Interview mit der IWW in Österreich


anarchismus.de Kollektiv IWW Österreich
Interview

1. Was ist die Industrial Workers of the World?

Die IWW ist eine basisdemokratische, von Arbeiter:innen geführte weltweite Gewerkschaft für alle Arbeiter:innen an allen Arbeitsplätzen. Engagiert in der Organisierung in unseren Betrieben und unserem sozialen Umfeld. Gegründet wurde die Gewerkschaft 1905 und wir sind seitdem der Meinung, dass die Klasse der Arbeiter:innen und die Klasse der Unternehmer:innen nichts gemeinsam haben. Schon damals organisierten sich unsere Vorgänger weit über Gender und Kulturgrenzen hinweg und bauten so eine unter Gewerkschaften einzigartige Tradition auf. So lautet unser Motto auch heute noch: „Ein Angriff auf Eine(n) ist ein Angriff auf Alle“ Unser Ziel ist, neben der Abschaffung des Lohnsystems, der Aufbau einer neuen Gesellschaft, basierend auf Solidarität und den menschlichen Bedürfnissen. Die IWW ist außerdem eine strömungsübergreifende Organisation, in der Anarchist:innen und Kommunist:innen unterschiedlichster Strömungen gemeinsam für eine Zukunft ohne Ausbeutung und Lohnarbeit kämpfen. Trotzdem hat die IWW gewisse Präambeln, an die sich ihre Mitglieder halten sollten. Wie zum Beispiel die parteiliche Unabhängigkeit der IWW, welche jedoch Mitglieder nicht davon abhält in einer Partei aktiv zu sein. Generell schließen wir auch nicht aus, bei anderen Gewerkschaften oder Organisationen mitzuwirken.

2. Seit wann gibt es eure Gewerkschaft hier in Österreich und wo verortet ihr euch innerhalb der anarchistischen & syndikalistischen Bewegung?

Die IWW in Österreich gibt es seit 2009. Grundsätzlich sind wir keine ausschließlich syndikalistisch anarchistische Gewerkschaft, was jedoch nicht heißt, dass Anhänger:innen dieser Ideologie nicht willkommen sind. Zwar ist die Ursprungsideologie der IWW dem anarcho-Syndikalismus (Ansyn) sehr ähnlich, doch gibt es einige Unterschiede. Beispiele von Ansyn Elementen wären zum Beispiel die parteiliche Unabhängigkeit und die Ansicht, dass eine wirtschaftliche Veränderung hauptsächlich von organisierten Arbeiter:innen durch Streiks erreicht werden kann. Ein Unterschied zu Ansyn Gewerkschaften wäre aber das Konzept der ONE BIG UNION. So lehnen Anarcho-syndikalisten (zumindest theoretisch) eine einheitliche Organisation oftmals ab. Außerdem verfügen Ortsgruppen der IWW nicht über ganz so viel Autonomie wie die der Ansyn Gewerkschaften. Insgesamt kann man aber sagen, dass wir uns klar von staatsozialistischen und diktatorischen Systemen abgrenzen, da diese den Traum von der Arbeiter:innen Selbstverwaltung zerstören.

3. Welche Kämpfe führt ihr grade und wie ist der Stand von diesen?

Im Moment führen wir keinen klassischen Arbeitskampf, was jedoch nicht heißt, dass wir anderswo keine Kämpfe zu führen hätten. Besonders was gewerkschaftliche Beratung angeht, ist die IWW aktiv dabei. So gibt es seit einigen Monaten in Wien sogenannte Organizing Treffen, in denen sich Wobblies und/oder Interessierte über ihre Erfahrungen und Probleme am Arbeitsplatz austauschen können. Auch im Raum Salzburg und Innsbruck gibt es ähnliche Events mit dem Namen „Wobblies im Pub“, die aber informeller ablaufen. Ein sehr aktueller „Kampf“ ist derzeit eine Unterstützungskampagne für eine Person mit chronischem Fatigue Syndrom (Cfs). Für uns ist es nämlich wichtig, unsere Mitglieder in allen Lebenslagen zu unterstützen.

