsächlich ein Modell gibt, das übernommen wurde, sondern eher eine Abfolge von Entwicklungen, die sich noch entfalten. Die Lehren aus diesen Entwicklungen sind jedoch greifbar. Eine der Auffälligsten ist, dass unorganisierter Volkswiderstand angesichts von Kugeln nur auf diese Weise effektiv sein kann. Wie wir 2011 in Syrien gesehen haben, können Unruhen die nötige Trägheit für den Beginn einer Revolution liefern, aber sie können nicht die Revolution an sich werden. Im Fall von Rojava war es die Demokratische Volksunion (PYD), die seit 2003 schlummernd aber organisiert war, die in der Lage war, den Speer ins Herz der syrischen Besatzung zu stoßen und anschließend die Revolution gegen die Angriffe von Al-Nusra und ISIS sowie des faschistischen türkischen Staates zu verteidigen. Hier in Burma, waren es die Organisationen der unterdrückten Volksgruppen, die seit Jahrzehnten in den Bergen Widerstand leisten, die in der Lage waren, mit neuem Elan und der Unterstützung des Volkes an der Seite einer Schattenregierung zu kämpfen, die immer noch ernsthafte Ansprüche auf Legitimität erhebt.

Dennoch gibt es einiges über die neueren Gruppen zu sagen, die nach dem Putsch entstanden sind. Diese Organisationen und Armeen, die aus nichts anderem als der moralischen Überzeugung entstanden sind, nicht unter einer Diktatur leben zu wollen, bauten auf bereits bestehenden Organisationsstrukturen auf, die sich später während der Bewegung des zivilen Ungehorsam nach dem Putsch verfestigten, meist entlang regionaler oder ethnischer Grenzen.

Damit soll nicht gesagt werden, dass „das Volk“ keine entscheidende Rolle spielt oder dass die Revolution allein von einer bewaffneten Vorhut gemacht wird. Vielmehr sollten wir als Revolutionäre aller Nationen verstehen, welche entscheidende Rolle die Organisation spielt. Wenn der Moment der Intensität und Trägheit eintritt, muss eine vorbereitete revolutionäre Organisation ihn ergreifen. Wenn es zu diesem Zeitpunkt keine solche Organisation gibt, muss eine solche gebildet werden. Wenn sie nicht gebildet wird, wird die Revolution sterben.

Was ist die Kultur der Kämpfer:innen? Wie sind die Beziehungen zu den Einheimischen oder anderen über dem Schlachtfeld liegenden Elementen des Kampfes? Sind die Guerillakämpfer im Dschungel isoliert, oder gibt es einen regen Austausch mit zivilen Elementen

Jede Organisation der unterdrückten Volksgruppen hat einen politischen und einen bewaffneten Flügel. In früheren Zeiten waren diese vielleicht eher traditionell, geheim und „guerilla-artig“, aber angesichts der gegenwärtigen Unfähigkeit der Zentralregierung, ihre Kontrolle über entlegene Gebiete aufrechtzuerhalten, sind diese Organisationen zunehmend selbst zu öffentlich sichtbaren Organisationen geworden. Die Legitimität, die sich aus der Zugehörigkeit oder offiziellen Beziehung zur NUG ergibt, ist in dieser Hinsicht hilfreich. Während die NUG über ein Verteidigungsministerium verfügt, das sein Bestes tut, um die PDFs und die verschiedenen EAOs, mit denen es eine Partnerschaft eingegangen ist, zu unterstützen und Mittel zu beschaffen, täuscht nichts über Tatsache hinweg, dass es sich um eine Exilregierung handelt, was bedeutet, dass die lokalen Milizen weitgehend selbst für die Finanzierung ihrer Operationen verantwortlich sind.

Dies geschieht durch eine sehr organische Beziehung zur Zivilbevölkerung in Verbindung mit einem gut organisierten Unterstützung in der Diaspora. Obwohl die genauen Zahlen von Gruppe zu Gruppe variieren, stammen etwa 50 % der operativen Mittel aus lokalen Spenden und Steuern und die anderen 50 % aus der Diaspora. Während Steuern vor allem auf Handelsfahrzeuge erhoben werden, die die Kontrollpunkte des Widerstands passieren, wird der überwiegende Teil der Einnahmen dieser Gruppen durch Spenden von Unterstützer:innen erzielt. Dies ist zum Teil auf die Art und Weise zurückzuführen, in der diese Gruppen entstanden sind. Wie bereits erwähnt, verfügte die Bewegung des zivilen Ungehorsam nach dem Staatsstreich über ein enormes Maß an sozialer Macht und organisatorischem Kapital. Berufstätige und Regierungsangestellte aus Dörfern und ganzen Städten verließen ihren Arbeitsplatz, um sich dem Widerstand anzuschließen. Es wäre ungenau zu sagen, dass das Verhältnis zum Volk „gut“ ist; genauer wäre es zu sagen, dass die verschiedenen Verteidigungskräfte selbst das Volk sind, und ebenso, dass das Volk sich in der Guerilla vertreten sieht.

