Entstehung des revolutionären Syndikalismus der Industrial Workers of the World (I.W.W.)


Christian Danckworth
Anarchosyndikalismus Geschichte

Vorwort

Den folgenden Text über die Industrial Workers of the World (I.W.W.) habe ich 1998 im Rahmen meines Studiums der Neueren Geschichte, Politik und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin geschrieben. Schon zu diesem Zeitpunkt war ich begeistert vor allem vom spanischen Anarcho-Syndikalismus, der sich über die anarchistische Basis-Gewerkschaft CNT (Confederation National del Trabajo) zu einer basisdemokratischen Massenbewegung entwickelte (mit zeitweise über 1,5 Millionen Mitgliedern in Spanien) und einen Großteil des Proletariats in Katalonien organisieren konnte. Ich war begeistert von der für eine Zeit lang erfolgreichen sozialen Revolution 1936 vor allem in Katalonien und der darin erkämpften Kollektivierungen der Produktionsmittel, der Häuser und des Bodens durch die Anarcho-Syndikalist:innen, und die daraus resultierende Neuorganisation der Gesamtgesellschaft auf der Basis des »Communismo libertario«, des libertären oder anarchistischen Kommunismus. Diese Neuorganisation der Gesellschaft war sicher nicht fehlerfrei, sorgte aber erstmals in der Geschichte Spaniens dafür, dass in den durch den Anarcho-Syndikalismus befreiten Gebieten Hunger und Armut überwunden werden konnten, die Menschen nicht nur alles erhielten, was sie zum Leben benötigten, sondern auch selbstbestimmt und basisdemokratisch über die Verteilung der Gebrauchsgüter bestimmen konnten, und zwar so gleichberechtigt wie möglich an der Gesamtorganisation der Gesellschaft und der Ökonomie. (Dazu ist zu empfehlen, sich mit der Geschichte der »Mujeres Libres« innerhalb der CNT und des spanischen Anarcho-Syndikalismus zu beschäftigen (zum Beispiel aus dem Verlag »Edition AV« das Buch »Mujeres Libres« – Libertäre Kämpferinnen – herausgegeben von Vera Bianchi) Ich begann ein Interesse zu entwickeln, wie sich der Anarcho-Syndikalismus oder der revolutionäre Syndikalismus in anderen Ländern organisieren und entwickeln konnte, und als ich ein Seminar zum Thema »Grassrootsmovements in den USA ab 1900« bei einem sehr sympathischen linken Universitätsdozenten besuchte, entschied ich mich, eine Textarbeit zu den I.W.W., den berühmten Wobblies, zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich kein Internet nutzen und es gab im deutschsprachigen Raum nur sehr wenige Bücher, in denen die Wobblies thematisiert wurden, sodass ich vor allem auf englischsprachige Literatur aus der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin angewiesen war. Mittlerweile gibt es im deutschsprachigen Raum sehr gute Bücher zu den I.W.W., dennoch möchte ich meine damalige Textarbeit zu den Wobblies gerne publizieren, weil sie einen bestimmten Fokus hat, nämlich die Entstehung des Konzepts des revolutionären Syndikalismus in der amerikanischen Arbeiter:innenbewegung und den dazugehörigen Debatten zu dieser Zeit. Es wird dadurch deutlich, dass auch in den USA Klassenkämpfe und Gewerkschaftskämpfe von unten stattfanden. Die I.W.W. gibt es immer noch, sie konnten in den USA aktuell zum Beispiel erfolgreich Lohnarbeitende bei Starbucks organisieren. Prominente wie David Graeber, Noam Chomsky oder Tom Morello sind oder waren Mitglieder der I.W.W.; sogar in Deutschland gibt es einige Ortsgruppen, die zum Beispiel oft mit der anarcho-syndikalistischen Basisgewerkschaft FAU (Freie Arbeiter:innen Union) zusammen soziale Kämpfe organisieren. Nach dem Scheitern des »Realsozialismus«, welcher letztendlich eine Form von Staatskapitalismus war, sind der revolutionäre Syndikalismus, und vor allem der Anarcho-Syndikalismus meiner Meinung nach diejenigen antikapitalistischen Strömungen, welche eine Zukunft haben – haben müssen, weil durch sie eine herrschaftsfreie und klassenlose Weltgesellschaft jenseits von Staat und Kapital erkämpft werden kann. Basisdemokratische Basisgewerkschaften können dabei Träger:innen eines revolutionären Transformationsprozesses sein. Der Kapitalismus darf nicht das »Ende der Geschichte« sein, er muss schnellstmöglich überwunden werden, wenn die Menschheit angesichts großer Armut, Hunger, globaler Ausbeutung, Klimakatastrophe, Umweltzerstörung generell und Pandemien wie der Coronapandemie eine Zukunft haben will.

