Winter is coming


Caro
Aktuelles Direkte Aktion Krise

Durch die Pipeline Nord Stream 1 kommt aktuell kein Gas mehr aus Russland nach Mittel- und Westeuropa. Das Thema bestimmt die Medien und von allen Seiten wird die Bevölkerung bereits jetzt aufgefordert, Energie zu sparen. Solche Appelle hören wir seit Jahrzehnten, doch in Zukunft kann es dabei ums Überleben gehen. Wir können momentan nicht vorhersehen, wie schlimm es wirklich wird. Spulen wir sechs Monate nach vorne, in eine potenziell dystopische Zukunft: Es ist kalt in der BRD, Energie zum Heizen ist für die meisten Privathaushalte kaum noch erschwinglich.

Der Fokus der Regierung liegt immer noch zu stark auf dem Erhalt der Wirtschaftskreisläufe. Die Wirtschaft hat laut Handelsblatt den zweitgrößten Verbrauch von Energie nach dem Verkehrssektor. Es wird argumentiert, dass ein wirtschaftlicher Schaden zu groß sei, wenn nun konsequent in der Industrie der Gasverbrauch eingestellt werden würde. Gleichzeitig wurde ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitgestellt. Das alles ist in Relation zu setzen zu Millionen von Menschen, die in diesem Winter in ungeheizten Wohnungen sitzen könnten und sich bereits jetzt nicht mehr ausreichend Nahrungsmittel kaufen können.

Auch wenn es vielleicht unserem ersten Impuls entspricht: Jetzt ist der falsche Zeitpunkt, sich ins Private zurückzuziehen und sich nur selbst mit Konserven und warmer Unterwäsche einzudecken. In Krisenzeiten sind wir als Anarchist:innen gefragt, unserer Erfahrungen, Fähigkeiten, Werte und Ideen einzubringen. Der Staat wird in erster Linie immer der kapitalistischen Wirtschaft Rückendeckung geben. Die Bevölkerung muss dieses (Miss-)Management ausbaden. Das gilt nun auch in der Gaskrise. Noch haben wir genügend Zeit, uns Strategien zu überlegen, wie das Überleben und Wohlergehen der Menschen gesichert werden kann.

Wir waren immer maßgeblich an der Anti-Atom-Bewegung und der Klimabewegung in Europa beteiligt, was zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema erneuerbarer Energien geführt hat. In beinahe jedem alternativen Projekt gibt es schon seit langem eigene Photovoltaik-, Windkraft- oder Solaranlagen, teilweise selbst konstruiert oder von ausrangierten Anlagen recycelt. Das Wissen, das wir uns hierbei angeeignet haben, können wir aufbereiten und verbreiten, um so schnell wie möglich mehr Menschen die Erzeugung von zumindest einem kleinen Teil des eigenen Energiebedarfs zu ermöglichen. Ähnliches gilt für das Know-How im Bereich der dezentralen Nahrungsmittelproduktion („Guerrilla Gardening“) und –beschaffung („Containern“, „Küche für Alle“).

Die radikale Umverteilung von verfügbaren Ressourcen wie Nahrung, Kleidung und Artikel des täglichen Bedarfs ist ein legitimes politisches Ziel, das mithilfe von Plünderung und Diebstahl, aber auch der staatlichen Enteignung privater Konzerne verfolgt werden kann. Hier gilt es, seitens der Bevölkerung rechtzeitig genügend Bewusstsein und Druck aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich auch ein paar extreme Szenarien beleuchten, zu denen es im Ernstfall kommen kann, natürlich rein theoretisch. Keinesfalls soll dieser Artikel als Aufruf zu potenziellen Straftaten missverstanden werden.

Pipelines und Gasleitungen könnten angezapft werden. Das ist ein technisch schwierig durchzuführender Sabotageakt und kann zu lebensgefährlichen Explosionen führen, wie zum Beispiel die Vorfälle in der mexikanischen Stadt Puebla 2021 gezeigt haben. Auch Tanklaster und Güterzüge, die Energieträger geladen haben, könnten entführt oder beraubt werden, wenn die Not groß genug ist. Weniger riskant ist wohl die Manipulation von Stromzählern und –leitungen, wenn sie fachgerecht durchführt werden. Analog zur Verhinderung von Abschiebungen durch das Besetzen von Haustüren und Treppenhäusern könnte auch die Abschaltung von Stromlieferung an einzelne Haushalte solidarisch verhindert werden.

Auch eine weitere Welle von Covid-19-Erkrankungen wird für den kommenden Herbst und Winter erwartet, was die Lage weiter verschärfen kann. Es ist mit erneuten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu rechnen, aber auch mit verschärfter Repression: Die Regierung wähnt sich einer äußeren Bedrohung ausgesetzt und muss gleichzeitig den inneren Frieden gewährleisten. Aktivitäten, die sich den staatlichen Plänen widersetzen, könnten noch härter verfolgt und bestraft werden, als sonst.

Sicher gibt es noch ganz andere Ideen, wie wir auch dieser Krise nicht tatenlos zusehen müssen und ganz sicher gibt es berechtigte Kritik an meinen Vorschlägen. Eins ist jedoch klar: Der Winter kommt mit Sicherheit, wir sollten versuchen, vorbereitet zu sein.

Carolin Schiml

Caro beschäftigt sich seit 10 Jahren mit (post-)anarchistischen Ideen, Tauschlogikfreiheit und der mehr-als-menschlichen Mitwelt. Außerdem ist sie Übersetzerin, Musikerin, Mutter, Seelsorgerin, Künstlerin und lebt in Bayern.

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