Interview mit der ASJ Wien und der ASJ Wiener-Neustadt


anarchismus.de Kollektiv Anarchosyndikalistische Jugend Wien
Interview Anarchosyndikalismus

1. Was ist die Initiative für eine Anarchosyndikalistische Jugend Wien (ASJW) / Anarchosyndikalistische Jugend Wiener-Neustadt (ASJWN)?

(ASJW) Aus unserem Selbstverständnis: "Die ASJ Wien ist eine anarchosyndikalistische Jugendgewerkschaft für alle Menschen zwischen 13 und 25 Jahren. Wir verstehen uns als Organisation zum Wissensaustausch und zur Selbstorganisierung von und für Jugendliche und junge Erwachsene. Wir möchten Schüler*innen, Lehrlingen, Student*innen und Menschen in Ausbildung eine Struktur abseits parteienabhängiger Jugendorganisationen zum Austausch von Ideen bieten. Wir setzen uns für eine Gesellschaft gleichberechtigter und freier Menschen ohne Ausbeutung und Diskriminierung ein. Als Anarchist*innen lehnen wir Herrschaft von Menschen über Menschen in jeder Form ab und als Syndikalist*nnen versuchen wir, diese Gesellschaft durch direkte Aktionen zu erreichen. Darunter verstehen wir direkte Verbesserungen unserer Lebens-und Arbeitsbedingungen."

(ASJWN) Die Initiative ist ein Versuch junge, anarchistisch eingestellte Personen im Alter von 13 bis 26 in Wiener Neustadt und Umgebung zu vernetzen und daraufhin in einer Anarchosyndikalistischen Jugend zu organisieren. Da Wiener Neustadt kleiner und im Gegensatz zu Wien und Salzburg eher etwas ländlicher gelegen ist, gestaltet sich die Suche nach potenziellen Mitgliedern eher schwierig. Zwar existieren „linke“ Gruppen wie „SJ Wiener Neustadt“ und „Junge Linke Wiener Neustadt“, doch sind diese keine wirkliche Alternative für Anarchist*nnen. Allerdings finden sich auch Hinweise auf anarchistische Aktivitäten in Wiener Neustadt und Umgebung, wie z.b durch Sticker oder Graffiti. Die Herausforderung besteht nun darin, mit Flyern, Plakaten, Social Media und co. auf uns Aufmerksam zu machen und vielleicht sogar neue Personen für den Anarchismus zu begeistern. Vielleicht denken sich viele Leser*nnen, dass das Projekt einer ASJ außerhalb von Städten wie Wien keinen großen Sinn macht. Wir finden es jedoch wichtig, anarchistische Strukturen auch außerhalb von Großstädten aufzubauen, da es gerade dort (besonders in Österreich) oft an Vernetzungsmöglichkeiten mangelt. Außerdem hat Wiener Neustadt eine relativ große, oftmals leider vergessene, anarchistische Vergangenheit. Auch wenn die Initiative scheitert, haben wir es immerhin versucht. Deswegen möchten wir jeden, der in seiner Umgebung keine Möglichkeit besitzt, sich mit anderen Anarchist*nnen zu vernetzen, dazu auffordern, einfach selber aktiv zu werden. Wer weiß? Vielleicht klappt es sogar und es gibt eine ASJ mehr in Österreich. ;)