Einleitung

Das neunzehnte Jahrhundert in den Vereinigten Staaten war im wesentlichen von einer Blüte des Hochkapitalismus gekennzeichntet – ein Vordringen in den Westen des Landes und eine erhöhte Einwanderung wurde begleitet von der Entwicklung der USA zu einer bedeutenden industriellen, internationalen Wirtschaftsmacht. Neue Energiequellen, steigende Kapitalinvestitionen sowie neue Industriezweige entstanden und führten zu einer Monopolisierung des Kapitals. Konzerne, Aktiengesellschaften, Trusts, Kartelle und Syndikate bildeten sich, die Folge war eine immer größere Verflechtung von Staat und Wirtschaft. Diese versuchte, das öffentliche, politische Leben zu bestimmen, um im Ringen um Profite, Kapitalanlagen, Rohstoffe und Absatzmärkte auch international Einfluß zu gewinnen. Der Begriff des »Dollarimperialismus« entstand und symbolisierte die Entwicklung der USA – eine allgemeine Landflucht setzte ein, die Großstädte wuchsen an. Durch die neuen Produktionsbedingungen und die sich zuspitzenden Gegensätze zwischen Kapital auf der einen Seite und Arbeiter:innen auf der anderen Seite nahm die Intensität von gewerkschaftlichen Kämpfen zu. Ging es zunächst hauptsächlich um den Kampf gegen Lohnkürzungen bzw. um Minimallöhne, entwickelte sich um die Jahrhundertwende innerhalb der Labormovement vor allem im Westen der USA die Erkenntnis, mit den herkömmlichen Kampf- und Organisationsformen der Bewegung keine weitergehenden Erfolge erzielen zu können. Der Ansatz der die Bewegung dominierenden American Federation of Labor (AFL), die Facharbeiter:innenschaft zu organisieren und dabei einen nicht explizit antikapitalistischen Ansatz zu verfolgen, wurde immer mehr hinterfragt. Sozialistische Ideen erhielten Einzug in die Labormovement, die Kämpfe radikalisierten sich. Viele Menschen der Bewegung gingen davon aus, daß die American Federation of Labor nicht reformierbar sei, sondern eine neue Organisation geschaffen werden müsse, die auch die von der AFL vernachlässigten, nicht qualifizierten Arbeiter:innen mit einbeziehen sollte. Es ging um die Schaffung einer radikalen Organisation, welche die gesamte Arbeiter:innenklasse vereinen sollte, die gegen den Kapitalismus kämpfen sollte – eine Organisation, welche den modernen industriellen Bedingungen entsprach und den sich Organisierenden die Perspektive eröffnen sollte, eine umfassende Emanzipation von Lohnarbeit für alle Lohnarbeitenden zu erkämpfen. Nach zahlreichen Debatten kam es zu der Entstehung der Industrial Workers of the World, der I.W.W., um die es in dieser Arbeit gehen soll. Innerhalb der Arbeit möchte ich die Entstehung des revolutionären Syndikalismus anhand dieser Organisation aufzeigen, welche Diskussionen darum geführt worden sind und in welcher Art und Weise sich dieses auf die Kämpfe der I.W.W. auswirkte. Dabei ermöglicht der Rahmen dieser Arbeit nicht die Darstellung der gesamten Organisationsgeschichte. Grundintention wird vielmehr das Aufzeigen des sich entwickelnden syndikalistischen Konzepts – die Idee der »One Big Union« als Kampfform und Keimzelle der neu zu schaffenden Gesellschaft – sein. Die Geschichte der I.W.W. ist durchgehend von Repression durch den amerikanischen Staat bzw. Angriffen aus der Gesellschaft und auch Labormovement gekennzeichnet, demgegenüber jedoch auch von einer Fähigkeit, Widerstand zu organisieren in einem Maße, welches die amerikanische Gesellschaft, die Unternehmer bzw. den Staat erschüttern konnte und zudem auch international Anklang fand. Die Wobblies, wie die Industrial Workers of the World seit 1908 genannt worden sind, existieren heute immer noch. Ihre Hochphase aber war ganz eindeutig nach der Gründung 1905 bis zum Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg. In dieser Zeit wurden die Angriffe gegen die Wobblies, welche eine eindeutige Antikriegsposition vertraten, immer heftiger und trafen die Organisation schwer. Zwar konnten die Wobblies anfang der zwanziger Jahre noch einmal erfolgreiche Kämpfe organisieren, mit der Spaltung der Organisation 1924 bezüglich der Strukturfrage begannen sie, unbedeutender zu werden. Der amerikanische Kapitalismus konnte sich gegen die Labormovement durchsetzen bzw. entscheidende Teile integrieren. Dabei nahm er immer mehr die Gestalt an, die er heute hat.

1. Entstehung der Industrial Workers of the World (I.W.W.)

1.1. Entstehungsbedingungen und Pläne

»Are you a Wobbly? then listen, Buddy,
For the One Big Union beckons to you –
The Workers Union, the Industrial Union.
Tell every slave you see along the line:
It makes no difference what your color,
Creed or sex or kind,
If you are a worker, then it's kick right
In and join.
Become a Wobbly and then we'II probably
Free ourselves from slavery.«
(Joe Foley, IWW Songbook, in Renshaw, 1967, 46)