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Was die Kultur der Kämpfer:innen betrifft, so lässt sie, ehrlich gesagt, noch viel zu wünschen übrig. Stellen Sie sich vor, Sie haben einem Liberalen eine Waffe gegeben, und nun kämpft er gegen den Faschismus. Sie sind bereit zu kämpfen, aber es fehlt noch immer an einer tiefgreifenden revolutionären Perspektive an der Basis und viele wollen die Annehmlichkeiten des bürgerlichen Lebens aufrecht behalten. In gewisser Weise ist dies zu erwarten – schließlich handelt es sich um die Geschichte eines Volkes, das zu den Waffen greift und dem nach dem Militärputsch die Hoffnung auf einen friedlichen Übergang zu einer demokratischen Regierung genommen wurde. Sie hatten nie davon geträumt, ein Gewehr in der Hand zu halten, und doch sind sie, gezwungen durch die Umstände und die Würde des menschlichen Geistes, zu Revolutionären geworden. Dieser Mangel an Tiefe sollte verstanden, aber auch kritisiert werden; vor allem muss er als notwendiges Merkmal jeder erfolgreichen Mobilisierung eines Volkes für radikale Ziele berücksichtigt werden.

Was ist die Beziehung zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen? Gibt es eine koordinierte Führung? Spiegeln die Beziehungen politische Unterschiede wieder, und wenn ja, welche?

In Burma gibt es über hundert bewaffnete Gruppen. Wenn wir nur die Wichtigsten betrachten, kann ihre Anzahl auf etwa ein Dutzend reduziert werden, welche sich zwei Lager einteilen lassen – EAO oder PDF/Bamar-Milizen. Zwischen diesen gibt es ein komplexes Netz an Beziehungen, Einige arbeiten viel besser miteinander zusammen als Andere. Im großen Maßstab, sind sich die Gruppen bei fundamentalen Prinzipien einig: erstens, das die Militärdiktatur der gemeinsame Feind ist, zweitens, das der Kampf bis zur Kapitulation des Regimes fortgeführt werden soll, drittens, zwischen EAOS, dass ihr Kampf um Autonomie sie zum mehr oder weniger gleichen Ziel hinarbeiten lässt, und zuletzt ist das erklärte Ziel aller Gruppen, das Einführen eines föderalen Systems, welches die historische Macht des Militärs auf die Regierung unterbindet, und allen autonomen Regionen eine Position auf Augenhöhe in der neuen Union ermöglicht.

Es gibt keine „nationale Allianz“ mit einer koordinierten Strategie und einer Logistikkette. Das heißt nicht, dass es keine übergeordnete Koordination gibt. Zwischen den EAOs insbesondere, gibt es einen hohen Grad an materieller Kooperation in Form von Soldat:innen, Training, Waffen und Munition. Manchmal packen ganze Einheiten zusammen und bewegen sich durch das ganze Land um an einem strategischen Brennpunkt eingesetzt zu werden, was einer anderen Gruppe, und schließlich dem Voranschreiten der Revolution als Ganzes helfen wird. Auf ihre eigene Weise, ist diese Kooperation über ethnische und religiöse Grenzen Hinweg ein strahlendes Beispiel für internationale Solidarität.

Die NUG, obwohl sie offiziell das Werkzeug ist, durch welches der Widerstand koordiniert und ermöglicht wird, ist in Praxis eine Kraft unter Kräften. Während die NUG offiziell nicht so viel Land wie die EAOs kontrolliert, ist sie dennoch, da sie die internationale Legitimation behalten hat und die Unterstützung durch die burmesische Öffentlichkeit besitzt, ein wichtiges vereinigendes Element. Dieses Mächteverhältnis wird sich wahrscheinlich in jeder föderalen Formation nach der Niederlage der Diktatur bemerkbar machen.