2. Seit wann gibt es eure Initiative und wo verortet ihr euch innerhalb der anarchistischen Bewegung?

(ASJW) Die ASJ Wien hatte ihr Gründungstreffen im Juli 2020. Eine Person in Wien wollte damals eine Jugendgewerkschaft, nach dem Vorbild der ASJs welche es früher in Deutschland gab, gründen und hat schnell Gleichgesinnte gefunden. Mittlerweile konnten wir uns auch schon über die Gründung weiterer Ortsgruppen in Salzburg, Linz und einer Initiative in Wiener Neustadt freuen. Wir verorten uns natürlich als Vertreter*innen von uns jungen Leuten, heißt wir orientieren uns an unseren Lebensrealitäten: Pandemie, Familie, nicht Entsprechen der gesellschaftlichen Normen, Ausbildung, Studium und Schule (dazu haben wir auch ein Zine geschrieben) um nur ein paar zu nennen. Wir sind soweit anarchosyndikalistisch, als dass wir uns als Zusammenschluss von Unterdrückten, zur Verbesserung ihrer Lebensumstände sehen und Herrschaft im allgemeinen ablehnen. Wir sind weder vergleichbar mit einer klassischen (im schlimmsten Fall "System"-)Gewerkschaft, in der Leute Beiträge einzahlen und außer ein paar Funktionär*nnen keiner was macht, noch begrenzen wir uns auf die reine Organisierung am Arbeitsplatz. Vielmehr finden wir unsere Genoss*innen an allen Orten unseres (sozialen) Lebens.

(ASJWN) Die Initiative gibt es seit Ende 2021 und wurde von einer Einzelperson Aufgrund mangelnder Vernetzung ins Leben gerufen. Wie die ASJ Wien sehen wir uns als Vertreter*innen von uns jungen Leuten und orientieren uns an unseren Lebensrealitäten, z.b: Pandemie, Familie, nicht entsprechen der gesellschaftlichen Normen. Wir sind so weit Anarchosyndikalistisch, als dass wir uns in einer Jugendgewerkschaft organisieren. Grundsätzlich ist jede/r Anarchist*in, die/der sich organisieren will, willkommen.

3. Die ASJ war ja vor Jahren in Deutschland eine recht aktive, aber kleine anarchistische Jugend Föderation, von dieser Zeit gibt es nur noch die sehr langlebige Gruppe in Bonn. Nun erlebt die ASJ in Österreich mit Gruppen in Wien und Salzburg, sowie eurer Initiative, als auch in der Schweiz mit der Freien Arbeiter:Innen Jugend ein revival. Was findet ihr grade so spannend an dem Konzept einer anarchosyndikalistischen Jugend?

(ASJWN) / (ASJWN) Wir halten nichts von der Idee, dass jemand anderes unsere Interessen vertritt oder das auch nur könnte. Wir vertreten uns selber und bauen demnach auch an einer Welt, in der das möglich ist. Der Weg, dieses große Ziel zu erreichen, liegt unserer Ansicht nach in der organisierten Selbstverwaltung: diese finden wir in der ASJ. Warum wir nicht ein reines Anarchosyndikat sondern vor allem auch eine Jugendorganisation sind, erklärt sich an unterschiedlichen Interessen von Altersgruppen und daran, dass wir nicht von Älteren bevormundet werden und wieder in den ewig alten Strukturen und Theorien festhängen wollen.

4. Welche Projekte & Kämpfe verfolgt ihr grade und wie ist der Stand von diesen?

(ASJW) Wir sind noch eine ziemlich neue Organisation, dennoch haben wir schon einiges gemacht - die Berichte darüber findet ihr auf unserer Website. Oft mussten wir dabei Dinge erst neu lernen, nur wenige hatten davor schon Erfahrungen mit politischer Arbeit. Was wir gelernt haben, hilft uns jetzt aber dabei, unsere städteübergreifenden Strukturen aufzubauen und Anderen eine "Starthilfe" zu geben. Ein Hauptaugenmerk legen wir aktuell auf Vernetzung. Mit einer Mitgliedschaft in zwei Raumkollektiven, mehreren Bündnissen und unseren Social Medias gelingt uns das gut. Inhaltlich haben wir uns zuletzt mit Kritik am Schulsystem, Selbstverwaltung und Soldarität mit Repressionsbetroffenen beschäftigt. Demnächst soll es dann mit einem Input zu "mental health" weitergehen. Auch weitere Soli-Beisl (Barabende) sind angedacht.