Um die Jahrhundertwende waren in den USA im Westen des Landes, der nach und nach erschlossen worden war, »mining communities« entstanden – große Minen und Siedlungen von Arbeiter:innen. Aus deren Mitte gründeten sich Interessensverbände, Gewerkschaften. Neben den United Mineworkers (UMW), die 1890 gegründet wurde und zu diesem Zeitpunkt die bedeutenste Gewerkschaft innerhalb der American Federation of Labor (AFL) war, entstand 1893 die Western Federation of Miners (WFM). Zunächst trat die WFM der AFL bei (1895) und wurde innerhalb kürzester Zeit zur wichtigsten Interessenvertretung der Minenarbeiter:innen im Westen des Landes (Dubofsky, 1969, 30). Entstanden als Schutzorganisation für Arbeitsplätze, hielten sozialistische Ideen Einzug und die WFM wurde zur radikalsten Kraft innerhalb der Labormovement. 1896 kam es zum Bruch mit dem »Gomperismus« der AFL (Guerin, 1970, 34). Gomperismus war die Bezeichnung für die Politik, welche der Vorsitzende Samuel Gompers durchsetzen konnte. Die Konflikte zwischen Kapital und Arbeit spitzten sich zu, eskalierten auf beiden Seiten. Die Unternehmensverbände gründeten »Citizens Alliances«, um auch auf politischer Ebene die Arbeiter:innenbewegung bekämpfen zu können und ihre Initiative für die Durchsetzung von »open-shop«-Betrieben – Betrieben, in denen keine gewerkschaftliche Zwangsmitgliedschaft für Arbeiterinnen exististierte – forcieren zu können (Dubofsky, 1969, 47). Die Minenarbeiter:innen wiederum verschärften ihre Widerstandsformen, das Prinzip der »Direkten Aktion« – also Streiks, Kämpfe, Sabotage und Militanz, wichtige strategische Mittel auch bei den Wobblies – kam immer mehr zum Einsatz. William D. Haywood, später bedeutender Aktivist der I.W.W, begann, innerhalb der WFM eine wichtige Rolle zu spielen. Er wurde Schatzmeister und Sekretär und ab 1901 Mitglied der Socialist Party of America (SPA) (bis 1913). Ab dieser Zeit nahm er nicht nur aktiv und organisierend an den wichtigen Klassenkämpfen teil, er sollte auch eine treibende Kraft beim Gründungsprozeß der I.W.W. werden (Guerin, 1970, 34). Mit der Gründung der Western Labor Union (WLU) im Jahre 1898 als Versuch der WFM, ihre Tätigkeiten auch in den Osten der USA auszudehnen, setzte sich die Erkenntnis durch, die aus der Kritik am »Gomperismus« der AFL resultierte. Diese betrieb eine Organisierung/Differenzierung nach Berufen der Facharbeiter:innenschaft unter dem Dachverband der Organisation, also eine Art Branchenunionismus. Hohe Mitgliedsgelder und »Rassenklauseln« stellten sicher, dass nur die weiße Facharbeiter-:innenschaft Platz in der Organisation fand. Innerhalb der AFL herrschte das Funktionärswesen, weswegen Kritikerinnen die AFL als »Arbeiteraristokratie« bezeichneten. Intention der AFL war, innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsformation Veränderungen zu bewirken. Sozialistisches Denken verschwand nach und nach aus dem Dachverband, stattdessen ging es letztendlich um eine »Zusammenarbeit der Klassen« – um Verbesserungen innerhalb des Systems, ohne es grundsätzlich abzulehnen. Diese Strategie kommt z.B. über die Teilnahme an der 1893 gegründeten National Civic Federation zum Ausdruck. In diesem Gremium sollten gegensätzliche Gruppen zusammengebracht werden, also Untemehmensverbände, Gewerkschaften und politische Kräfte, um zwischen ihnen zu vermitteln. Von den radikalen Kräften der Labormovement wurde sie als Befriedungsinstrumentarium bewertet. Die AFL-Führung wehrte sich gegen die Pläne zur Schaffung von Industriegewerkschaften und wirkte immer wieder gegen die radikalen Kräfte der Bewegung an (Foster, 1956, 119). Dem wollte die WLU eine Organisierung aller Lohnarbeiter:innen der Industrie entgegensetzen, ohne eine Unterscheidung der Berufe vorzunehmen. Diese Form der Organisierung wurde als erfolgversprechender angesehen und von vielen radikalen Kräften der Bewegung befürwortet. Aus der Western Labor Union wurde 1902 die American Labor Union (ALU), welche sich