Ich will den Skeptiker:innen keine Munition für ihre Argument liefern, aber natürlich gibt es alleine wegen der Anzahl an verschiedenen Gruppen eine anwachsende Anzahl an Konflikten innerhalb und zwischen Volksgruppen. Dies muss sich erst noch zu einer echten Tragödie entwickeln, aber es hat schon den Kampf gegen die Junta in Gebieten die durch Fraktionierungen geprägt sind schwieriger gemacht. Allerdings, existieren diese Spannungen zum Großteil entlang regionaler und Stammesgrenzen, und sind daher auf nationaler Ebene keine Gefahr für die Einheit der größten Gruppen, die für das Niederwerfen der Diktatur kooperieren. Generell wird in der politischen Sprache jeder Gruppe Solidarität und Freundschaft zwischen Völkern hervorgehoben und verstärkt.

Wir würden gerne den Kampf aus einer historischen Perspektive verstehen: was für Theoretiker:innen oder Denker:innen, früher und heute, haben zur heutigen Strategie beigetragen? Lesen die Menschen Bücher oder Webseiten?

Unter der neuen Welle von Gruppen, welche nach dem Coup von 2021 gebildet wurden, die mit denen ich die meiste Erfahrung habe, kann ich nicht sagen, dass ich eine spezifische Tendenz identifiziert habe. Während ich Individuen in Führungspositionen lesen und lernen gesehen habe, welches nicht dem Folgen einer spezifischen Linie, sondern eher einer generellen Suche nach Informationen und Lösungen, ebenso Optionen mit einbegriffen, die wir nicht als revolutionär bezeichnen würde, entspricht. Sozialdemokratie hat hierbei eine besonders starke Anziehungskraft, da das Land ein historisches Problem mit „Sozialismus“, in Praxis den absurdesten Diktaturen, hat, weshalb viele dieses Konzept negativ aufgreifen. Zur selben Zeit, führen die herausstechenden Widersprüche der Diktatur zu einem Unwohlsein gegenüber „Kapitalismus“. Es gibt zwar Gruppen die eine sozialistische Union in ihr Programm aufnehmen, dies ist aber keine gemeinsame Tendenz des Widerstands an sich. „Föderalismus“ ist das einzige Wort, von welchem wir ausgehen können. Dieses inkludiert verschiedene Studienquellen wie die USA, das europäische föderale System oder die Revolution in Rojava.

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Das Niveau politischer Entwicklung an der Basis ist niedrig. Besonders in den EAOs sind viele zu zuallererst durch ein Gefühl des Nationalstolz motiviert, und nur zweitrangig durch eine ideologische Opposition gegenüber Faschismus und Diktatur (auch ist das in sogar weiter entwickelten revolutionären Bewegungen nicht unüblich). Anekdotisch, war meine Erfahrung mit Bamar-Genossen etwas anders: da viele einen studentischen Hintergrund haben, ist es nicht unüblich für sie individuell nach radikaleren Methoden zu suchen. Dennoch habe ich keine Präferenz gegenüber einer spezifischen revolutionären Tendenz festgestellt.

Wird der gegenwärtige Kampf nach den maoistischen Konzepten eines langanhaltenden Volkskriegs und der städtischen Einkreisung geführt?

Viele traditionelle EAOs standen in der Tradition der maoistischen Theorie des Guerillakriegs. Jedoch, obwohl die heutige Revolution sich anhand der Linien entwickelt die Mao identifiziert hat, ist dies nicht durch das eigentliche Studium oder die Anwendung seiner Theorie geschehen. Die Festungen der EAOs in abgelegenen und gebirgigen Regionen boten das perfekte Sprungbrett für eine neue aufständische Bevölkerung, die sich schnell trainieren, organisieren und entwickeln musste. Ich habe nicht genug Expertise über diese Gruppe, um zu ihnen Stellung zu nehmen.

Was ist die Beziehung der Revolution zu den Rohingya und anderen vor dem Coup entrechteten Volksgruppen?