4. Wie würdet ihr den Stand des (Anarcho)Syndikalismus im deutschsprachigen Raum/Österreich (nehmt das, was für euch besser passt) einschätzen?

Generell kann man sagen, dass die Anarchistische bzw. syndikalistische Bewegung in Österreich eher schlecht dasteht. Es herrschen noch immer genug Vorurteile gegenüber unseren Ideen, wie zum Beispiel die Ansicht, dass diese Utopisch oder einfach nicht möglich seien. Ein wichtiges Problem hierbei ist die mangelnde Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit. Denn besonders in anarchistischen Kreisen in Österreich merkt man, wie stark diese oft von bestimmten Subkulturen abhängig sind. So konzentrieren sich diese Kreise oft zu sehr auf ihre „Szene“, anstatt neue Menschen für ihre Ideen zu begeistern. Die IWW ist zwar schon etwas mehr auf das Anwerben neuer Mitglieder fokussiert, doch trifft sie oftmals auf dieselben Probleme. Kolleg:innen sind oftmals überfordert oder abgeschreckt von unseren eher radikaleren Ideen und haben oft Angst ihren Job zu verlieren. Der Kapitalismus unterdrückt und befriedet soziale Kämpfe auf vielfältige Weise: von den Verlockungen des Konsums über immer ausgefeiltere Formen der Konkurrenz zwischen den Arbeiter:innen bis hin zu gewalttätiger Repression. Und dann kommt in Ö. auch noch dazu, dass Nationalsozialismus und Sozialpartnerschaft zu einer politischen Kultur geführt haben, wo es als aufrührerisch oder weltfremd gilt, wenn man die sozialen Konflikte offen austragen will. Diese Tabuisierung von sozialen Konflikten ist in der Sozialpartnerschaft institutionalisiert und kann durchaus als Erbe der NS-Ideologie von der Volksgemeinschaft interpretiert werden. Alles in allem haben wir noch einen weiten Weg vor uns, wenn wir gesellschaftlich relevant werden wollen

5. Wie hat sich eure Gewerkschaft im Kontext der Corona-Situation entwickelt?

Auch uns ließen die ersten Lockdowns nicht kalt. So waren in Wien Online Meetings oftmals wenig motivierend und generell herrschte eine schlechte Stimmung. In Deutschland wurden immerhin Plakate und andere Materialien kreiert und in der Schweiz wurde sogar eine Telefon-Hotline eingerichtet. Abgesehen davon, dass wir für alle Mitglieder MNS Masken mit dem IWW-Logo verziert haben, kam es besonders beim Organizing zu Problemen. Da die meisten Genoss:innen im Homeoffice arbeiten mussten und so keinen wirklichen Kontakt zu ihren Kolleg:innen hatten. Generell sind Remote Arbeitsplätze ein Thema, mit dem wir uns in nächster Zukunft intensiver beschäftigen wollen. Des Weiteren fand unser „101 Organizing Training“ an mehreren Abenden, einmal pro Woche, online statt. So konnten immerhin Wobblies aus dem ganzen deutschsprachigen Raum teilnehmen.

6. Wie kann man bei euch mitmachen?

Die IWW ist eine Gewerkschaft für alle Arbeiter:innen. Genauer gesagt für alle Menschen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft, sei es nun Körperliche oder Kopfarbeit, abhängig sind. Ausgenommen sind jedoch Menschen, die Macht über andere haben. So kann jemand, der die Macht hat Angestellte einzustellen oder zu kündigen, unmöglich Mitglied bei der IWW sein. Neben Arbeiter:innen sind aber auch besonders Pensionist:innen, Schüler:innen und Erwerbslose gerne gesehen, denn unser Kampf gilt nicht nur den Arbeiter:innen, sondern im Endeffekt uns allen!

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