Interview mit CONTRASTE


anarchismus.de Kollektiv contraste
Interview

1. Was ist die CONTRASTE?

Die CONTRASTE ist eine Monatszeitung, die über Selbstorganisation berichtet, also zum Beispiel über Wohnprojekte, Kollektive, Genossenschaften und soziale Bewegungen, auch über selbstorganisierte Kunst & Kultur und interessante Bücher. Wir verstehen uns als Sprachrohr für Menschen und Projekte, die es sich zum Ziel setzen, die von Ausbeutung, Diskriminierung und Umweltzerstörung geprägten herrschenden Verhältnissen in Frage zu stellen, Alternativen zu diskutieren, Entwicklungen aufzuzeigen, eigene Utopien zu entwickeln und diese auch in der Praxis zu erproben. Wir berichten sozusagen über das „Neue im Alten“. Die Redaktion selbst ist auch selbstorganisiert, die meisten unserer Redakteur:innen arbeiten ehrenamtlich.

2. Seit wann gibt es die Zeitung und wie positioniert ihr euch innerhalb der anarchistischen Bewegung?

Unsere Zeitung gibt es schon seit 1984. Trotz finanzieller Schwierigkeiten hat die Redaktion es immer wieder geschafft, das Projekt fortzuführen. Als Redaktion positionieren wir uns nicht explizit anarchistisch, weil wir versuchen, die ganze Vielfalt der Bewegungen widerzuspiegeln. Einige der Projektgruppen, über die wir berichten oder die einen Beitrag einreichen, begreifen sich als anarchistisch, wie zum Beispiel die FAU, der A-Laden in Berlin oder die anarchistische Buchmesse. Andere Projekte, die bei uns auftauchen, würden den Begriff Anarchismus nicht verwenden. Die Prinzipien der Selbstorganisation gehören aber natürlich zu den Grundlagen des Anarchismus. Und die CONTRASTE macht sehr viel von dem sichtbar, was Menschen selbstorganisiert so alles auf die Beine stellen können.

(Im März 2019 hatten wir einen Schwerpunkt zum Thema Anarchismus, im April 2021 hat die FAU einen eigenen Schwerpunkt in der CONTRASTE gestaltet. LINK)

3. Was sind so die Themen für die kommende Ausgabe?

In unserem Schwerpunkt stellen wir das Buch „Das gute Leben für alle“ vom I.L.A.-Kollektiv vor – und vier Wandelprojekte, die darauf aufbauend entstanden sind. Außerdem erzählen Aktivist*/innen von ihren Erfahrungen an der serbisch-kroatischen Grenze, wo sie die Graswurzel-Revolution NoNameKitchen dabei unterstützt haben, Menschen auf der Flucht mit dem Nötigsten zu versorgen. Das 4-Häuser-Projekt aus Tübingen, das im Mietshäuser Syndikat organisiert ist, berichtet von seinen Planungen für einen Neubau – und soziale und ökologische Fragen, die dabei diskutiert werden. In unserer Rubrik „Theorie“ geht es um die Frage, inwiefern die Kämpfe von verschiedenen sozialen Bewegungen in der Praxis miteinander verknüpft werden können. Und es gibt auch Beiträge aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, u.a. aus Lützerath und über die Initiative „Koblenz Autofrei“. Wie immer stellen wir auch lesenswerte Veröffentlichungen vor, wie zum Beispiel den Kritischen Agrarbericht oder ein Buch über das erste Frauenhaus, das 1976 in Berlin eröffnet wurde.