5. Wie würdet ihr den Stand der anarchistischen Bewegung in Wien und Österreich einschätzen?

(ASJWN) / (ASJWN) Um es mit den Worten des Verfassungsschutzberichts 2020 zu sagen: "Die radikale Linke hat in Österreich derzeit keine gesellschaftliche Relevanz." (sinngemäßes Zitat, wollten es nicht nochmal raussuchen..) Mit dem Zustand der linken Szene in Österreich und Wien sind wir wahnsinnig unzufrieden und enttäuscht. Von sektenähnlichen Strukturen, Wohlfühllinken, Terfs & Schwurblis, bis hin zu Stalos ist alles zu finden.

Entscheidend ist aber unserer Meinung nach vor allem, dass die Linke Szene zu einer wahnsinnig kurzlebigen "Studilinken" verkommen ist, wo privilegierte ihre aktivistische Phase zwischen 18 und 25 zelebrieren und dann ihr Glück im bürgerlichem Leben finden. Irgendwann kann eins dann ja den Kindern erzählen, dass Mensch früher öfter auf Demos war... Bei dieser Art von Aktivismus, oder "Aktivismus" im Allgemeinen geht es nicht mehr darum ernsthafte Alternativen zur aktuellen Gesellschaft zu finden.

Diese Probleme betreffen die ganze Linke, eingeschlossen einiger Anarchx. Trotzdem gibt es vereinzelt echt coole Gruppen und viele Menschen die verdammt gute Arbeit leisten. Ob das jetzt antirep Gruppen, andere ASJs oder Infoshops [Infoläden] sind, ist nicht wichtig. Wichtig ist - und darin sehen wir unseren Lösungsansatz - uns mehr als Anarchx und weniger als "Linke" zu vernetzen und keinen reinen Bubbleaktivismus zu führen.

Wir arbeiten sehr intensiv daran uns als Anarchx zu vernetzen, was auch ganz gut gelingt und wobei bereits Erfolge erzielt wurden, zum Beispiel die Neugründung des anarchistischen Cafés in Wien.

Abgesehen von dem ganzen Szenekram sollten wir auch versuchen, in der breiten Gesellschaft wieder mehr Interesse für anarchistische Ideen zu wecken.

6. Wie hat sich euer Projekt im Kontext der Corona Situation entwickelt?

(ASJW) Dadurch, dass wir uns im Sommer 2020 - also als Corona bereits eine globale Pandemie war - gegründet haben, war eigentlich unsere ganze Existenz von den sich stetig wandelnden Bedingungen geprägt.

Die ersten Plena fanden im Hinterhof eines "anarchistischen" Druckraums statt. Nach Konflikten mit den ewiggestrigen Anarcho-TERFS des anderen Kollektivs und weil es draußen immer früher dunkel und kälter wurde, sind wir dann im Herbst 2020 zu digitalen Treffen übergegangen, das haben wir einige Zeit so gemacht.

Weil uns aber auf lange Sicht der direkte Kontakt zu den Anderen gefehlt hat, sind wir als die Fallzahlen und Temperaturen es einigermaßen zugelassen haben wieder zu physischen Treffen draußen gewechselt. Das war auch niederschwelliger für neue Leute: in dieser Zeit hatten wir unseren ersten größeren Wachstumsschub.

Auch unsere Flyerkampagne zu, durch "Schutzmaßnahmen" gerechtfertigten, Polizeikontrollen von Jugendlichen im öffentlichen Raum ist in dieser Zeit entstanden.

Nach Verboten von Treffen im Freien sind wir dann wieder zu Plena drinnen übergegangen und haben mit zunehmenden Testmöglichkeiten im neuen Raum Soli-Beisl veranstaltet. Natürlich immer mit Covid-Konzept und Maske.

Die alltägliche Situation an den Schulen und in der Arbeit ändert sich stetig. Sie beschäftigt uns privat und damit auch die ASJ.