auf den ökonomischen Bereich konzentrierte, ihre Mitgliedschaft öffnete und niedrige Beiträge verlangte, um ungelernte Arbeiter:innen, die einen großen Anteil der Lohnarbeitenden darstellten, miteinzubeziehen. Man ging davon aus, verschiedene Faktoren zu verbinden, die auch innerhalb der IWW wichtig waren : »the combination of industrial unionism, labor solidarity, political nonpartisanship, direct economic action, and syndicalism« (Dubofsky, 1969, 73). Es ging also um die Überwindung der Spaltung der Arbeiter:innenklasse als Konzept von Selbstorganisierung und Industriesyndikalismus auf sozialistischer Grundlage. Die Industriegewerkschaften wurden als Träger:innen der revolutionären Umwälzung gesehen und sollten in einer konkreten Situation dieses Ziel erfüllen. WLU bzw. ALU konnten ihren Einflußbereich ausdehnen, wurden in der Öffentlichkeit aber eher als WFM-Satellit wahrgenommen (Dubofsky, 1969, 74). Paralell dazu wurde 1900/1901 die Socialist Party of America (SPA) ins Leben gerufen und nahm sich der Rolle an, welche die Socialist Labor Party (SLP), 1876 gegründet (Foster, 1956, 74), nicht vervollständigen konnte: die Schaffung einer sozialistischen Partei, welche sich auf eine Massenbasis stützen konnte. Hatte die SLP unter maßgeblichem Einfluß Daniel DeLeons versucht, Einfluß nicht nur im ökonomischen sondern auch im politischen Bereich zu erlangen, sollte die SPA eine erfolgreiche Kraft werden, deren politisches Programm nie einheitlich war und sich schnell ein rechter und ein linker Flügel herauskristallisierte (Foster, 1956, 122). Der rechte Parteiflügel glaubte, innerhalb des AFL tätig sein zu können, um von dort aus die Massen zu erreichen (die Strategie des »boring-from-within«). Innerhalb des linken Flügels gab es wie bei der WFM/ALU Diskussionen um die Schaffung von Industriegewerkschaften jenseits der AFL, wobei vor allem Eugene V. Debs, der zuvor in der American Railway Union (ARU) eine wichtige Rolle gespielt hatte, innerhalb der SPA und auch der ALU diese Debatte vorantrieb (Foner, 1965, 13). Er verfasste einen Diskussionsbeitrag zum Thema: »Unionism and Socialism, A Plea for Both«, in dem er für Industriegewerkschaften plädierte. In der Diskussion der WFM/ALU hatte dieser Text eine große Bedeutung. Auf dem zwölften Jahreskongress der WFM 1904 wurde dadurch unter anderem die Richtung verstärkt, eine neue, revolutionäre Industriegewerkschaft jenseits der bestehenden Arbeiter:innenorganisationen (vor allem der AFL) zu schaffen (Dubofsky, 1969, 77). Ein Kreis radikaler Aktivistinnen der Labormovement bildete sich, welcher Vorbereitungen treffen sollte, eine solche Organisationsgründung zu initiieren: dazu gehörten z.B. Thomas J. Hagerty für die ALU, welcher später das Strukturmodell der I.W.W. entwarf, und William E.Trautmann, radikaler Aktivist der Brewery Workers. Debs und Charles O. Shermann, später der erste Präsident der IWW, die ebenfalls an diesem Treffen teilnehmen sollten, waren verhindert (St. John, 1919, 3). Der Kreis verschickte Einladungen an ausgesuchte Aktivistinnen, um eine größere, geheime Konferenz, welche die Gründung der IWW vorbereiten sollte, durchzuführen. Am 2. Januar 1905 trafen diejenigen zusammen, welche in den entstehenden Industrial Workers of the World bedeutende Rollen spielten: Unter anderem Vertreter:innen von neun Organisationen, darunter Bill Haywood und Charles H. Moyer, WFM-Präsident, aber auch »Mother« Mary Jones, bekannt für ihre Aktivitäten innerhalb der United Mine Workers. Alle Anwesenden einigten sich darauf, ein Manifest zu erstellen, das Diskussionsgrundlage für den Gründungskongreß der I.W.W. sein sollte. Kernpunkte des Manifests waren die Kritik am Branchenunionismus, die Betonung der unversöhnlichen Gegensätze zwischen Kapitaleignern und Lohnabhängigen und die Notwendigkeit der Schaffung einer ökonomischen Organisation für die gesamte Arbeiter:innenklasse jenseits von politischen Parteien. (Thompson und Murfin, 1976, 16).