Während es keine monolithische „Revolution“ gibt, haben alle Parteien den Genozid des Militärs an den Rohingya verurteilt und zu stärker Kooperation zwischen Volksgruppen aufgerufen. Da diese Tragödie immer noch andauert, ist sie ein heikles Thema mit vielen Elementen. Verschiedene islamistische Rohingya-Organisationen haben sich mit dem Militär verbündet, das gerade einen Völkermord an ihnen begangen hat, und kämpfen gegen die Arakha-Armee [AA], eine der größten Rebellenorganisationen, was die bestehenden religiösen und ethnischen Spannungen verschärft. Zur Zeit profitiert die Junta durch ihre Falschinformationsverbreitung von der internationalen Anerkennung des Rohingya-Genozid, indem sie versucht die AA als Fortsetzer der Verfolgung darzustellen. Obwohl das Beweismaterial höchstens zweifelhaft erscheint, wird dieses Narrativ von Mainstream-Medien übernommen und stiften Verwirrung über die reelle Situation.

Jede Region kämpft ihren eigenen Kleinkrieg, mit limitierter strategischer Koordination. Manchmal wirkt es so, als würde eine Schlacht in einem Nachbarstaat in einem anderen Land passieren. Die Nachrichten, die ihr seht, sind die gleichen die alle hier lesen, so dass ihr zur gleichen Zeit wie ich über schwierige Situationen wie hart umkämpfte Schlachten und tragische Massaker an Zivilist:innen lesen werdet. Niemand in diesem Land will das die Misshandlung der Rohingya weiter geht, und sie sind als Gruppe im Kreuzfeuer ohne adäquate Repräsentation gefangen. Der Fakt, dass mehrere Rohingya-Gruppen, mit ausländischer Unterstützung von privaten Individuen in Ländern wie der Türkei, für die Junta kämpfen, verkompliziert die Situation und verstärkt die angespannte Beziehung.

Zu der Beziehung der Revolution zu „anderen Volksgruppen“. Ich denke, dass gesagt werden kann, dass die Revolution selbst aus diesen Volksgruppen besteht und die Beziehungen generell freundlich sind.

Was ist die Politik des Aufstands? Westliche Medien beschreiben die Rebellen als „pro-demokratisch“. Aus unserer Sicht, ist kapitalistische Demokratie nicht revolutionär. Was wollen die Menschen dort und wie reden sie davon?

Ich habe diese Empfindung in der Mehrheit der Genoss:innen in Myanmar mit welchen ich in jeglicher Form gesprochen habe angetroffen: Es ist wahr, dass es kein Mainstream-Element der Revolution in Myanmar gibt, auf welches wir im Westen unsere Hoffnungen und Ziele für die Revolution gegen das liberale System das wir bei uns antreffen projektieren können. Vielleicht selbst außerhalb des Mainstream, wäre es schwierig sich auf eine bestimmte Gruppe zu fokussieren und diese als Beispiel für eine revolutionäre Alternative hervorzuheben. Das verändert nicht die Gültigkeit des Kampfes der Menschen hier gegen die Diktatur.

Ich denke, dass die Frage, wie der Übergang zu einem demokratischen System aussehen würde, selbst vor dem Coup in der Schwebe war. In jedem Fall, hatte die Partei die den Schub Richtung Demokratie anführte, die NLD (sie selbst ist im Nachgang der Aufstände von 1988 entstanden) die Unterstützung der absoluten Mehrheit der Menschen von Myanmar, über alle ethnischen und religiösen Grenzen hinweg. Die Intention war es ohne Blutvergießen den Würgegriff des Militärs zu entfernen. Als das Militär die Macht ergriff, um die vorgeschlagenen Veränderungen zu stoppen, war die einzige Option die noch übrig blieb die Revolution. Daher kann verstanden werden, warum es nicht notwendigerweise ein universal akzeptiertes revolutionäres Programm gibt, speziell wenn viele EAOS schon seit Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen widerstehen.

Ich kann nicht für die Menschen von Burma sprechen, aber durch ihre fast einstimmige Unterstützung für die NLD (78% der Sitze im Unterhaus, 82% im Oberhaus), gab es eine klare Basis für die Aufstände gegen die Diktatur. In so einem Fall, während die Zukunft nicht so klar ist, wie wir es gerne hätten, kann ich keinen Kampf eines gesamten Volkes gegen eine Diktatur und für ein demokratisches System anders beschreiben, als mit dem Wort Revolution. Ob Beobachter:innen eine solche Perspektive unterstützen hängt zu großen Teilen an ihren moralischen Fähigkeiten. Das Volk sieht sich sicherlich als revolutionär.