Wir versuchen - so weit es uns möglich ist - zu zeigen, dass wir auch während der Pandemie präsent sind. Durch Flyeraktionen und auf Social Media teilen wir unsere Ideen mit der Welt und mit Veranstaltungen und Orga-interner Freizeitgestaltung (Wandern, Sport, das eine oder andere Bierchen) beugen wir, soweit es geht, die allgemeine Vereinsamung vor.

Gerade bei den physischen Treffen gehen wir natürlich rücksichts- und verantwortungsvoll miteinander um: Maskenkonsens, PCR-Tests im Vorfeld und verlässliches Contact-tracing mit eigenverantwortlicher Quarantäne.. auf die immer absurder werdenden "Maßnahmen" der Regierung kann sich ja icht verlassen werden.

Leider ist neben der Bedrohung, die die Pandemie ohnehin schon darstellt, urch sie auch noch eine zweite entstanden: Mit der gewachsenen Gefahr von Verschwörungsideolog*innen, die zb. auf Demos oft gemeinsam mit rechtsextremen Gruppen marschieren oder leider auch teilweise in der linken Szene herumschwirren, umzugehen, ist eine schwierige Aufgabenstellung die wir uns alle, nicht nur in der ASJ, stellen müssen - was allgemein viel zu spät erkannt wurde. Wir haben uns in diesem Bezug immer wieder mehr oder weniger öffentlich an Aktionen beteiligt, sehen uns aber im Angesicht der Masse an Logik und Fakten verweigernden, Menschen- und Wissenschaftsfeinden einer mittlerweile nicht mehr zu bewältigenden Aufgabe gegenüber: Friedliche Gegendemos sind verschwindend klein und führen ohnehin zu nichts. Direkte Angriffe und Blockaden sind Tropfen auf den heißen Stein. Fakt ist: die Linken, wie die Anarchx - alle waren wir im Angesicht der Schwurblis über lange Strecken handlungsunfähig. Hoffentlich haben wir daraus gelernt, denn die nächste Krise kommt bestimmt und es gilt klare Worte zu finden und diesen Taten folgen zu lassen.

7. Wie kann man bei euch mitmachen?

(ASJW) Wir sind eine Orga mit einer kleinen Beitrittshürde. Wenn eine Person mitmachen will, muss diese Person erst zu einer unserer offenen Textdiskussionen(/Beisln/Demo?) kommen. Wenn Person einmal da war, dann kann Person zu einem unserer Plena kommen (sind vor unseren Textdiskussionen angesetzt) und nach dem Plenum ist eins eigentlich schon mit dabei. Wir halten nichts von langwierigen Aufnahmeritualen wie es manche linke Gruppen tun. Wir sind ansprechbar und niederschwellig, achten dennoch darauf sicher zu bleiben. Beides klappt gut.

(ASJWN) Um bei der Initiative für eine ASJ Wiener Neustadt dabei zu sein, braucht es nicht viel. Du solltest nur ungefähr in dem oben genannten Alter sein, regelmäßig nach Wiener Neustadt kommen und bereit sein, etwas Zeit in den Aufbau der ASJ zu investieren. Nur gemeinsam können wir diese Struktur aufbauen und in Wiener Neustadt wieder für etwas anarchistische Präsenz sorgen! Erreichen kannst du uns auf unserem Insta und Twitter Account sowie bei asj_wienerneustadt@riseup.net.

Anarchosyndikalistische Jugend Wien

Gerade wir junge Menschen spüren in unserem Alltag stark, wie von allen Seiten versucht wird uns zu einem folgsamen und willenlosen Teil des Systems zu machen – zu Zahnrädchen in einem kapitalistischen Getriebe. In einer Welt wie wir sie uns vorstellen braucht es das nicht.

Wir setzen uns für eine Gesellschaft gleichberechtigter und freier Menschen ohne Ausbeutung und Diskriminierung ein. Als Anarchist*innen lehnen wir Herrschaft von Menschen über Menschen in jeder Form ab und als Syndikalist*innen versuchen wir, diese Gesellschaft durch direkte Aktionen zu erreichen. Darunter verstehen wir direkte Verbesserungen unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen.

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