1.2. Die Gründungskonferenz

Am 27.6.1905 fand in Chicago der »Industrial Union Congress« statt, welcher die Gründung der Industrial Workers of the World beschließen sollte. 203 Delegierte nahmen teil, die ca. 140.000 Mitglieder von verschiedenen Gewerkschaftsorganisationen vertraten (bezüglich der Zahl existieren unterschiedliche Einschätzungen). An die 50.000 Personen traten der neu gegründeten Organisation tatsächlich bei (Foster, 1956, 130). Die politischen Spektren radikaler Aktivist:innen waren breitgefächert: von einigen wenigen Lokal- und Landesgewerkschaften des AFL über die United Brotherhood of Railway Employees (aus der American Railway Union [ARU] von Debs entstanden), die Socialist Trades und Labor Alliance (»DeLeonites« bzw. ökonomische Organisation der SLP) bis zur WFM/ALU. Die WFM/ALU bildeten in der Anfangsphase der I.W.W. quasi das Rückrat der Organisation, da die meisten Neumitglieder von dort kamen. Inhaltlich kann man von drei Hauptströmungen sprechen: den »DeLeonites«, welche eine neue Industriegewerkschaft in den Zusammenhang mit der SLP stellen wollten, Leute vom linken Flügel der SPA, welche das neue Projekt in ihre Parteipolitik mit einbeziehen wollten sowie der Fraktion, die sich langfristig innerhalb der I.W.W. durchsetzte, nämlich derjenigen, die hauptsächlich im ökonomischen Bereich tätig sein wollte, das Konzept der »Direkten Aktion« als selbstbestimmte Handlungsgrundlage auf syndikalistischer Basis sahen, also parlamentarische Politik ablehnten (Dubofsky, 1969, 82). Konsens unter allen Beteiligten war der Wille, mit der neuen Organisation eine neue Bewegung zu schaffen, die allen Lohnabhängigen dienen sollte, um den Kapitalismus wirksam bekämpfen zu können. Auch wurde konsensual eine Kritik an der AFL (ironisch als American Seperation of Labor bezeichnet) formuliert, die beinhaltete, ihr Konzept der Berufsorganisierung, der ausschließlichen Organisierung der Facharbeiterinnen, abzulehnen. Der AFL wurde (wie in den vorherigen Ausführungen der WFM-Kritik am Gomperismus in dieser Arbeit erwähnt) vorgeworfen, systemstabilisierend und den Klassenkampf vernachlässigend tätig zu sein. Die AFL war relativ groß, umfaßte aber nur ca. 5% der Lohnabhängigen, ein Großteil war also unorganisiert (und unter anderem auch potentiell streikbrechend) (Renshaw, 1967, 74). Debs Kritik verdeutlichte diesen Konsens . »There is but one way to effect this great change, and that is for the workingmen to sever his relations with the AFL and join the union that proposes on the economic front to represent his class.« (in Foner, 1965, 33). Die Frage, auf welche Weise die neue Organisation tätig sein sollte, wurde nicht einheitlich beurteilt. Streitpunkt hierbei war die Fragestellung, ob auf rein ökonomischen Gebiet gekämpft werden sollte oder auch im politischem Bereich. Konnte z.B. über Wahlbeteiligung eine Veränderung der Verhältnisse erzielt werden (siehe SLP/SPA), also im Aufbau parlamentarischer Gegenmacht der Arbeiter:innenklasse, welche auch die Regierungsgewalt anstrebt, um den Kapitalismus umzuwälzen oder traf die Kritik der Fraktion zu, welche Hagerty, als überzeugter Syndikalist, folgendermaßen formulierte: »Dropping pieces of paper into a hole in a box never did achive emancipation for the working class, and to my thinking it never will.« (in Renshaw, 1967, 84)? Die syndikalistische Seite lehnte politische Aktionen im parlamentarischen Sinne ab, sah die Gewerkschaften als alleinigen Träger der Umwälzung, welche die Produktionsmittel innerhalb eines zu erstrebenden Generalstreikes übernehmen und somit Keimzelle der neuen sozialistischen Gesellschaft seien würden. Damit bewegten sie sich in der Tradition vor allem der französischen Syndikalist:innen aber auch der späteren, ab 1910 organisierten spanischen Anarcho-Syndikalist:innen und ihrer Gewerkschaft CNT (Confederation National der Trabajo). Deren Konzept konnte sich auch in anderen europäischen Ländern verbreiten – als Synthese aus einer oft an Karl Marx geschulten Kapitalanalyse mit der Zielsetzung und anti-hierarchischen Organisationsform des Anarchismus – in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte sich dieses Konzept weiter (Foner, 1965, 20). Die wichtige anarchistische Zielsetzung der Antistaatlichtkeit beinhaltete also die Ablehnung parlamentarischer Politik, des Parla-mentarismus an sich, sowie die Ablehnung einer »Eroberung des Staatsapparates«, wie er in dieser Zeit von vielen Marxist:innen und Leninist:innen formuliert – und in der Folge dann ja auch zentralistisch in der sich entwickelnden Sowjetunion umgesetzt worden ist, was hier letztendlich zum Stalinismus als System führte. Stattdessen sahen schon damals Syndikalist:innen im Generalstreik die Möglichkeit für die dezentrale, ökonomische Industriegewerkschaft, die Produktion zu stoppen, die Macht der kapitalistischen Klasse zu brechen und der Arbeiter:innenklasse die Möglichkeit zu geben, die Industrie zu übernehmen, neu zu gestalten und selbstzuverwalten – und sich dabei an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren. Mit der Zerschlagung des kapitalistischen Staates würden die syndikalistischen Industriegewerkschaften die Verwaltung des sozialen Gefüges übernehmen. Das Syndikat (oder die Basisgewerkschaft) war also als Werkzeug gedacht, mit dem sich die Arbeiter:innenklasse erziehen konnte; welches Keimzelle und zugleich eine Waffe im Kampf gegen das kapitalistische System sein sollte, um den Generalstreik vorzubereiten und zu organisieren. Während dieses Kampfes sollte die »direkte Aktion« wichtiges Mittel sein, also auch Sabotage, wie sie später auch von den Wobblies organisiert wurde (Foner, 1965, 22). Trautmann, dessen Einfluß bedeutend war, sprach vom »revolutionären Syndikalismus« und stellte einen Vergleich mit dem europäischen Konzept auf. Die amerikanische Variante des revolutionären Syndikalismus entwickelte sich aus dem Ergebnis zahlreicher Kämpfe vor allem im Westen des Landes – aus der Praxis heraus. Die Lohnabhängigen sollten selbstbestimmt handeln, ihren eigenen Kopf haben und nicht von den Apparaten der Organisationen instrumentalisiert werden (Dubofsky, 1969, 157). Dieser Streitpunkt zwischen den Strömungen verschärfte sich an der Frage der politischen Klausel der Präambel, welche erstellt werden sollte. Ein Komitee wurde gebildet, um zu vermitteln. Schließlich wurde eine Konsensformel erstellt, welche verschieden interpretiert werden konnte:

»Between these two classes a struggle must go on until the toilers come together on political as well as industrial field, and take hold of that which they produce by their labor through an economic organization of the working class, without affilation with any political party.« (St. John, 1919, 9)

Innerhalb der Strukturdebatte setzte sich der Vorschlag Hagertys durch, der ironisch von Samuel Gompers als »Wheel of Fortune« bezeichnet wurde: Koordinierend an der Spitze sollte eine Verwaltungsebene stehen: Präsident und Sekretär:in/Schatzmeis-ter:in sowie ein fünfköpfiges Komitee, das »General Executive Board«, welches koordiniert, Fragen klärt, die auf der Jahresversammlung nicht gelöst werden konnten und Streiks beschließen kann. Unterteilt wurden die I.W.W. in fünf landesweite »Departments«, innerhalb derer die Industriebereiche in dreizehn »industrial divisions« eingeteilt worden sind. Jährlich sollte eine Jahresversammlung stattfinden, auf der Delegierte grundsätzliche Entscheidungen treffen und die Verwaltungsebene neu besetzt werden sollte (Dubofsky, 1969, 85). Nach der Einigung bezüglich des Namens wurde Charles O. Sherman zum ersten (und einzigen) Präsidenten der Organisation gewählt, William Trautmann wurde »Secretary-Treasurer«. Die Mitgliedschaft der I.W.W. sollte allen Lohnabhängigen möglich sein: qualifizierten und unqualifizierten, Amerikaner:innen und Einwander:innen, Erwachsenen und Kindern (in dieser Zeit gab es noch Kinderarbeit), Frauen und Männern, Schwarzen und Weißen. Haywood erklärte in diesem Zusammenhang: »to the I.W.W. it does not make a bit of difference wether he is a negro or white man. It does not make any difference wether he is american or foreigner«, (in Foner, 1965, 37) Die Mitgliedsbeiträge sollten niedrig sein, und ein monatliches Organ der Organisation wurde geschaffen: der »Industrial Worker«. (Foner, 1965, 38) Die »One Big Union« war zwar geschaffen und unterschiedliche Flügel konnten sich vorerst einigen, die Anfangszeit sollte aber begleitet werden von innerorganisatorischen Kämpfen um die Kontrolle in der Organisation (Guerin, 1979, 41)

2. Der revolutionäre Syndikalismus wird durchgesetzt

2.1. Die Spaltung

Ungefähr ein Jahr nach der Gründung der I.W.W. wurden Moyer und Haywood, noch Präsident und Sekretär beim WFM, entführt und zusammen mit George A.Pettibone des Mordes an dem ehemaligen Governeur von Idaho, Frank Steunenberg beschuldigt. Die I.W.W. begann, eine Solidaritätskampagne zu organisieren, die eine Menge an zeitlichem und finanziellem Aufwand beanspruchte. Auf der einen Seite führte sie die verschiedenen Strömungen zusammen und endete mit der Freilassung der Angeklagten; auf der anderen Seite konnte sie nicht verhindern, daß die Machtkämpfe weiterliefen (Murfin & Thompson, 1976, 24). In den ersten Jahren war die I.W.W. an diversen Streiks beteiligt und auch in Canada aktiv (Foner, 1965, 70). Trotz einiger Erfolge aber war die Organisation eher propagandistisch aktiv, um die Idee des »Industruial Unionism« auch international zu verbreiten (z.B. in Australien und Neuseeland, aber auch in Mexiko und Südafrika). Innerhalb der Organisation verschärfte sich der Protest gegen die Rolle des Präsidenten Sherman, dem vorgeworfen wurde, sich nicht an die Prinzipien zu halten. Die Kritik mündete in der Beschuldigung, daß Sherman von der AFL eingesetzt sei, um die Organisation zu kontrollieren bzw. die Radikalisierung zu unterbinden. Sherman wurde des Amtes enthoben, eine entschiedene Debatte begann. Sherman und Anhänger:innen versuchten, in Illinois eine eigene I.W.W. aufzubauen, konnte damit aber keine Erfolge erzielen (Thompson & Murfin, 1976, 28). Die Debatte verschärfte sich erneut an der Frage der politischen Klausel, also an der Frage, ob die Arbeiter:innenklasse politische Aktionen durchführen solle oder nicht. Auf der sechzehnten Jahresversammlung der WFM im Jahre 1908, wichtiges Rückrat in der Anfangszeit, wurde beschlossen, die Verbindungen zu der I.W.W. zu stoppen. Dieser Beschluß war Ergebnis eines Veränderungsprozesses innerhalb der Western Federation, was dazu führte, daß diese sich 1911 wieder der AFL anschloß (Guerin, 1970, 40). Im gleichen Jahr gab es eine weitere Spaltung. Die Fraktion um Daniel DeLeon, welche politische Aktionen nicht gänzlich ablehnte, verließ nach heftigen Auseinandersetzungen die Organisation, um in Detroit/Michigan ebenfalls eine eigene I.WW. aufzubauen, die bis 1915 existieren konnte und ab dann als Workers International Industrial Union tätig war (Thompson & Murfin, 1976, 40). Aber auch Debs und dessen Umfeld verließen das Projekt. Damit war das Feld für die syndikalistische, »antipolitische« Fraktion frei. Der Versuch, die Mitglieder der Berufsgewerkschaften zu gewinnen, war gescheitert. Von nun an begannen die Wobblies (der Ursprung dieser Bezeichnung ist unklar), sich als Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Organisierung der untersten Schichten, der »underdogs«, zu konzentrieren (Adamic, 1931, 155). Die Wobblies wandten sich vor allem den umherziehenden Landarbeiter:innen, Bauarbeiter:innen, Bergarbeiter:innen, Erntearbeiter:innen und Holzfäller:innen des Westens zu, versuchten später aber auch, im Osten des Landes mehr Fuß zu fassen. »Hobos«, wie Wanderarbeiter:innen genannt wurden, traten massenhaft in die I.W.W. ein (Guerin, 1970, 42). Sie stellten einen bedeutenden Teil der Wobblies dar, ihr Wille zur ökonomischen direkten Aktion trug dazu bei, daß sich die syndikalistische Richtung Haywoods stabilisieren konnte. Innerhalb der Wobblies, welche sich gegen Ausgrenzung wandten und der Meinung waren, daß alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten, organisier-ten sich im Vergleich zu anderen Gewerkschaften zahlreiche Schwarze. Aber auch asiatische Arbeiter:innen und generell viele Migrant:innen (Dubofsky, 1969, 151). Eine spezielle Beurteilung von Rassismen (also verschiedenen Formen von Rassismus) aber hatten sie in ihrem Denken nicht. Die Wobbly-Presse versuchte, durch die Benutzung mehrerer Sprachen die Leute zu erreichen. Der Frauenanteil der Organisation war – im Vergleich zu anderen Organisationen – groß. Eine berühmte I.W.W.-Agitatorin war Elisabeth-Gurley Flinn, die in vielen Kämpfen aktiv war und allgemein als »Rebel Girl« bekannt war. Eine explizite Theorie von Feminismus, von geschlechtsspezifischer Unterdrückung durch patriarchale Gesellschaftsstrukturen aber existierte nicht.