4. Wie würdet ihr den Stand der anarchistischen Bewegung in Deutschland und darüber hinaus beschreiben?

Das ist eine schwierige Frage, weil wir natürlich nicht alles mitbekommen, was in der anarchistischen Bewegung so passiert... Aus dem, was wir wahrnehmen, gibt es immer noch viele Ortsgruppen, die sich der anarchistischen Bewegung zugehörig fühlen – und es gibt auch eine Vernetzung, z.B. in der FdA oder der FAU. Und teilweise wird auch versucht, Brücken zu schlagen zu anderen Bewegungen, wie z.B. der Klimagerechtigkeitsbewegung oder der anarchistischen Bewegung. Für Menschen, die keinen Bezug zum Anarchismus haben, wird das nicht deutlich. Anarchistische Stimmen sind nicht so präsent. Gleichzeitig tauchen auch in anderen Bewegungen oft anarchistische Prinzipien auf (wie bei selbstorganisierten Projekten auch), die nicht als solche benannt werden. Wahrscheinlich gibt es mehr Anarchist:innen als Menschen, die sich auch Anarchist:innen nennen. ;) Spannend sind für uns auch immer Berichte aus anderen Regionen, wie z.B. vom öko-anarchistischen Kollektiv „Feral Crust“ aus den Philippinen (CONTRASTE Nr. 445 / Oktober 2021). Aber das sind natürlich nur Schlaglichter, daraus etwas über die globale anarchistische Bewegung abzuleiten – das wäre vermessen.

5. Wie hat sich die Zeitung im Kontext der Corona-Situation entwickelt, wie hoch ist eure Auflage aktuell?

Wider Erwarten stehen wir im Moment ganz gut da, zumindest finanziell. Jedes Jahr starten wir eine neue Spendenkampagne, damit wir weitermachen können. Wir brauchen pro Jahr rund 8.000 € Spenden, damit das Projekt sich einigermaßen trägt. Und obwohl das Jahr noch relativ jung ist, haben wir einen Großteil der Spenden schon bekommen, das ist klasse. Noch schöner wäre es aber natürlich, wenn wir nicht so sehr auf Spenden angewiesen wären, sondern uns vor allem über Abos und Mitgliedschaften finanzieren würden. Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben… Unsere Auflage liegt momentan bei rund 2.000 Exemplaren. Wir gehen aber davon aus, dass mehr Menschen die CONTRASTE lesen, weil sie auch an vielen Orten ausliegt und wir sie bei Veranstaltungen verteilen.

6. Kann man bei euch mitmachen und wenn ja wie?

Ja, wir sind immer auf der Suche nach Menschen, die sich vorstellen können, regelmäßig Artikel zu schreiben, zu redigieren oder einzelne Seiten und/oder auch Schwerpunkte zu planen. Wir freuen uns aber auch über Redakteur:innen zu bestimmten Themen, etwa Klimawandel oder Degrowth, was nicht bedeuten muss, selbst zu schreiben, sondern im Blick zu haben, was aktuelle, berichtenswerte Themen oder Ereignisse sind und wer für Beiträge darüber angefragt werden könnte. Die Arbeit für die CONTRASTE ist ehrenamtlich, bietet aber eine schöne Möglichkeit, Informationen über interessante Projekte zu verbreiten, kritische Diskussionen anzuregen und journalistische Erfahrung zu sammeln. Wir treffen uns zwei Mal pro Jahr zu einem gemeinsamen Plenum und kommunizieren ansonsten per Mail und Telefon, weil wir über verschiedene Städte in Deutschland und Österreich verteilt sind. Interessierte können sich einfach per Mail melden: koordination@contraste.org Mehr Infos zur CONTRASTE und auch einzelne Beiträge aus den Print-Ausgaben findet ihr auf unserer Webseite. Wir bieten auch ein Schnupperabo an für Menschen, die die CONTRASTE kennenlernen wollen: 3 Ausgaben für 9 Euro. Das Schnupperabo endet automatisch. Einfach hier bestellen: www.contraste.org/abo

contraste

CONTRASTE ist die einzige überregionale Monatszeitung für Selbstorganisation. Seit 1984 dient sie den Alternativen Bewegungen als Sprachrohr und Diskussionsforum. Aktivist*/innen aus den unterschiedlichsten Bewegungen verfolgen mit der Herausgabe der Zeitung das Ziel, zu den von Ausbeutung, Diskriminierung und Umweltzerstörung geprägten herrschenden Verhältnissen Alternativen zu diskutieren, Entwicklungen aufzuzeigen, eigene Utopien zu entwickeln und diese zu erproben.

Vorheriger Beitrag Nächster Beitrag