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Nehmt das Beispiel Palästina. Im jetzigen Kampf gegen die israelische Besatzung, ist die eigentliche Politik der meisten Organisationen die Widerstand leisten zweifelsohne schlecht. Dennoch ändert es nichts daran, dass ihr Kampf gegen den Siedlerkolonialismus ihnen eine gewisse moralische Autorität und Legitimität verleiht. Das erklärt die Spannungen, die viele wahrnehmen, in dem sie islamistische Faschist:innen gegen die Besatzung unterstützen, oder amerikanische Unterstützung erhalten, während sie sich in Rojava gegen den türkischen Imperialismus verteidigen. Einen ähnlichen Widerspruch gibt es hier, so wie in Hongkong vor 5 Jahren, wo zukünftige Neoliberale mit Zähnen und Klauen gegen die Diktatur kämpfen. Aus meiner Sicht – und vielleicht ist das kontrovers, wer weiß – die die sich so verhalten verdienen unsere revolutionäre Solidarität.

Wir erinnern uns an einen Text, den Genoss:innen 2016 in Frankreich geschrieben haben, in dem ihre Botschaft an die Liberalen in der „Nuit debout“-Bewegung in etwa so lautete: „Okay, wie wäre es, anstatt jetzt Verfassungen zu entwerfen, uns zuerst darauf konzentrieren, den Aufstand zu erreichen und das dann später zu klären?“

Genau.(1)

Was steht geopolitisch auf dem Spiel? Wie lässt sich der Kampf in Myanmar passiert mit dem verbinden, was an Orten wie Palästina, der Ukraine, Haiti, Rojava oder im Sudan passiert? Gab es einen Austausch der Ideen oder Praktiken zwischen diesen Orten? Wie würde ein Sieg dort aufgenommen werden?

China, Russland und die USA werden mit Sicherheit die Entwicklungen in Burma sehr genau zu verfolgen. Am greifbarsten, haben Russland und das Militärregime einen wechselseitiger Transfer von Waffen und Munition, und Russland stellt einen sehr wichtigen Teil in den militärischen Fähigkeiten des Tatmadaw in Form von Training und Geräte-Reparaturdienste dar. Während China versucht seine Seestreitkräfte auszubauen, bedeutet Myanmar als einen engen Verbündeten zu haben, einen wichtigen Zugang zum Meer zu haben, der strategische Engpässe vermeidet. Umgekehrt suchen die USA die Möglichkeit eine befreundete Macht an Chinas Türschwelle zu errichten.

Russland ist die einzige Macht, die durch die Niederlage der Junta geschwächt wird. Munition, die in Myanmar hergestellt wird, wird an der Front in der Ukraine verwendet. China ist viel berechnender, die notwendigen Schritte zur Sicherung der Junta verweigernd, ohne sich bisher hinter irgendwelche Widerstandsgruppen zu stellen. China behält seine Verbindungen zur SAC, verschließt jedoch die Augen vor grenzüberschreitenden Widerstandsaktivitäten und vermittelt Waffenstillstände, um chinesische Interessen in von Aufständischen kontrollierten Gebieten zu schützen.

Der Widerstand, die Diaspora, und die Exilregierung haben starke Wurzeln im Westen, vor allem in den USA. Jedoch ist die offizielle Position der NUG nicht anti-China, und ein kontroverses Statement aus dem Januar 2024 versprach chinesische Interessen zu schützen, einschließlich der Anerkennung Taiwans als Teil des chinesischen souveränen Staatsgebiets. Während die NUG nicht alle revolutionären Gruppierungen vertritt, kontextualisiert dieser Balanceakt trotzdem die Situation in welcher sich die Rebellen wiederfinden.

Unterstützungs- und Solidaritätsbekundungen sind sowohl von bewaffneten Widerstandsgruppen als auch von zivilen Demonstranten, insbesondere in politisch organisierten Teilen der Diaspora, üblich. Der verbindende Strang läuft durch Palästina, Rojava, die Ukraine, Hongkong, Taiwan, seit kurzem auch Bangladesh und anderswo durch die selbe Vene. Wie es üblich ist in revolutionären Bewegungen mit einer starken Diasporabewegung, gibt es viel Kollaboration und Vermischung in der Diaspora, aber ich habe den Eindruck, dass es innerhalb des Landes bis her keinen ernsthaften Austausch von Ideen und Praktiken gab.