2.2. Syndikalistischer Kampf

Die Wobblies begannen, mobil in vielen Kämpfen zu intervenieren, Agitator:innen einzusetzen und das Klassenbewußtsein zu fördern. Dabei wollten sie ihrem Ansatz treu sein, nicht nur Verbesserungen der Lebensbedingungen zu erkämpfen, sondern als revolutionäre Organisation und Bewegung den Kampf für den industriellen Unionismus und gegen das kapitalistische System der Ausbeutung und Lohnsklaverei zu führen. Sie waren weniger theoretisch als praktisch orientiert, konnten flexibel agieren und ein Klassenbewußtsein erzeugen, das zu einigen Erfolgen führen konnte (Dubofsky, 1969, 156). Von vielen Seiten bekämpft und angefeindet, zettelten sie über das Land verteilt Streiks an und nahmen den Kampf auf, der Repression durch Staat und Gesellschaft entgegenzutreten. Zwischen 1909 und 1911 fanden zahlreiche »free-speech-fights« statt – Kämpfe für das Recht auf Agitation und Redefreiheit. Eine große Zahl an Massenverhaftungen wurde durchgeführt, das Verbot der Agitation, wichtiges Betätigungsfeld der Wobblies, konnte teilweise aufgrund des erbitterten Widerstands nicht aufrechterhalten werden (Guerin, 1970, 41). Die I.W.W. spielten in den Jahren in vielen Streiks eine herausragende Rolle, ein besonderes Beispiel ist der Streik der Textilarbeiter:innen von Lawrence/Massachusetts im Jahr 1912. Er wurde militant geführt, mußte gegen starke staatliche Repression ankämpfen, konnte aber erfolgreich Lohnerhöhungen durchsetzen. Innerhalb dieser Revolte waren bedeutende I.W.W.-Agitator:innen involviert, führten die Kämpfe an und konnten die Arbeiter:innen verschiedener Nationalitäten vereinen. Von dieser Zeit an begannen die Wobblies, verschärft das Prinzip der Sabotage als »Streik am Arbeitsplatz« und Waffe der Arbeiter:innen zu propagieren und zu praktizieren (Adamic, 1931, 314). Hatten sie – das Ziel der Übernahme der Produktionsmittel vor Augen – diese Methoden zunächst nur innerhalb von Streiks angewendet (z.B. durch die Zerstörung von Maschinen), um Streikbrecher:innen zu behindern, wurden sie von nun an als wichtiges Kampfmittel im Klassenkampf gesehen. Auch innerhalb der Diskussion um revolutionäre Gegengewalt gegen die strukturelle Gewalt des Systems vollzog sich ein Prozess, in welchem sich alsbald verschiedene Herangehensweisen hierzu entwickeln sollten. Ziel der Wobblies dabei war, der herrschenden Klasse soviel Schaden wie möglich zuzufügen, durch Arbeitsverzögerung, Vernichtung der Waren und Maschinen, um die Profitrate zu senken und den Kapitalismus zu bekämpfen (Foner, 1965, 160).

Fazit

Wie in der Arbeit dargestellt, hat sich die syndikalistische Strömung innerhalb der I.W.W. durchgesetzt und damit den Grundstein zu Art und Weise des Kämpfens und Widerstandleistens gelegt. Der revolutionäre Syndikalismus der Wobblies war ein anderer als der europäische. Selbst innerhalb der I.W.W. war nicht eindeutig, ob nun vom »Industrial Unionism« oder vom »Syndicalism« zu reden ist. Insgesamt kann man aber die Politik der I.W.W. eindeutig als syndikalistisch bezeichnen, da etliche Parallelen zum europäischen Syndikalismus existieren. Das ursprüngliche Ziel, die Mitglieder der Berufsgewerkschaften zu gewinnen, haben die Wobblies in dieser Zeit nicht erreicht, dafür aber waren sie Sprachrohr für die Ärmsten der Armen geworden, für Schwarze, Migrant:innen und Frauen. Sie haben nie einen Hehl gemacht aus ihrem Ziel, über den zu organisierenden Generalstreik weltweit eine soziale Revolution zu erkämpfen und dabei die Lohnarbeit abzuschaffen. Innerhalb der Organisation entstand ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl und große Solidarität untereinander. Ihre Politik, das »boring-from-without«, neue revolutionäre Industriegewerkschaften aufzubauen, die entschlossen jenseits des parlamentarischen Bereiches und der herkömmlichen Arbeiter:innenorganisationen tätig werden, wurde von vielen Seiten bekämpft. Den Wobblies wurde nicht nur von Teilen der Labormovement vorgeworfen, die Arbeiter:innenklasse zu spalten bzw. nicht mehr das Industrieproletariat erreichen zu können, auch der Staat und das Kapital fürchteten die I.W.W. und bekämpften sie entschieden (z.B. über das Gesetz gegen den »kriminellen Syndikalismus«, Schwarze Listen, Streikbrecher, Bundestruppen). Die I.W.W. konnte den heftigen Angriffen (auch durch AFL, patriotische Mobs und kapitalistischer Presse) langfristig nicht standhalten, ihre Stärke nahm ab und sie wurden bedeutungsloser. Dennoch konnte ihre Entschlossenheit und ihr revolutionärer Elan in der Zeit nach der Gründung ab 1908 bis 1924 dem Kapital Furcht einflößen und den Widerstandleistenden zeigen, was Menschen bewirken können, wenn sie sich von unten zusammenschließen. Innerhalb der Organisation aber herrschte öfter mangelnde Struktur bzw. ein gewisses Durcheinander, was in bestimmten Situationen lähmend war. Meiner Meinung nach haben die Wobblies in dieser Zeit einen zu ökonomistischen Ansatz vertreten , der patriarchale und rassistische Unterdrückung zu sehr unter den Grundwiderspruch von Kapital und Arbeit subsumiert und damit ein Stück weit ausblendet. Ihr Festhalten am antipolitischen Konzept verhinderte zeitweise Bündnisse mit bestimmten Teilen der sozialistischen Bewegung in der Zeit nach 1908 und stellte die I.W.W. oftmals auf sich alleine.

Abkürzungen

  • I.W.W. Industrial Workers of the World
  • AFL American Federation of Labor
  • UMW United Mineworkers
  • ARU American Railway Union
  • WFM Western Federation of Labor
  • WLU Western Labor Union
  • ALU American Labor Union
  • SLP Socialist Labor Party
  • SPA Socialist Party of America

Literatur:

  • St.John, Vincent (1919): The I.W.W. – it's History, Structure and Methods. I.W.W. – Press, Chicago

  • Foner, Philip S. (1965): History of the Labor Movement in the United States, Volume IV: The Industrial Workers of the World. International Publishers, New York

  • Guerin, Daniel (1970): Die amerikanische Arbeiterbewegung 1867 – 1967. Suhrkamp, Frankfurt/Main

  • Renshaw, Patrick (1967): The Wobblies – the Story of syndicalism in the United States. Eyre & Spottiswoode, London

  • Dubofsky, Melvyn (1969): We shall be all – a history of the Industrial Workers of the World. Quadrangle Books, Chicago

  • Thompson & Murfin (1976): The I.W.W. – it’s first seventy years (1905 – 1975). Industrial Workers of the World, Chicago

  • Foster, William Z. (1956): Die Geschichte der kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten. Dietz-Verlag, Berlin

  • Adamic, Louis (1931/1974): Dynamit – Geschichte des Klassenkampfes in den USA (1880 – 1930). Trikont-Verlag, München

  • Salerno, Salvatore (1989): Red November, Black November – Culture and Community of the Industrial Workers of the World. State University of New York Press, New York

Anmerkung von Anarchismus.de: Der Text ist auch bei Syndikat A in gedruckter Version oder als PDF verfügbar.

Christian Danckworth

Christian ist Teil von reso.media und fühlt sich dem Anarcho-Syndikalismus und der antimilitaristischen Bewegung verbunden.

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