Ein Sieg in Myanmar wäre ein Sieg für widerständischee Menschen überall. Es sendet eine einfach, dennoch machtvolle Botschaft: ein rebellisches Volk mit einem vereinten Willen kann ein System, dass es unterdrückt, stürzen. In den ersten Tagen des Aufstand lautete die gängige Analyse das die Tatmadaw zu stark sein um militärisch besiegt zu werden; das Volk hat trotzdem zu den Waffen gegriffen, wenn auch nur für ein Leben in Würde. Als sie sich dann erhoben, stellten sie fest, dass der Riese nicht so unverwundbar war, wie alle annahmen, und die Fassade begann schnell zu bröckeln. Ein Sieg in Myanmar wäre ein Sieg für die Hoffnung selbst, für die Idee, dass ein Sieg möglich, aber nicht unvermeidlich ist, und dass er nur von unserem Engagement im Kampf abhängt und davon, inwieweit wir bereit sind, uns zu organisieren und für die Freiheit zu opfern.

September 2024

Fußnoten

  1. Das eigentliche Zitat ist das Folgende: „Lasst uns pragmatisch sein: niemand wird dazu in der Lage sein eine Verfassung zu schreiben, bevor das Regime nicht gestürzt wurde. Und da du ein demokratisches Regime nicht demokratisch stürzt, d.h. dass sie sich bis zum letzten Bereitschaftspolizist gegen jede fundamentale Infragestellung wehren wird, ist der einzige Weg zu einer neuen Verfassung ein aufständischer Weg. Jedoch, um einen Aufstand siegreich durchzuführen, wie den Maidan zum Beispiel, muss die „Place de la République“ wirklich besetzt, verbarrikadiert, bewacht etc. werden, außerdem müssen alle politischen und existentiellen Empfindsamkeiten, die einem Aufstand wohlwollend gegenüberstehen sich gegenseitig finden; zu diesem Ziel, statt eine hoffnungslose Suche nach Konsens, die in der Mitte von Paris nicht gefunden werden wird (ein Konsens eines mehr oder weniger verängstigten großstädtischen Kleinbürgers), müssen wir die materielle Existenz einer Pluralität von Räumen, von „Häusern“, sicherstellen, wo eine Vielfalt an aufständischen Empfindsamkeiten sich zusammenfinden kann und miteinander verschmelzen kann. Die die eine Verfassung schreiben wollen, können gerne ihr eigenes Haus bauen, wo sie so viele Entwürfe schreiben können wie sie möchten. Und für die, die die Verfassung einsetzen wollen, nun, wir werden das diskutieren wenn Valls und Hollande in ihre Jets gesprungen sein werden und Zuflucht in den USA, Afrika oder Algerien finden werden.“ Anonym, „Build the Hacienda, Burn Down the Palaces“, Ill Will, April 30 2016. Online hier —IW

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“die plattform”, ist eine anarchakommunistische Föderation für den deutschsprachigen Raum. Unser Ziel ist die Überwindung aller Formen der Unterdrückung und Herrschaft und der Aufbau einer herrschafts-, klassen- und staatenlosen Gesellschaft auf Grundlage des anarchistischen Kommunismus.

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Perspektive Selbstverwaltung (PS) ist eine anarchistische Organisation, die sich Mitte 2019 gegründet hat. Wir sehen die Probleme dieser Erde und unseres Alltags sich häufen: sei es die Wohnfrage, Bildung, Ökonomische Ungleichheit, die Zerstörung des Planeten, gesellschaftliche Vereinzelung oder, ganz aktuell, ein kaputt gespartes Gesundheitssystem. Wir denken, der Ursprung von alldem sind die Werte und die Logik des sozialen, politischen und ökonomischen Systems in dem wir leben.

Auch wenn Veränderungen innerhalb dieses Systems geschehen, werden sie immer (wieder) auf diesem Wertesystem aufbauen, was unserer Meinung nach keine Lösungen bieten kann, weil genau daher die Probleme kommen.

Aber es sind Zeiten großer Veränderungen. Rechte Kräfte versuchen, sich als Alternative darzustellen, schließen dabei jedoch einen großen Teil der Menschen aus. Gleichzeitig sehen wir, wie neue Solidarität entsteht und sich wieder freiheitlichen Ideen zugewandt wird. Das gibt uns Hoffnung. Gerade jetzt halten wir es für notwendiger denn je, uns als Anarchist:innen zu organisieren, um konkrete Perspektiven sowohl für hier, als auch international zu entwickeln und umzusetzen.

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